In 7 Schritten zur N-ERD: NSAR als Trigger von Asthma und Nasenpolypen enttarnen

Dr. Elke Ruchalla

Rezidivierende Nasenpolypen wecken den N-ERD-Verdacht. Rezidivierende Nasenpolypen wecken den N-ERD-Verdacht. © iStock/wildpixel

Der Pneumologe kommt ins Grübeln, weil seine Asthmatherapie nicht greift, der HNO-Arzt zweifelt an seiner Kompetenz, weil die nasale Polyposis seines Patienten trotz OP immer wieder aufblüht. Möglicherweise behandeln beide den gleichen Fall von N-ERD.

Ein schrecklicher Name: NSAR-exazerbierte respiratorische Erkrankung. Die Kurzform N-ERD kommt da schon leichter von den Lippen. Sie steht für eine chronische eosinophile Inflammation der Atemwege, die bei Patienten mit Asthma bronchiale und/oder chronischer Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis vorkommt und deren Symptome sich bei Exposition gegenüber NSAR und ASS akut verschlechtern.

Symptome in den ersten drei Stunden nach Exposition

Charakteristisch für das Krankheitsbild ist, dass es 30–180 Minuten nach NSAR- bzw. ASS-Exposition zu verstopfter Nase, Rhinorrhö, Giemen, Husten und Kurzatmigkeit kommt. Bei Patienten mit instabilem Asthma kann die Symptomatik sehr viel schneller einsetzen und zu schweren lebensbedrohlichen Bronchospasmen führen. Einige Patienten entwickeln Flush, Urtikaria und/oder gastrointestinale Symptome.

Zur Diagnostik und Therapie von N-ERD hat eine internationale Expertengruppe der EAACI* ein Positionspapier erarbeitet. U.a. haben die Wissenschaftler um Professor Dr. Marek L. Kowalski von der Abteilung für Immunologie und Allergologie der Universität Lodz einen diagnostischen Algorithmus in sieben Schritten erstellt.

1. Berichtet ein Patient über respiratorische Probleme nach Einnahme eines Schmerzmittels, sollte man ihn konkret nach Rhinorrhö, verstopfter Nase und Dyspnoe fragen.

2. Sprechen die anamnestischen Angaben für eine N-ERD? Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn es zu mehr als einer Episode und Reaktionen auf mindestens zwei verschiedene NSAR gekommen ist. Die letzte Attacke sollte innerhalb der letzten fünf Jahre stattgefunden haben.

3. Leidet der Patient unter einer chronischen Rhinosinusitis mit oder ohne nasale Polypen und/oder unter Asthma? N-ERD-Kranke weisen sehr häufig eine nasale Polyposis auf, klagen über Riechverlust, leiden oft unter moderatem bis schwerem Asthma, haben eine Blut­eosinophilie und vertragen Alkohol oft nur schlecht.

Fallen die Antworten in Schritt 2 und 3 positiv aus, gilt die N-ERD als sehr wahrscheinlich. Ergibt sich in mindestens einem der drei genannten Schritte eine negative oder unklare Antwort, folgen die Schritte 4 bis 6.

4. Bei unklarer respiratorischer Anamnese auch nach gastrointestinalen oder dermalen Reaktionen fragen und mögliche andere Trigger dafür „abklopfen“.

5. Ausschluss bzw. Nachweis einer Polyposis nasi (HNO-Arzt, Sinus-Röntgen) und eines Asthma bronchiale (Spirometrie).

6. Nasale, inhalative oder orale Provokation mit ASS. Fällt sie positiv aus, gilt die N-ERD als gesichert. Es empfiehlt sich, den Patienten für den Test in ein spezialisiertes Zentrum zu überweisen, da bei der Untersuchung teilweise schwerwiegende pulmonale Symptome auftreten können.

