Immuntherapie: Auf diese Nebenwirkungen sollten Sie achten!

Birgit-Kristin Pohlmann

Fast jeder Patient entwickelt unter Checkpoint-Inhibition autoimmunvermittelte Nebenwirkungen. Bei bis zu 59 % können sie schwer oder lebens­bedrohlich sein. Fast jeder Patient entwickelt unter Checkpoint-Inhibition autoimmunvermittelte Nebenwirkungen. Bei bis zu 59 % können sie schwer oder lebens­bedrohlich sein. © Stockfotos-MG – stock.adobe.com

Gewöhnlich lassen sich immunvermittelte Nebenwirkungen durch einen Checkpoint-Inhibitor gut managen, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Zwei Experten erklären, was man bei gastrointestinalen und pneumonalen Toxizitäten beachten sollte und warum von kardialen unerwünschten Ereignissen die therapieinduzierte Myokarditis von besonderer Bedeutung ist.

Unabhängig davon, ob die Beschwerden unter der Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren (CPI) neu auftreten oder sich verschlimmern, sollten Patienten frühzeitig den behandelnden Arzt konsultieren. Deshalb sei es wichtig, Patienten und Angehörige gut aufzuklären, betonte Professor Dr. Dr. rer. nat. Andreas­ Teufel­, Molekulare Hepatologie, Universitätsklinikum Mannheim. Die Symptomatik sei oft unspezifisch und könne alle Organe betreffen.  

Gastrointestinale Toxizitäten

Höhergradige immunvermittelte Toxizitäten betreffen laut dem Kollegen häufig den GI-Trakt. Die Bandbreite der immunvermittelten unerwünschten Ereignisse umfasst neben Ulzerationen, entzündlichen Komplikationen oder Darmschwellungen auch unauffällige, oberflächliche Veränderungen. Eine auf den ersten Blick normale Endoskopie bedeutet daher nicht, dass keine Kolitis vorliegt, betonte Prof. Teufel.­ Um eine mikroskopische Kolitis nicht zu übersehen, empfiehlt er zusätzlich eine Biopsie. Wichtig ist zudem, therapiebedingte Nebenwirkungen von infektionsbedingtem Geschehen abzugrenzen.

Eine wässrige, nicht-blutige Diarrhö ist laut Prof. Teufel das häufigste Symptom einer CPI-induzierten (Entero-)Kolitis. Eine isolierte Kolitis tritt dabei häufiger auf als eine Enteritis. In Abgrenzung zur chronisch-entzündlichen Darm­erkrankung fällt auf, dass es deutlich seltener zu Strikturen, Fisteln und Blutungen kommt. Vergleichsweise selten entsteht unter Checkpoint-Inhibition eine immunvermittelte isolierte, symptomatische Gastritis.

Das Vorgehen hängt vom Schweregrad ab, erklärte der Experte. Bei CTC* Grad 1, also mildem Verlauf mit geringer Frequenz (< 4 Stühle pro Tag), oder asymptomatischer Kolitis führt er die Behandlung unter engmaschiger Kontrolle fort. Eine mikroskopische Kolitis lässt sich mit Budesonid effektiv behandeln. Nimmt die Symptomatik (CTC Grad 2–3) zu, inklusive höherer Diarrhö-Frequenz, abdominalen Schmerzen, starken Bauchschmerzen und/oder peritonealer Reizung, muss die Immuntherapie pausiert und ggf. symptomatisch oder mit Steroiden behandelt werden. Helfen Letztere nicht ausreichend, besteht eine Indikation für Infliximab (5 mg/kgKG). Falls eine ausgeprägte Kolitis und Perforationsgefahr vorliegt, muss man die Therapie stoppen. „Die gute Nachricht ist,“ so Prof. Teufel,­ „dass Patienten mit erheblichen immunvermittelten GI-Toxizitäten anscheinend besser auf die CPI-Therapie ansprechen“. Wenn sich die induzierten Toxizitäten kontrollieren lassen, heißt es daher: Immuntherapie fortsetzen.  

Hepatologische Toxizitäten

Hepatologische Nebenwirkungen treten unter Checkpoint-Inhibition regelhaft auf. Der Referent rät deshalb, vor jeder Infusion und/oder wöchentlich die Leberwerte kontrollieren zu lassen. Als typisch für die induzierte Hepatitis gilt eine lymphatische Hepatitis, sie kann aber auch granulomatös erscheinen. Eine engmaschige Kontrolle genügt bei gering erhöhten Leberwerten (ASAT/ALAT < 3 ULN, Bilirubin > 1,5 ULN). Steigen die Transaminasen ab CTC Grad 2 weiter an, müssen andere Ursachen für die erhöhten Leberwerte ausgeschlossen werden. Bestätigt sich eine CPI-induzierte hepatologische Toxizität, muss man die Blocker pausieren und bei anhaltender Symptomatik mit Steroiden behandeln (CTC Grad  2). Wenn dies nicht gelingt, sollte die Behandlung beendet werden.

Pneumologische Toxizitäten

Die Inzidenz einer immunvermittelten Pneumonitis variiert je nach Tumorerkrankung zwischen 3–6 %, erklärte Prof. Teufel. Etwa ein Drittel der Patienten weist initial keine Symptome auf. Die diagnostische Abklärung erfolgt mit Röntgen- oder CT-Thorax sowie mit pulsoxymetrischer Überwachung. Wichtig ist, eine virale oder bakterielle Pneumonitis auszuschließen. Bei CTC Grad 1 mit nur geringen Veränderungen rät der Experte, die Therapie zu pausieren und nach Besserung fortzusetzen. Ab Schweregrad 2 kommt zusätzlich Prednison zum Einsatz und ggf. eine empirische Antibiose sowie eine Bronchoskopie mit bronchoalveolarer Lavage. Tritt nach 48–72 Stunden keine klinische Besserung ein, ergänzen Infliximab oder Myco­phenolatmofetil die Therapie.

