Glomerulonephritiden und Systemerkrankungen

Bianca Lorenz

Problem: Der G-BA hat die Erstattung vor Voclosporin nicht bewilligt. Problem: Der G-BA hat die Erstattung vor Voclosporin nicht bewilligt. © fidaolga – stock.adobe.com

Glomerulonephritiden entstehen oft durch immunologische Prozesse. Ihre Behandlung erfordert daher eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten und die Therapie der zugrunde liegenden systemischen Erkrankung. Auf dem Post-ERA-Meeting in München gab es dazu neue Daten.

Glomerulonephritiden sind eine Gruppe von entzündlichen Erkrankungen der Nierenkörperchen (Glomeruli), die zu akutem und chronischem Nierenversagen führen können. Sie stehen oft in Zusammenhang mit Systemerkrankungen, weil sie durch immunologische Prozesse ausgelöst werden können, die den gesamten Körper betreffen. Auf dem Post-ERA-Meeting in München griff sich Dr. Julia Lichtnekert, Ludwig-Maximilians-Universität München, Campus Innenstadt, Medizinische Klinik und Poliklinik IV - Nephrologisches Zentrum, drei Bereiche aus dem großen Themenkomplex der Glomerulonephritiden heraus: die ANCA-Vaskulitis, die Lupus-Nephritis und die IgA-Nephropathie. 

ANCA-Vaskulitis: Studienlage zu Rituximab 

Die ANCA-Vaskulitis wurde in einer großen epidemiologischen Studie aus Frankreich, auf Datenbasis von mehr als 97,5 % der Bevölkerung (französische Krankenversicherungsdatenbank) untersucht. Beleuchtet wurde die Vor-Rituximab-Ära von 2010 bis 2012 und die Therapie unter Rituximab von 2014 bis 2024. Das Medikament war 2013 für die ANCA-Vaskulitis zugelassen worden. Das Ergebnis: Es gab innerhalb dieser zehn Jahre eine stabile Inzidenz und Prävalenz der Erkrankung. Der Einsatz von Rituximab reduzierte die Anwendung von Azathioprin, nicht aber die Dauer der nebenwirkungsreichen Glukokortikoid-Therapie. (1) 

Und auch die Nebenwirkungen bzw. die Nebenwirkungsrate gab es im Vergleich mit der Vor-Rituximab-Ära keine große Verbesserung. „Die Mortalitätsrate im ersten Jahr ist letztendlich nicht bedingt durch die Krankheit selbst, sonern durch die Infektionsrate mit 48% Infektionsrate und 19% Vaskulitis“ (2), so Dr. Lichtnekert. „Und wir haben das volle Spektrum der Glukokortikoid-Nebenwirkungen.“ 

Neue Leitlinien empfehlen deshalb u.a. Avacopan in allen Therapiesäulen als Alternative zur Glukokortikoid-Therapie mit einer Dosierung von 30 mg zweimal täglich, vor allem bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine Glukokortikoid-Toxizität und einer niedrigen GFR.

Die Phase-III-ADVOCATE-Studie (3) zeigte, dass Avacopan der Gruppe mit PrednisonSchema in Bezug auf Remissionserreichen in Woche 26 nicht unterlegen und in Bezug auf die anhaltende Remission in Woche 52 überlegen war. Auch die Werte des Glukokortikoid-Toxizitätsindex verbesserten sich nach 13 und 26 Wochen (4). Bei der Erhaltungstherapie empfiehlt die KDIGO-Leitlinie weiter Rituximab und Azathioprin.

Können wir den Nierenprotektion bei AAV verbessern? Dr. Lichtnekert stellte dazu eine retrospektive Studie aus Spanien vor, die Patienten mit primärer und sekundärer Glomerulonephritis einschloss. Sie zeigt, dass diese von SGLT2-Inhibitoren profitieren und die Proteinurie bei allen glomulären Erkrankungen zurückgeht. (5) 

Lupus-Nephritis: Kombinationstherapie mit Voclosporin 

Seit 2021 gab es die KDIGO-Empfehlung Patienten mit Klasse III oder IV, +/- V Lupus-Nephritis mit Steroiden plus entweder niedrig dosiertes i.v. Cyclophosphamid oder Mycophenolat-Analoga zu behandeln. In der KDIGO-Leitlinie 2024 ist neu, dass es jetzt gleichwertige (1B) Empfehlungen mit Belimumab in Kombination mit MMF oder Cyclophosphamid oder, wenn die Nierenfunktion nicht stark beeinträchtigt ist, eine Kombinationstherapie mit MMF und einem CNI gibt. Was wann zu bevorzugen ist, dafür empfiehlt die KDIGO-Leitlinie „Practicepoints“ – Expertenkonsensus-Meinungen. Demnach soll Cyclophosphamid weiterhin bei Adhärenzproblemen gegeben werden und Mycophenolat-Analoga bevorzugt vor Cyclophosphamid. Dr. Lichtnekert: „Belimumab wird empfohlen in der Kombination mit Mycophenolat oder Cyclophosphamid vor allem bei Patienten mit einer Schubhäufigkeit und einem hohen Risiko für die Entwicklung einer CKD.“ Bei den CNIs sollte man Voclosporin vor Tacrolimus und Ciclosporin bevorzugen. Voraussetzung ist, dass die Patienten noch eine erhaltene Nierenfunktion haben (GFR > 45ml/ min/1,73m2).