7. Bleibt der Provokationstest negativ, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die N-ERD ausgeschlossen werden. Bei Patienten, die unter einem Leukotrienantagonisten stehen oder mit monoklonalen Antikörpern behandelt werden, fällt der Test mitunter falsch negativ aus. Er sollte daher nach Absetzen der Medikation ggf. wiederholt werden.

Steht die Diagnose, muss man den Betroffenen ausführlich über seine Analgetika-Überempfindlichkeit aufklären. Zwar weiß er, dass er bestimmte NSAID nicht verträgt – er sollte aber auch erfahren, dass ihm auch verwandte Medikamente potenziell gefährlich werden können, auch die rezeptfreien (s. Kasten).

Schmerzmittel bei N-ERD

Riskante Medikamente sind vor allem starke Cyclooxygenase-1-Inhibitoren wie ASS, Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac. Paracetamol dagegen, als schwacher Cox-1-Hemmer, wird in Dosen unter 1000 mg oft vertragen, und „Coxibe“ (Cox-2-Hemmer) wie Celecoxib, Etoricoxib und Parecoxib gelten als unproblematisch. Nimmt der Patient eine solche Alternative allerdings erstmals ein, sollte er das in der Praxis tun und danach einige Stunden überwacht werden.

Auf alle Fälle sollte man Informationen über die N-ERD und die Medikamentenintoleranz in einem Notfallausweis dokumentieren und dem Patienten mitgeben. Und sagen Sie ihm, dass der Ausweis nicht zu Hause in die Schublade mit den wichtigen Papieren gehört, sondern in seine Brieftasche oder ins Portemonnaie. Der Nutzen bestimmter Ernährungsformen (z.B. salicylatarmer Diä­ten) ist nicht gesichert, auf Alkohol sollte der Betroffene aber möglichst verzichten. Leidet ein N-ERD-Patient unter Asthma, gelten zunächst die üblichen Prinzipien, mit inhalativen Kortikosteroiden und lang wirksamen Beta-2-Agonisten. Einige Erkrankte sprechen aber darauf nicht an; in diesem Fall kann zusätzlich ein Leukotrien-Rezeptor-Antagonist sinnvoll sein. Omalizumab hat sich als Anti-IgE-Antikörper in Fallserien bei schwerem N-ERD-Asthma als wirksam erwiesen. Eine chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) wird unabhängig von der N-ERD-Pathologie mit nasalen Kortikosteroiden, ggf. auch systemischen Steroiden, Montelukast oder Omalizumab behandelt. Bei eosinophiler CRSwNP bewähren sich auch Mepolizumab und Dupilumab. Hilfreich sind auch tägliche Nasenspülungen mit Kochsalzlösung, schreiben die Autoren. Patienten mit weiterhin schweren bzw. unkontrollierten Symptomen sollte man zum operativen Eingriff raten. Infrage kommen die Polyp­ektomie, die funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlen-OP und/oder die Ethmoidektomie.

Erneute Polypen-OPs durch ASS-Prophylaxe verhindern

Ist quasi als Verlängerung des Provokationstests eine adaptive Deaktivierung mit ASS erfolgt, kann man das Medikament in einer oralen Erhaltungsdosis von 300–1300 mg pro Tag weiter geben. Rezidive einer CRSwNS und erneute Operationen werden dadurch seltener. Bei manchen Patienten bessert sich die Asthmakontrolle. Zur dauerhaften ASS-Gabe gehört ein „Magenschutz“, z.B. mit Protonenpumpen-Inhibitoren, erinnern die Experten. Und nicht zu vergessen: die Eradikation von Helicobacter, sofern er nachgewiesen ist. 

* European Academy of Allergy and Clinical Immunology

Quelle: Kowalski ML et al. Allergy 2019; 74: 28-39

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Rezidivierende Nasenpolypen wecken den N-ERD-Verdacht. Rezidivierende Nasenpolypen wecken den N-ERD-Verdacht. © iStock/wildpixel