Kardiologische Toxizitäten

Das Risiko einer Myokarditis nach bzw. unter CPI-Behandlung wurde bereits 2016 beschrieben, berichtete Professor Dr. Christian M. Matter­, Abteilung Kardiologie und Translationale Forschung am Universitätshospital Zürich. Im klinischen Alltag wissen viele darum nicht, da sie „zum Glück“ seltener vorkommt. „Aber sie ist viel gefährlicher als viele andere CPI-induzierte Toxizitäten“, warnte der Arzt. Deshalb dürfe man sie nicht übersehen. Neben der Myokarditis können weitere kardiale Nebenwirkungen auftreten, wie eine Perikarditis oder eine Vasculitis.

Das Herz genießt durch PD1 einen besonderen Schutz, erklärte Prof. Matter. Im Mausmodell entwickelten Knockout-Mäuse deutlich häufiger eine Myokarditis als Tiere mit intaktem PD1-Molekül. Retrospektive Analysen klinischer Daten ergaben außerdem, dass eine Myokarditis unter einem Checkpoint-Inhibitor relativ frühzeitig nach Therapiebeginn auftritt und häufig einen „malignen Verlauf“ nimmt. Positiverweise sprechen Betroffene gut auf eine höher dosierte Steroidgabe an. Wichtig sei daher, kardiale Toxizitäten frühzeitig zu erkennen, sagte Prof. Matter.

Dafür greift er auf das EKG und die kardiale Troponinmessung zurück. Als weniger zuverlässig erachtet der Arzt hingegen einen Abfall der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF ≥ 50 %), der laut ihm nur bei gut der Hälfte der Patienten vorkommt, sowie die NT-ProBNP-Messung als Marker für eine akute Herzinsuffizienz.

Das Risiko für eine kardiale Nebenwirkung fällt unter dualer Immuncheckpoint-Inhibition deutlich höher aus. Während die Inzidenz unter der Monotherapie mit < 1 % sehr niedrig liegt, steigt sie unter einer dualen Checkpoint-Inhibition oder einer Kombination mit anderen kardiotoxischen Substanzen wie Anthrazyklinen oder VEGF-Tyrosinkinase-Inhibitoren auf das 4- bis 5-Fache.

Auch eine mediastinale Strahlentherapie, die möglicherweise schon Jahre zurückliegt, lässt das kardiale Risiko ansteigen. Unabhängig davon besteht grundsätzlich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bei Patienten mit Vorschädigungen am Herzen sowie jenen mit einer Autoimmunerkrankung. Auch tumorbedingte Faktoren könnten das kardiale Risiko in die Höhe schnellen lassen, wenn zum Beispiel die Zellen im Herzen ähnliche Antigene exprimieren wie die Tumorzellen. Die durch die Immuntherapie aktivierten T-Zellen richteten sich dann auch gegen das Herz.

Bereits bei ersten Anzeichen einer kardialen Toxizität muss man reagieren, betonte Prof. Matter. Bei einem asymptomatischen Verlauf mit nur leichten EKG-Veränderungen und/oder Troponin­ämie reicht es aus, die Behandlung zu pausieren und den Patienten alle zwei Wochen kardial zu überwachen. Zusätzliche Steroide (2 mg/kgKG/d oder 1 g/d i.v.) sind im Falle einer CPI-induzierten Herzinsuffizienz indiziert, ggf. plus eine gezielte Kardio­protektion (HFrEF**-Therapie). Krebskranke mit kardiogenem Schock – Rhythmus­störungen, HFrEF – benötigen eine intravenöse Steroid-Medikation (1 g/Tag i.v.) plus Kardioprotektion und gehören auf die Intensivstation.

Entscheidend, so Prof. Matter, ist das therapeutische Trias aus Therapiestopp, antiinflammatorischer Behandlung und Kardioprotektion mit ACE-Hemmern, Betablockern und Diuretika. Bei instabilen Patienten müsse zudem an eine Herztransplantation gedacht und ggf. entsprechende Vorbereitungen getroffen werden.

Angesichts der potenziell schweren kardialen Komplikationen empfiehlt Prof. Matter, frühzeitig einen Kardiologen zu konsultieren. Vor der Gabe eines Checkpoint-Inhibitors sei es zudem wichtig, die Vorgeschichte des Patienten zu kennen und zu wissen, ob kardiale Schäden bestehen und welche onkologischen Therapien der Erkrankte bislang erhalten hat.

* Common Toxicity Criteria
** Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion

Quellen:
Teufel A et al. DGHO Jahrestagung 2020 virtuell; Abstract V-243

Matter CM et al. DGHO Jahrestagung 2020 virtuell

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Fast jeder Patient entwickelt unter Checkpoint-Inhibition autoimmunvermittelte Nebenwirkungen. Bei bis zu 59 % können sie schwer oder lebens­bedrohlich sein. Fast jeder Patient entwickelt unter Checkpoint-Inhibition autoimmunvermittelte Nebenwirkungen. Bei bis zu 59 % können sie schwer oder lebens­bedrohlich sein. © Stockfotos-MG – stock.adobe.com