Harmlosen Spannungskopfschmerz von bedrohlichen Zuständen abgrenzen

Dr. Anja Braunwarth

Bei Spannungskopfschmerzen klagt kaum jemand, schließlich schlagen Migräne oder Clusterattacken viel härter zu. Bei Spannungskopfschmerzen klagt kaum jemand, schließlich schlagen Migräne oder Clusterattacken viel härter zu. © iStock/RyanKing999

Ein dumpfer Druck im ganzen Schädel, der nach einer Tablette nachlässt: Das wird schon ein Spannungskopfschmerz sein. Meistens trifft das auch zu, aber man sollte wichtige Differenzialdiagnosen nicht vergessen.

Praktisch jeder kennt ihn, hat ihn schon erlebt und so schlimm ist er eigentlich auch nicht. Vor allem nicht, weil neben dem Schmerz keine anderen Symptome auftreten. Bei Spannungskopfschmerzen klagt kaum jemand, schließlich schlagen Migräne oder Clusterattacken viel härter zu, erklärte Privatdozentin Dr. Stefanie­ Förderreuther­, Neurologin am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern. Zudem sprechen solche harmlosen Schmerzen gut auf Analgetika an.

Trotzdem hält die Referentin den Spannungskopfschmerz für eine der schwierigsten Diagnosen, zumal sich viele sekundäre Kopfschmerzformen als solcher manifestieren. Außerdem werden wegen der hohen Prävalenz Differenzialdiagnosen häufig vernachlässigt. In erster Linie gehören die (chronische) Migräne und der medikamentenassoziierte Übergebrauchskopfschmerz dazu.

Drei Kennzeichen des Übergebrauchskopfschmerzes

Eine chronische Migräne liegt vor, wenn Patienten über mindestens 15 Kopfschmerztage pro Monat klagen, von denen mindestens acht Migränetage sind. Übergebrauchskopfschmerzen kennzeichnen drei Merkmale:

  • ≥ 15 Kopfschmerztage pro Monat bei vorbestehenden primären Kopfschmerzen
  • regelmäßiger Übergebrauch eines oder mehrerer Therapeutika gegen (akute) Kopfschmerzen über mehr als drei Monate
  • Schmerz lässt sich nicht durch eine andere Diagnose besser erklären

Die genannten Zeiträume gelten für Paracetamol, NSAR und ASS als Monotherapie. Nach der Einnahme von Triptanen, Ergotaminen, Opioiden und Mischpräparaten reichen schon Minimum zehn Tage im Monat mit Beschwerden über ein Vierteljahr, um die Kriterien eines Übergebrauchskopfschmerzes zu erfüllen. Dr. Förderreuther brachte es plakativ auf den Punkt: „Mehr als neun Tage Schmerzmittel sind zu viel und ein Wechsel zwischen Substanzen ist kein Ausweg.“

Nebenwirkungen von Arzneien kommen ebenfalls als Ursache für Kopfschmerzen infrage, was sich jedoch leicht abfragen lässt. Zu den typischen Auslösern zählen Antihypertensiva, Antibiotika, Ciclosporin oder Interferone.

Aber manchmal steckt hinter den vermeintlichen Spannungskopfschmerzen etwas Schlimmeres. Die Neurologin schilderte den Fall einer 43-jährigen Krankenschwes­ter, die von Kindesbeinen an unter einer Migräne litt. Vor zwei Jahren kamen zunehmende holozephale, drückende Schmerzen dazu, gegen die sie ca. 40 Ibuprofen im Monat schluckte. Aktuell klagte sie über das Sehen von Doppelbildern, in der Untersuchung fiel ein Abduktionsdefizit rechts auf. Dieser Befund in Kombination mit den Doppelbildern und den 40 Tabletten waren Warnsignale für ein ernstes Geschehen, so die Kollegin. Tatsächlich stellte sich im CT ein großes Meningeom dar.

Doch in der Routinebildgebung kommt nicht alles ans Licht, wie das Beispiel einer 34-Jährigen deutlich macht. Die adipöse Frau gab holozephale drückende Kopfschmerzen an, die sich zunehmend verschlimmerten, begleitet von Sehstörungen und einem Tinnitus. Sie verhütete mit einem östrogenhaltigen Kontrazeptivum und rauchte zehn bis zwölf Zigaretten am Tag.

