Gicht, lass nach!

Dr. Dorothea Ranft

Eine harnsäuresenkende Therapie soll nach dem ersten Gichtanfall noch nicht begonnen werden. Eine harnsäuresenkende Therapie soll nach dem ersten Gichtanfall noch nicht begonnen werden. © doucefleur – stock.adobe.com

Heftige Schmerzen im Großzehengrundgelenk, Rötung und Schwellung: Die akuten Folgen von erhöhten Harnsäurewerten sind meist leicht zu erkennen. Die DEGAM fasst in einer neuen Leitlinie zusammen, wie die optimale Diagnostik und Therapie aussehen.

Zum Nachweis der akuten Gicht genügt nach wie vor der klinische Befund, stellen die Autoren der Gicht-Leitlinie klar. Die Diagnose sollte gestellt werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind: Der Patient entwickelt ohne Prodromi innerhalb eines Tages eine schmerzhafte Monoarthritis. Diese manifestiert sich in einem Extremitätengelenk distal von Schulter und Hüfte. Den Beschwerden ist weder ein Trauma noch eine intraartikuläre Injektion vorausgegangen. Außerdem besteht weder Fieber noch eine akute Verschlechterung des körperlichen Befindens. Einen wichtigen Hinweis gibt auch der Verlauf: Gichtbeschwerden bilden sich unter der Therapie normalerweise innerhalb von wenigen Stunden bis zwei Tagen zurück.

Bei eindeutiger Symptomatik ist Labordiagnostik überflüssig

Auf eine Gelenkpunktion kann man in der hausärztlichen Praxis in der Regel verzichten, schreibt das Expertenteam um die Hauptautoren Dr. Bettina Engel, Uniklinik Erlangen, und Dr. Horst Prautzsch, Uniklinik Tübingen. Routinemäßig eingesetzt würde diese eventuell sogar mehr iatrogene septische Arthritiden auslösen, als primär entdeckt werden können, geben die Verfasser zu bedenken. Auch von Labordiagnostik wird in eindeutigen Fällen abgeraten, eine akute Verschlimmerung kann auch bei niedrigen Harnsäurewerten auftreten. Falls der Patient Fieber hat oder im Allgemeinzustand beeinträchtigt ist, sind bakterielle Gelenkentzündung und eitrige Bursitis auszuschließen.

Therapeutika der Wahl sind Glukokortikoide, NSAR und Colchicin. Die Entscheidung richtet sich nach Komorbidität und Komedikation. Wenn der Patient noch andere Medikamente einnimmt, empfiehlt die Leitlinie eine (elektronisch unterstützte) Interaktionskontrolle. ­Behandelt wird bis zum ­weitgehenden Abklingen der ­Symptome.

Colchicin soll nur in niedriger Dosierung eingesetzt werden. Für den ersten Tag werden 2 mg empfohlen, am zweiten und dritten Tag zwei- bis dreimal 0,5 mg und ab dem vierten Tag maximal zweimal 0,5 mg. Die Höchstdosis von 6 mg pro Gichtanfall darf nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Ein Nachteil des Colchicins: Unter der Therapie treten immer wieder schwerwiegende Wechselwirkungen auf, unter anderem mit Antibiotika, Kalziumantagonisten und Statinen.

Vorsicht, Fehldiagnose!

Die spetische Arthritis gilt als die wichtigste Differenzialdiagnose zum Gichtanfall. Bei immunkompetenten Patienten tritt sie allerdings äußerst selten auf. Die Körpertemperatur ist bei der Gicht fast nie erhöht, der Allgemeinzustand nicht beeinträchtigt. Eine weitere Differenzialdiagnose stellt die ebenfalls seltene eitrige Bursitis dar. Sie manifestiert sich auch bei Personen ohne beeinträchtigte Infektabwehr oder Trauma. Von der häufigeren nicht eitrigen Form lässt sie sich nur schwer unterscheiden. Hinweisend sind Fieber und beeinträchtigte körperliche Verfassung.