Problem: Der G-BA hat die Erstattung vor Voclosporin nicht bewilligt. Deshalb sei man in Deutschland bei den CNIs auf eine Alternative angewiesen, so Dr. Lichtnekert. Eine Studie zu Tacrolimus aus China zeigt (6), dass hier ein ähnlicher Benefit zu erwarten ist wie bei Voclosporin, wobei die Nierenfunktion im vernachlässigbaren Bereich unter der Therapie leidet. 

Glukokortikoide sollen möglichst gering dosiert werden, wenn sich die Erkrankung stabilisiert hat. In der Erhaltungstherapie liegt die Empfehlung auf Mycophenolat-Analoga oder Azathioprin. 

IgA-Nephropathie: zwei Erkrankungen therapieren 

Neues in Bezug auf die IgA-Nephropathie (IgAN) gibt es von den Anti-BAFF und Anti-APRIL-Therapien zu berichten, die an den B- und Plasmazellen angreifen. „BAFF und APRIL, das sind so was wie Zytokine, die an diesem TACI-Rezeptor wirken und dann zu einer B-Zell-Proliferation und -Migration führen“, so Dr. Lichtnekert. Hier sind bereits mehrere Kombinationsprodukte in der Pipeline wie das Atacicept oder der neuartige monoklonale Anti-APRIL-Antikörper Zigakibart (BION-1301), der sich gerade in der Phase 2 der klinischen Entwicklung befindet. Zigakibart blockiert APRIL, was in einer Reduktion der zirkulierenden Spiegel von Galaktose-defizientem IgA1 resultiert.

Fazit

Es gibt für die anti-entzündliche Therapie das zugelassene Budesonid (Nefecon®). Andere Therapieoptionen wie B-Zell- und Plasmazelldepletion oder -modulation und Komplement-Inhibition sind in der Pipeline.

Für die Behandlung der CKD stehen SGLT2-Inhibitoren zur Verfügung und das seit April in Deutschland zugelassene Sparsentan (Dualer Endothelin- und Angiotensinrezeptor-Antagonist, DEARA). Weitere Produkte wie Endothelinantagonisten (ERA) sind noch in der Pipeline. In den nächsten Jahren gibt es wahrscheinlich sehr viele Möglichkeiten, Patienten noch individueller zu behandeln.

Die Ergebnisse der Dosisfindungsstudie, die Patienten mit IgAN (Proteinurie >0,5 Gramm g/g; eGFR >30mm/min) eingeschlossen haben, zeigen in Bezug auf die beiden Endpunkte, dass sich die Proteinurie verbessert und die GFR stabil bleibt. Das Sicherheitsprofil war akzeptabel, auch vermehrte Infektionen blieben aus. Aktuell läuft eine Phase-III-Studie dazu. 

Aber auch die Komplementaktivierung mit dem neuen Faktor-B-Inhibitoren Iptacopan, der in klinischen Studien getestet wird, zeigt in der Interimsanalyse positive Ergebnisse in Bezug auf eine signifikante Reduktion der Proteinurie. Auch hier war das Sicherheitsprofil akzeptabel. 

Letztlich muss man bei der Therapie IGAN immer zwei Erkrankungen in den Fokus nehmen: die immunologisch bedingte Erkrankung und die sich entwickelnde CKD. „Hier hat sich für die IGA-Nephrophathie entscheidend die Hemmung der Endothelin-1-Aktivierung als interessant herausgestellt“, so Dr. Lichtnekert.

Quellen:
1. Cécile-Audrey Durel et al. BMC Rheumatol. 2024, Apr 28; 8(1) :16 (doi: 10.1186/s41927- 024-00385-8)
2. Oliver Flossmann et al. Ann Rheum Dis. 2011 Mar; 70(3):488-94 (doi: 10.1136/ ard.2010.137778)
3. David RW Jayne et al. Engl. J Med. 2021, Feb 18; 384 (7): 599-609 (doi: 10.1056/NEJ-Moa2023386)
4. Naomi J Patel et al Lanct Rheumatol. 2023 Mar; 5(3):e130-e138 (doi: 10.1016/S2665- 9913(23)00030-9)
5. Fernando Caravaca-Fontán et al. Nephrol Dial Transplant. 2024 Jan 31 ; 39(2) :328-340 (doi: 10.1093/ndt/gfad175)
6. Zhaohui Zheng et al. JAMA Netw Open. 2022 Mar 1; 5(3) :e224492 (doi: 10.1001/jamanet-workopen.2022.4492)

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