Alte Schilddrüse macht Ärger

Dr. Elke Ruchalla

Auch im Alter kann es zu Schilddrüsenfunktionsstörungen kommen. (Agenturfoto) Auch im Alter kann es zu Schilddrüsenfunktionsstörungen kommen. (Agenturfoto) © Peakstock – stock.adobe.com

Die Schilddrüse ist nicht unbedingt das Organ, das einem bei Altersveränderungen als Erstes in den Sinn kommt. Dennoch be­reitet sie vielen Senioren Probleme. Diese kann man in den Griff bekommen, wenn man weiß, worauf man achten muss.

Im Alter kann die Schilddrüse noch einmal so richtig einen drauf machen oder aber eher die Ohren anlegen. Sprich: Es kommt zu einer primären latenten bzw. manifesten Hyper- oder Hypothyreose, schreibt Privatdozent Dr. Alexander Iwen vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Im Alter, das bedeutet bei Patienten 65 Jahre oder älter.

Allerdings braucht man nicht bei jedem pathologischen Wert gleich zum Rezeptblock zu greifen. Handelt es sich beispielsweise um geringe fT3/4-Erhöhungen und fehlen klinische Symptome (Beispiele siehe Kasten) kann es vorerst reichen, nach einigen Wochen oder Monaten die Konzentrationen zu kontrollieren. Denn auch BMI und Tag-Nacht-Rhythmus beeinflussen die TSH-Werte. Zudem liegen die jeweiligen Normbereiche für fT3 und TSH im Alter ohnehin niedriger bzw. höher.

Schlecht für Herz und Hirn

Vor allem die Klinik einer manifesten Hyperthyreose kann im Alter uneindeutig ausfallen. Im Vergleich zu jüngeren Patienten kommt es häufiger zu:
  • Vorhofflimmern
  • kardiovaskulären Ereignissen
  • ungewolltem Gewichtsverlust
  • neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten
  • kognitiven Einschränkungen
Nicht vergessen sollte man allerdings auch die endokrinen Auswirkungen von Medikamenten (Carbamazepin, Amiodaron, Heparin).

Was zusätzliche Laborkontrollen angeht, empfiehlt der Experte den Check auf TSH-Rezeptor-Auto­antikörper, um einen Morbus Basedow bei manifester Hyperthyreose auszuschließen. Gleiches gilt für die Thyreoidea-Peroxidase(TPO)-Autoantikörper bei Verdacht auf Hashimoto-Thyreoiditis als Ursache einer Hypothyreose.

Propylthiouracil als Alternative zu Thiamazol

Lokalen Knoten als Ursache einer autonomen Überfunktion oder den typischen Parenchymveränderungen bei einer Hashimoto-Erkrankung bzw. einer Autoimmunthyreoiditis kann man auch per Ultraschall auf die Spur kommen. Als letzter Schritt der funktionellen Diagnostik besteht bei der Hyperthyreose zudem die Option Szintigraphie. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese nicht direkt auf eine Jodgabe z.B. im Rahmen einer Kontrastmitteluntersuchung folgen sollte. Zur Therapie der manifesten Hyperthyreose (Unterscheidung siehe Tabelle) dienen in erster Linie Thyreostatika (Thiamazol/Carbimazol oder Propylthiouracil). Entwickelt der Patient unter Thiamazol schwere Nebenwirkungen wie Agranulozytose oder Leberfunktionsstörungen, wäre Propylthiouracil eine Alternative. Ein Wechsel auf Carbimazol, einer Vorstufe von Thiamazol, macht dagegen wenig Sinn. Achtung: Propylthiouracil benötigt etwa eine 20-fach höhere Dosis als Thiamazol – statt also 5 mg Thiamazol einmal täglich 50 mg Propylthiouracil zweimal täglich.
Einordnung von Schilddrüsen-Dysfunktionen
KlassifikationLaborbefunde
Hyperthyreose
latentfreies T3 und/oder T4 im Normbereich, TSH erniedrigt
manifestfT3/fT4 erhöht, TSH unterdrückt und nicht mehr nachweisbar
Hypothyreose
latentfT3/fT4 im Normbereich, TSH grenzwertig erhöht
manifestfT3-/ft4-Werte (zu) niedrig, TSH erhöht
Aufgrund des hyperthyreotisch erhöhten Sympathikotonus sollte eine Therapie mit einem Betablocker dazu kommen, empfiehlt der Experte. Weitere Behandlungsoptionen umfassen eine Radiojodtherapie (etwa bei autonomen Adenomen oder Morbus Basedow) sowie eine (Hemi-)Thyreoidektomie. Die Therapie der latenten Hyperthyreose richtet sich nach der Ursache – und die liegt bei Älteren am häufigen in einer zu hohen Thyroxindosis begründet. In diesem Fall hilft die einfache Reduktion. Ansons­ten muss die Erkrankung wie bei der manifesten Störung abgeklärt und behandelt werden, z.B. wenn die Laborwerte zu zwei verschiedenen Zeitpunkten dafür sprechen oder wenn der TSH-Wert weniger als 0,1 mU/l beträgt. Bei TSH-Konzentrationen über diesem Wert diskutieren die Fachleute noch – eine Behandlung könnte das Risiko für ein Vorhofflimmern reduzieren. Ziel ist immer ein altersentsprechend normaler TSH-Spiegel. Bei manifester Hypothyreose ist L-Thyroxin Mittel der Wahl. Es senkt Komplikationsraten und Sterblichkeit. Bei latenter Hypothyreose dagegen findet seit einigen Jahren ein Umdenken statt: Da der TSH-Normbereich mit dem Alter steigt, sehen Wissenschaftler bei Oldies Werte von 7–10 mU/l, die bei jüngeren Patienten schon eine Behandlungsindikation darstellen würden, noch als akzeptabel an, vor allem bei fehlenden Beschwerden. Die Lebensqualität jedenfalls steigt unter einer L-Thyroxin-Therapie nicht, die Studienlage zum Effekt auf Mortalität und Morbidität ist mau.

Thyroxinbehandlung mit 25 µg/d beginnen

Steigt das TSH über 10 mU/l, muss auch bei Älteren mit latenter Hypothyreose Thyroxin zum Einsatz kommen – vor allem bei höherem kardiovaskulärem Risiko. Generell dosiert man es vorsichtiger, beginnend mit 25 µg/d. Darunter kontrolliert man die Schilddrüsenwerte alle vier bis acht Wochen und steigert ggf. die Dosis. Ziel ist wiederum ein für die Altersgruppe normaler TSH-Bereich, eine Überdosierung ist dabei ebenso schädlich wie eine Unterdosierung. Auch wenn bisher ein festgelegter Zielbereich fehlt, rät der Experte TSH-Werte bis 7,0 mU/l anzustreben.

Quelle: Iwen A „Schilddrüsenfunktionsstörungen im Alter“, Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 1298-1308; DOI: 10.1055/a-1239-3066 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York

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