Kopfweh ohne Ende

Dr. Melanie Söchtig

Der tägliche Dauerkopfschmerz schlägt typischerweise auf beiden Seiten zu und wird durch Aktivität nicht verstärkt. Der tägliche Dauerkopfschmerz schlägt typischerweise auf beiden Seiten zu und wird durch Aktivität nicht verstärkt. © freshidea – stock.adobe.com

Idiopathische Kopfschmerzen, die wie aus dem Nichts auftreten und bleiben, gelten als eigenständige Entität. Therapeutisch ist dem Geschehen nur sehr schwer beizukommen.

Obwohl seine Prävalenz in etwa so hoch ist wie die des Clusterkopfschmerzes, ist der neu aufgetretene tägliche Kopfschmerz (New Daily Persistent Head­ache, NDPH) kaum bekannt. Oft vergehen viele Jahre, bevor Betroffene eine korrekte Diagnose erhalten. Deshalb kommt es unter diesen Patienten nicht selten zu einem Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemedikamenten, berichtet Prof. Dr. ­Stefan ­Evers vom Krankenhaus Lindenbrunn in Coppenbrügge.

Eine organische Ursache ist nicht zu finden

Charakteristisch für den NDPH ist, dass die Beschwerden plötzlich einsetzen und sich innerhalb eines Tages zum kontinuierlichen Dauerschmerz ohne jede Remission entwickeln. Per definitionem hält dieser Zustand über mehr als drei Monate an. Die Schmerzen sind in der Regel moderat und nicht auf eine organische Ursache zurückzuführen. Patienten können sich meist noch Jahre später eindeutig und klar an das erstmalige Auftreten erinnern. 

Die Diagnose eines neu aufgetretenen täglichen Kopfschmerzes erfordert zudem, dass der Schmerz mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt:

  • beidseitige Lokalisation
  • drückende oder beengende, nicht-pulsierende Qualität
  • leichte bis mittlere Schmerzintensität
  • keine Verstärkung durch körperliche Alltagsaktivitäten (z.B. Gehen, Treppensteigen)

Zudem leiden Patienten oftmals an milder Übelkeit, Photo- oder Phonophobie. Bei mittlerer bis starker Übelkeit oder Erbrechen sollte man allerdings an anderweitige Ursachen denken (s. Kasten).

Wichtige Differenzialdiagnosen

  • ernerniedrigter oder erhöhter Liquordruck (spontanes Liquorleck, idiopathische intrakranielle Hyperten­sion, intrakranielle Massenläsion)
  • Meningitis
  • zerebrale Venenthrombose
  • kranielle Arteriendissektion
  • Arteriitis cranialis
  • posttraumatischer Kopfschmerz (Subarachnoidalblutung, subdurales Hämatom)
  • Sinusitis sphenoidalis

Ein NDPH kann auch zusätzlich zu einer vorbestehenden Kopfschmerzerkrankung (z.B. Migräne, Cephalgie vom Spannungstyp) auftreten. Allerdings kommt die Diagnose nur in Betracht, wenn vermeintlich doppelt Betroffene nicht von einer sich steigernden Kopfschmerzfrequenz vor Einsetzen der NDPH berichten. Auch darf die neu hinzugekommene Symptomatik nicht in Zusammenhang mit einem Medikamentenübergebrauch stehen.

Sind sowohl die Kriterien eines NDPH als auch die von Migräne und/oder Spannungskopfschmerzen erfüllt, lautet die Standarddiagnose NDPH. Sind jedoch auch die Kriterien einer Hemicrania continua erfüllt, ist dies die definitive Diagnose.

Da es bislang keine systematischen Studien zur Therapie des NDPH gibt, können keinerlei evidenzbasierte Empfehlungen gegeben werden. Aus einer Fülle von Einzelberichten geht jedoch hervor, dass ungefähr jeder fünfte Betroffene von einer prophylaktischen Medikation profitiert. 

Die Therapie sollte sich nach dem vorherrschenden klinischen Erscheinungsbild richten. Demnach wird ein migräneartiger NDPH zunächst mit Migränemedikamenten behandelt, während bei einem NDPH mit Merkmalen eines Spannungskopfschmerzes die Wahl auf trizyklische Anti­depressiva fallen sollte.

Therapieversuche mit oraler Medikation scheitern häufig

Das Ansprechen auf sämtliche verfügbare Behandlungsoptionen wird als eher schlecht eingestuft. Am wirksamsten scheinen intravenöse Infusionen mit Lidocain oder Ketamin zu sein. Der Effekt hält jedoch oft nur für kurze Zeit an. Auch Botulinumtoxin A erwies sich in einigen Fällen kurzzeitig als effektiv. Therapieversuche mit oraler Medikation scheitern hingegen sehr häufig.

Die Langzeitprognose des NDPH ist nicht absehbar: In manchen Fällen kommt es innerhalb von Monaten bis wenigen Jahren zu einer spontanen Vollremission. Die Mehrzahl der Patienten scheint jedoch über viele Jahre betroffen zu sein. In einer Fallserie wurde von einer maximalen Erkrankungsdauer über 27 Jahre berichtet. Betroffene sollten unbedingt darüber aufgeklärt werden, dass die Erkrankung sowohl persistierend als auch selbstlimitierend verlaufen kann. Wie Befragungen von Betroffenen ergaben, ist eine gesicherte Diagnose für die Patienten von höchster Bedeutung.

Quelle: Evers S. Nervenheilkunde 2022; 41: 176-182; DOI: 10.1055/a-1740-5720

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