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Gefahr für Herz und Gefäße bannen

Es wird immer offensichtlicher, dass bei fast allen rheumatisch-muskuloskelettalen Erkrankungen kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität erhöht sind. Als Ursache dafür gelten u.a. die systemische Entzündung sowie allgemeine und krankheitsspezifische Risikofaktoren, schreiben Dr. George Drosos, First Department of Propaedeutic Internal Medicine, University of Athens, und Kollegen.
Vier übergreifende Prinzipien und zwei spezifische Leitfäden
Für die rheumatoide Arthritis (RA) und die axiale Spondyloarthritis (axSpA) gibt es schon seit 2015 Empfehlungen zum kardiovaskulären Risikomanagement. Eine über zwanzigköpfige Expertengruppe hat auf der Basis von Literatur und Erfahrungswissen aktuelle praxistaugliche Empfehlungen entwickelt, mit denen sich das Risiko auch bei Patienten mit anderen rheumatischen Erkrankungen besser einschätzen und eindämmen lassen soll.
Dabei handelt es sich um vier übergreifende Prinzipien und zwei Leitfäden für zwei Erkrankungsgruppen. In der ersten Gruppe fassten die Experten Gicht, Vaskulitiden, systemische Sklerose (SSc), Myositiden, Sjögren-Syndrom und Mischkollagenosen zusammen. In der Zweiten werden die Empfehlungen für systemischen Lupus erythematodes (SLE) und das Antiphospholipidsyndrom (APS) genannt.
Gicht, Vaskulitiden, Systemische Sklerose, Myositiden, Sjögren und Mischkollagenosen
Zur Erfassung des kardiovaskulären Risikos werden die üblichen Instrumente empfohlen. Dazu gehören der Framingham Risk Score (FRS) und die Systematic Coronary Risk Evaluation (SCORE). Bei Patienten mit ANCA-positiven Vaskulitiden unterschätzt der FRS allerdings das jeweilige kardiovaskuläre Risiko. Womöglich ist es daher hilfreich, zum Risikoassessment das sogenannte EUVAS-Modell hinzuzuziehen, das Alter, diastolischen Hochdruck und PR3-ANCA Status berücksichtigt.
Für die Behandlung einer Hypertonie oder Hyperlipidämie gelten die gleichen Regeln und Zielwerte wie für die allgemeine Bevölkerung. Der Serum-Harnsäurespiegel sollte bei Gichtpatienten unter 0,36 mmol/L liegen. Serumspiegel darüber erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.
Das Erreichen einer Remission sowie deren Erhalt sind bei ANCA-positiver Vaskulitis das A und O, weil sich dadurch die kardiovaskuläre Gefahr reduziert. Bei Riesenzellarteriitis könnte ein optimal abgestimmtes Glukokortikoidregime das Risiko senken. Dabei müssen Rezidivwahrscheinlichkeit und kardiovaskuläre Nebenwirkungen durch hohe Steroiddosen ausbalanciert werden.
Diuretika sollten bei Gichtpatienten vermieden werden. Das gilt auch für Betablocker bei SSc-Patienten – obwohl große Studien dazu bislang fehlen – weil sie sich auf das Raynaud-Syndrom negativ auswirken. Eine standardmäßige kardiovaskuläre Primärprävention mit niedrig-dosiertem ASS wird bei Gicht, Vaskulitiden, SSc, Myositiden, Sjögren und Mischkollagenosen nicht empfohlen. Sind Plättchenhemmer erforderlich, erfolgt die Verordnung analog zum Vorgehen in der Allgemeinbevölkerung.
Zur Senkung des Harnsäurespiegels bei Gichtpatienten können sowohl Allopurinol (Leitlinienempfehlung) als auch Febuxostat verordnet werden. Beide Xanthinoxidasehemmer sind sich hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos ähnlich.
Diese Empfehlungen gelten für alle
- Das kardiovaskuläre Risiko ist für alle rheumatologischen oder muskuloskelettalen Erkrankungen erhöht. Reduziert man die Krankheitsaktivität (v.a. bei SLE), sinkt auch dieses Risiko.
- Für das kardiovaskuläre Risikomanagement rheumatologischer Patienten ist der Rheumatologe in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt und dem Kardiologen verantwortlich.
- Alle rheumatologischen Patienten sollten regelmäßig auf kardiovaskuläre Risikofaktoren hin untersucht werden. Das erste Assessment wird innerhalb der ersten sechs Monate nach Diagnose der rheumatischen Erkrankung empfohlen.
- Patienten können kardiovaskulären Risikofaktoren mit Diäten, Rauchverzicht und regelmäßiger Bewegung entgegenwirken und sollten dazu motiviert werden.
Systemischer Lupus und Antiphospholipidsyndrom
Die gängigen Scores unterschätzen beim SLE das kardiovaskuläre Risiko. Mit SCORE ließen sich in einer Studie nur die Hälfte der beobachteten fatalen kardiovaskulären Ereignisse vorhersagen. Der FRS wiederum unterschätzt v.a. die Gefahr für Schlaganfälle. Neue spezifische Lupus-Scores (z.B. SLEDAI) scheinen besser abzuschneiden, wobei die Evidenz noch fehlt. Die Taskforce empfiehlt für Lupus-Patienten daher ein individuelles Risikoassessment, in das alle traditionellen und krankheitsspezifischen kardiovaskulären Risikofaktoren einbezogen werden.
Beim APS kann zum Risikoassessment der adjusted Global APS Score (aGAPSS) herangezogen werden. Werden zusätzlich Faktoren wie Diabetes, Rauchstatus und Übergewicht berücksichtigt (aGAPSSCVD), lässt sich die Genauigkeit verbessern. Aber auch für diese Scores fehlen genauere Daten.
Hypertonie bei Lupusnephritis mit ACE-Hemmern behandeln
Beim SLE sind niedrigere Blutdruckwerte mit einem geringeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden, als Zielwert gilt < 130/80 mmHg. Für Patienten mit Lupusnephritis und Hypertonie oder Makroalbuminurie empfiehlt die Taskforce zur Behandlung ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker. Hypertone APS-Patienten sollten eine antihypertensive Therapie nach den allgemeingültigen Empfehlungen erhalten. Das Vorgehen bei Hyperlipidämie richtet sich bei SLE und APS nach den Richtlinien für die Allgemeinbevölkerung.
Je nach individuellem kardiovaskulärem Risikoprofil können SLE-Patienten eine Primärpravention mit ASS erhalten. Low-dose-ASS eignet sich laut Taskforce prophylaktisch bei asymptomatischen aPL-Trägern. Für SLE-Patienten ohne Thromboseanamnese oder Schwangerschaftskomplikationen wird ASS bei hohem aPL-Risikoprofil explizit empfohlen, bei niedrigem Risikoprofil sollte es zumindest erwogen werden. Da Glukokortikoide mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sind, wird empfohlen, sie bei SLE in der niedrigst-möglichen Dosis einzusetzen. Der Zusammenhang zeigt sich sowohl für hohe kumulative als auch hohe Tagesdosen.
Die bei SLE eingesetzten Immunsuppressiva scheinen sich hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos kaum zu unterscheiden. Die bisherige Studienlage erlaubt es nicht, einen Wirkstoff den anderen vorzuziehen. Das für alle SLE-Patienten empfohlene Hydroxychloroquin reduziert nachgewiesenermaßen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Bei fehlender Kontraindikation sollten es daher alle SLE-Patienten erhalten.
Quelle: Drosos GC et al. Ann Rheum Dis 2022; DOI: 10.1136/annrheumdis-2021-221733
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