Die Tagesdosis der Glukokortikoide wird am besten als Einmal­gabe verabreicht, diese sollte ab dem zweiten Tag vorzugsweise morgens erfolgen. Am ersten Tag kann man mit 50 mg Prednisolonäquivalent per os beginnen. Die weitere Dosierung richtet sich nach Schweregrad und Dauer der Symptome sowie nach dem Körpergewicht des Patienten. Von einer parenteralen Steroidtherapie soll wegen des raschen Ansprechens auf die orale Behandlung und aufgrund des erhöhten Risikos für eine septische Arthritis abgesehen werden, sie bleibt Einzelfällen vorbehalten.

Auch NSAR wirken inflammatorisch und schmerzlindernd. Sie werden in üblicher Standarddosis verabreicht, wobei auf Komorbiditäten zu achten ist. Untereinander zeigen die verschiedenen Wirkstoffe offenbar keine Unterschiede in ihrem Effekt. In Studien verglichen wurde auch die Anwendung von NSAR und Glukokortikoiden. Hinsichtlich der Wirksamkeit waren die geprüften NSAR (vorwiegend Indometacin) Prednisolon ebenbürtig, bei etwas ungünstigerem Nebenwirkungsprofil. Eine weitere Arbeit hat den Cyclooxigenase-2-Hemmer Etoricoxib mit einem Steroid und Indometacin verglichen. Hinsichtlich des Effekts waren die drei Substanzen ebenbürtig, aber Indometacin wurde schlechter vertragen.

Zur Kombination von zwei der drei Wirkstoffe konnten die Leitlinienautoren keine Studien finden. Es bleibt also unklar, ob diese einen größeren Effekt erzielt als die zuverlässig und schnell wirkenden Monotherapeutika. Sicher ist, dass Kombinationen Nebenwirkungen verstärken können, so sind z.B. unter NSAR plus Kortikosteroid ­hypertensive Krisen möglich. Deshalb wird die Kombination in der aktuellen Leitlinie nicht mehr als Therapie der Wahl empfohlen. Sie bleibt eine Option bei besonders schweren Gichtanfällen, ist aber ein individueller Heilversuch.

Harnsäuresenkung erst ab zwei Gichtanfällen pro Jahr

Eine harnsäuresenkende Therapie soll nach dem ersten Gichtanfall noch nicht begonnen werden. Diese ist aber zu erwägen, wenn der Patient mindestens zwei Gichtanfälle pro Jahr hat oder Tophi aufweist. Gestartet wird sie erst nach vollständigem Abklingen der Symptome frühestens 14 Tage nach einem Gichtanfall.

Als nicht-medikamentöse Therapie ist laut Leitlinie eine angemessene Flüssigkeitszufuhr sinnvoll, um eine intraartikuläre Dehydratation mit einem Anstieg der Uratkonzentration zu verhindern. Geraten wird auch zur lokalen Kühlung, da sie die Schmerzen im befallenen Gelenk lindert. Außerdem soll die betroffene Extremität hochgelagert werden.

Die Punktion von Tophi zählt nicht zu den Routinemaßnahmen in der hausärztlichen Praxis. Denn dabei besteht nicht nur die Gefahr der iatrogenen Infektion. Die Punktion ist oft überflüssig, weil sich diese Ablagerungen unter einer Harnsäuresenkung häufig zurückbilden. Die Maßnahme kann aber im Einzelfall erwogen werden, etwa bei einer mechanischen Behinderung.

Quelle: S2e-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der ­akuten Gicht“, AWMF-Registernr. 053-032b, ­ www.awmf.org

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Eine harnsäuresenkende Therapie soll nach dem ersten Gichtanfall noch nicht begonnen werden. Eine harnsäuresenkende Therapie soll nach dem ersten Gichtanfall noch nicht begonnen werden. © doucefleur – stock.adobe.com