Hypothyreose schützt vor Alterskrankheiten

Dr. Dorothea Ranft

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Patienten mit latenter Hypothyreose haben ein niedrigeres kardiovaskuläres Risiko und seltener Demenz. Welche Hormonwerte sollten Sie anstreben?

Selbstverständlich müssen Patienten mit manifester Hypothyreose auch im höheren Lebensalter behandelt werden – darin sind sich die Schilddrüsengesellschaften in Europa und den USA einig. Allerdings gelten im Senium einige Besonderheiten, betonte Professor Dr. Michael Derwahl, St. Hedwig Kliniken, Berlin. So darf die Behandlung wegen der Gefahr einer T3-Hyperthyreose nur „mono“ mit Levothyroxin (LT4) erfolgen. Zudem sollte man bei über 65-Jährigen mit niedrigen Hormondosen beginnen und diese langsam steigern.

Doch ab wann muss eine subklinische Hypothyreose im Alter überhaupt behandelt werden? Die Europäische Schilddrüsengesellschaft (ETA) rät, bei über 70-Jährigen mit einem Serum-TSH < 10 mU/l von einer Therapie ab, halbjährliche Kontrollen genügen. Behandelt werden soll erst ab einem TSH von 10 mU/l, falls der Patient Symptome einer Hypothyreose aufweist und/oder ein hohes vaskuläres Risiko trägt.

Hypothyreose senkt im Alter kardiale Mortalität

Als wichtiges Argument für eine frühzeitige Therapie auch der latenten Hypothyreose wurde bisher der günstige Einfluss auf die kardiale Mortalität angeführt. Doch eine große Metaanalyse ergab, dass die subklinische Unterfunktion das kardiovaskuläre Risiko nur bei jüngeren Patienten erhöht, nicht aber bei älteren. Ab 85 Jahren mindert die versteckte Drüsenschwäche sogar die Herzgefahr.

Nur die latente Überfunktion der Schilddrüse erwies sich in Alterskollektiven als Risikofaktor für Vorhofflimmern, KHK und Herzinsuffizienz, nicht aber die subklinische Unterfunktion. Was die kardiovaskuläre Mortalität betrifft, überleben Patienten mit einem TSH > 5,0 mU/l am längsten. Bei Männern sollte man schon hochnormale T4-Werte meiden, so Prof. Derwahl, denn sie steigern nachweislich das Risiko für Vorhofflimmern.

Bereits hochnormale Werte führen zu Vorhofflimmern

Auch der Einsatz von Schilddrüsenhormonen als Demenzprophylaxe dürfte passé sein. In einer Metaanalyse hatte die Therapie der latenten Hypothyreose jenseits der 65 keinen Einfluss auf kognitive Leistung und Depressivität, im hohen Alter schien die Hormongabe sogar schädlich zu sein. In einer australischen Studie mit mehr als 3000 euthyreoten Männern stieg die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu entwickeln, mit der Höhe des freien T4.

Ein weiteres Argument gegen die Behandlung einer latenten Hypothyreose: Hohes TSH und niedriges freies T4 sind offenbar mit einem langen Leben assoziiert, so das Resultat einer holländischen Zwillingsanalyse (medianes Alter 93 Jahre). Auch die Leiden-85-plus-Studie ermittelte die höchste Lebenserwartung bei Senioren mit latenter oder leichter Hypothyreose.

Demenzrisiko korreliert mit freiem T4

Doch wie kann man sich den segensreichen Effekt der versteckten Drüsenschwäche erklären? Prof. Derwahl nannte folgende Hypothese: Die geringe SD-Hormonmenge vermindert den kardialen Sauerstoffbedarf und -verbrauch und damit auch das kardiovaskuläre Risiko im hohen Alter. Außerdem wirkt sich der niedrigere Hormonspiegel günstig auf den katabolen Stoffwechsel im Alter aus und schützt so vor Gewichtsverlust und Gebrechlichkeit. Die in Gehtests nachweisbare größere Mobilität von Patienten mit latenter Hypothyreose wirkt zudem als antidementiver Stimulus.

Noch kein Konsens herrscht beim TSH-Zielwert: Die europäische Fachgesellschaft ETA propagiert für 70- bis 75-Jährige ein TSH von 1 bis 5 mU/l. Prof. Derwahl hält die Empfehlung der US-Fachgesellschaft von 4 bis 6 mIU/l für 70- bis 80-Jährige für realistischer. Eine Umfrage unter 880 Schilddrüsenexperten ergab, dass die meis­ten ihre betagten Patienten zwischen 3 und 3,9 mIU/l einstellen. Unklar ist derzeit noch, inwieweit man bei langjährig mit einem TSH von 1 mIU/l geführten Patienten im Alter die Levothyroxindosis reduziert, erklärte Prof. Derwahl. Auf jeden Fall bleibt die Einstellung auf höhere Zielwerte eine Einzelfallentscheidung.

Quelle: 22. Henning-Symposium „Schilddrüse 2015“, Heidelberg, Oktober 2015

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