Fakten zur Sinusvenenthrombose

Die Sinusvenenthrombose hat eine jährliche Inzidenz von 3–4/1 000 000, bei Kindern von 7/1 000 000. In 75% der Fälle sind Frauen betroffen. Als Risikofaktoren kennt man die Einnahme von Kontrazeptiva oder Östrogenen, Infektionen, Schwangerschaft, Wochenbett und Koagulopathien. Nur bei 28%der betroffenen Patienten verläuft die Sinusvenenthrombose akut. In 41 % der Fälle liegt eine subakute, in 31 % eine chronische Form vor. Bis zu 90 % der Erkrankten klagen über Kopfschmerzen, die Hälfte hat Symptome einer Hemisphäre, 40 % entwickeln epileptische Anfälle. Sind tiefe Venen beteiligt, können Wesensveränderungen auftreten. Bei 25–40 % der Betroffenen gibt es gar keine neurologischen Auffälligkeiten.

Laut Dr. Förderreuther zeigten in diesem Fall Übergewicht, Raucherstatus, Verhütungsmethode, Sehstörungen und Tinnitus den Ernst der Lage an („red flags“). Allerdings fanden sich im nativen MRT keine Auffälligkeiten. Da die Anamnese jedoch für eine Sinusvenenthrombose sprach (s. Kasten), ging man dieser in weiterführenden Untersuchungen nach und konnte den Verdacht schließlich bestätigen. „Die Sinusvenenthrombose ist das Chamäleon unter den sekundären Kopfschmerzformen und wir müssen schon gezielt danach suchen“, erklärte die Referentin. Vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter muss man zudem an eine idiopathische intrakranielle Druckerhöhung, früher Pseudotumor cerebri genannt, denken. Sie verursacht einen (sub)akuten Kopfschmerz und Sehstörungen, z.B. Doppelbilder. Durch eine Atrophie des Optikus kann es zu bleibenden Skotomen und einem Visusverlust kommen.

Nach der Stauungspapille wird oft nicht gesucht

Sie korrekt zu diagnostizieren, kann ganz schön knifflig sein. Einen erhöhten intrakraniellen Druck sieht man nicht in CT oder MRT, nach einer Stauungspapille wird oft nicht gesucht, bei 5 % der Patienten fehlt sie zudem. Oft lässt sich ein Analgetikaabusus ermitteln und es besteht vielfach eine Komorbidität mit der Migräne – was in die Irre führt. Letztlich klärt am besten ein Neurologe die Erkrankung ab, inklusive Liquormessung.

Die Merkmale des Spannungskopfschmerzes

  • subjektive Schmerzintensität
  • keine Zunahme bei Belastung
  • keine Übelkeit
  • keine Lärm- oder Lichtempfindlichkeit
  • manchmal nur einseitig

Bei älteren Menschen ist noch eine weitere Differenzialdiagnose von Bedeutung: das Subduralhämatom. An ein Trauma können sich die Betroffenen oft nicht erinnern und tatsächlich gibt es spontane Duraverletzungen. „Manchmal entstehen sie auch iatrogen, z.B. durch Quaddelungen beim Orthopäden“, erläuterte die Expertin.

Auch zu niedriger Druck sorgt für Beschwerden

Die primär chronischen Beschwerden werden meist nach dem Aufstehen schlimmer. Manchmal kommen leichte Nackenschmerzen und ein Tinnitus hinzu, wodurch sich die Patienten im Alltag massiv beeinträchtigt fühlen. Eventuelle neurologische Symptome variieren je nach Lage und Ausmaß der Blutung (z.B. Gangunsicherheiten, kognitive Defizite). Übrigens löst in manchen Fällen auch ein zu niedriger Druck Kopfschmerzen aus (Unterdruckkopfschmerz). Ab dem 50. Lebensjahr muss zudem eine Arteriitis temporalis in Betracht gezogen werden. Typisch dafür sind Allgemeinsymptome, Myalgien, Sehstörungen und im Labor erhöhte Entzündungsparameter. Die Behandlung mit Steroiden sollte schon beim Verdacht auf die Entzündung erfolgen. Hinter vermeintlichen Spannungskopfschmerzen verbergen können sich in jedem Alter
  • ein neu aufgetretener täglich anhaltender Kopfschmerz (engl. new daily persistent headache),
  • Somatisierungsstörungen,
  • Depressionen,
  • eine Hypothyreose oder
  • ein posttraumatischer Kopfschmerz.
Daher lautet das Fazit von Dr. Förderreuther: Spannungskopfschmerzen sind meist harmlos, aber Fehldiagnosen passieren dennoch leicht.

Quelle: Online-Kopfschmerztage (Kongress)

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Bei diesem Patienten ist es zu Thrombosen in den Sinus durae matris gekommen. Bei diesem Patienten ist es zu Thrombosen in den Sinus durae matris gekommen. © Science Photo Library – Living Art Enterprises
Bei Spannungskopfschmerzen klagt kaum jemand, schließlich schlagen Migräne oder Clusterattacken viel härter zu. Bei Spannungskopfschmerzen klagt kaum jemand, schließlich schlagen Migräne oder Clusterattacken viel härter zu. © iStock/RyanKing999