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Thyroxingabe bei moderater subklinischer Hypothyreose meist sinnlos

Eine ältere Dame kommt nur zum Routine-Check-up in Ihre Sprechstunde. Sie fühle sich gut, nur ein bisschen müde sei sie. Bei der körperlichen Untersuchung fällt nichts auf, zur Sicherheit nehmen Sie aber noch mal Blut ab. Als die Ergebnisse zurückkommen, sind Sie reichlich verdattert: Die Konzentration des Thyreoidea stimulierenden Hormons (TSH) liegt mit 16 mIU/l deutlich über der Grenze, alle anderen Werte einschließlich T4 sind unauffällig. Da wäre doch jetzt ein Rezept für Thyroxin angesagt, oder?
Eher nicht, finden Dr. Geertruida E. Bekkering, Department of Public Health and Primary Care der Katholieke Universiteit Leuven, und eine internationale Expertengruppe aus Allgemeinmedizin und Innerer Medizin sowie Patientenvertretern. Das Team hat die Ergebnisse eines systematischen Reviews zusammengetragen, mit Daten von fast 2200 Patienten aus 21 Studien. Die Teilnehmer hatten wegen einer subklinischen Hypothyreose (s. Kasten) entweder ein Thyroxinpräparat oder Placebo erhalten.
Symptome sind TSH-unabhängig
- Etwa ein Drittel der Patienten mit subklinischer Hypothyreose gibt keinerlei Symptome an. Dagegen klagen 20–25 % über eher unspezifische Beschwerden wie Angst und Depression, Muskelschwäche und schlechtes Gedächtnis. Es können aber auch Zeichen wie bei einer manifesten Hypothyreose auftreten: Muskelkrämpfe, Kälteintoleranz oder Obstipation. Dabei scheinen Symptome und deren Schwere nicht mit der Höhe der TSH-Werte zusammenzuhängen.
- Pro Jahr geht bei 2–5 % der Betroffenen die subklinische in eine tatsächliche Hypothyreose über. Wenn Antikörper gegen die Schilddrüsenperoxidase nachweisbar sind und/oder die TSH-Konzentration stark erhöht ist, steigt dieses Risiko.
Thyroxin-Therapie erzielte keinerlei positive Effekte
Die Ergebnisse waren ernüchternd: Das Verum hatte weder die allgemeine Lebensqualität noch schilddrüsenbedingte Symptome inklusive Depression und Fatigue oder den BMI positiv beeinflusst. In der größten Einzelstudie unter den ausgewerteten, mit 700 Patienten ab dem 65. Lebensjahr, wurden zudem keine positiven Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit und die Mortalität gefunden. Eher könnten unter Thyroxingabe tendenziell mehr Betroffene sterben. Allerdings war die Nachbeobachtungszeit auf zwei Jahre beschränkt, sodass das Gremium die Belege für diese Aussage als eingeschränkt betrachtet. Wie hilft Ihnen das nun in der Praxis weiter? Im Rahmen der Rapid Recommendations des British Medical Journal sprechen sich die Experten bei Patienten ohne oder mit allenfalls mäßiggradigen Beschwerden klar gegen die routinemäßige Substitution mit Thyroxin alleine aufgrund eines erhöhten TSH-Werts aus. Dies gilt nur eingeschränkt bei- Patienten mit ausgeprägten Symptomen und
- jüngeren Patienten bis zum 30. Lebensjahr.
- Frauen, die eine Schwangerschaft planen sowie
- Patienten mit TSH-Werten > 20 mIU/l.
Einnahme kann depressive Symptome weiter verstärken
Demgegenüber sieht die Arbeitsgruppe durchaus Nachteile durch eine unnötige Substitution:- Während einer Therapie mit Thyroxin, die ja meist eine Langzeitmaßnahme darstellt, müssen Patienten regelmäßig die Schilddrüsenwerte kontrollieren lassen,
- sie sind möglicherweise beunruhigt, dass ernsthaft „etwas nicht stimmt“, schließlich müssen sie jeden Tag eine Tablette zusätzlich einnehmen (was eventuelle depressive Symptome auch nicht bessert) und
- sie müssen darauf achten, dass sie die Tabletten nicht zusammen mit kalzium- und eisenhaltigen Lebensmitteln einnehmen, da diese Substanzen die Aufnahme von T4 in den Kreislauf vermindern (cave: Abstand von mind. 4 h).
Quelle: Bekkering GE et al. BMJ 2019; 365: I2006
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