Ist TAVI reif für Niedrigrisikopatienten?

Manuela Arand

TAVI-Patienten sind initial schlechter dran als die offen Operierten. TAVI-Patienten sind initial schlechter dran als die offen Operierten. © iStock.com/HYWARDS

Der Transkatheter-Aortenklappenersatz macht sich bereit, auch Patientengruppen mit niederigem Risiko zu erobern. Die Klappenchirurgie verliert dadurch an Stellenwert.

Zum Stellenwert von TAVI liefert das German Aortic Valve Registry (GARY) wichtige Erkenntnisse. Allein aus den Jahren 2014 und 2015 überblickt es Daten von über 45 000 Patienten aus 80 Zentren in Deutschland, berichtete Professor Dr. Hüseyin Ince, Chef der Kardiologie am Berliner Vivantes Klinikum im Friedrichshain. Aktuell wurden mehr als 20 000 Niedrigrisikopatienten, d.h. solche mit einem STS**-Score unter 3, analysiert. Von diesen sind rund 14 000 operativ und fast 6000 per TAVI versorgt worden.

Niedrigrisikopatient ist nicht der junge Patient“, betonte der Kollege. Chirurgisch Behandelte waren laut der GARY-Analyse im Schnitt 67 Jahre alt, TAVI-Patienten fast zwölf Jahre älter.

Auch sonst gab es zwischen den beiden Gruppen signifikante Unterschiede: TAVI-Patienten hatten eine schlechtere Nierenfunktion, mehr Infarkte in der Anamnese, mehr implantierte Devices und mehr neurologische und pulmonale Begleiterkrankungen. „Wenn wir hier Low-risk-Patienten miteinander vergleichen, vergleichen wir Äpfel mit Birnen“, meinte Prof. Ince. „Diese Patienten haben alle einen STS-Score unter 3, aber die chirurgischen Patienten sind wesentlich gesünder.“

Dennoch: Die Überlebensraten fielen in beiden Gruppen gleichermaßen gut aus. Nach einem Jahr waren noch über 90 % der Patienten am Leben, in der TAVI-Gruppe trotz schlechterer Ausgangslage sogar etwas mehr als in der operierten Gruppe.

GARY überblickt jetzt bis zu fünf Jahre

Die prospektive Studie Low Risk TAVR (LRT) schloss ausschließlich Niedrigrisikopatienten ein, 200 an der Zahl, die alle per TAVI behandelt und mit einer historischen Kontrollgruppe operativ versorgter Patienten (n = 686) verglichen wurden. Auch sie wiesen einen STS-Score unter 3 auf und waren im Schnitt 71 Jahre alt. Frailty galt als Ausschlusskriterium.

Alle Patienten der TAVI-Gruppe überlebten die ersten 30 Tage nach dem Eingriff (primärer Endpunkt), in der Kontrollgruppe waren zwölf Patienten gestorben. Den 30-Tage-Endpunkt hatten die Untersucher gewählt, weil das Follow-up der Vergleichsgruppe aus dem US-Register STS nach 30 Tagen endet. GARY überblickt mittlerweile bis zu fünf Jahre, wie Prof. Ince stolz anmerkte: „Das macht das GARY-Register so wertvoll.“

Auch sonst glänzte die TAVI mit brillanten Sicherheitsergebnissen: kaum schwere Blutungen, keine Nierenschäden, Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Endokarditiden, nur einzelne Fälle von neu aufgetretenem Vorhofflimmern (3 % nach TAVI versus 41 % nach der OP). Ausgeräumt auch der Verdacht, dass nach TAVI mehr Schrittmacher implantiert werden müssen: Die Raten lagen in beiden Gruppen um 5 %. Paravalvuläre Leckagen waren bei 30 % der Patienten zu beobachten, blieben aber fast durchweg mild.

Ein kritischer Punkt, wenn vergleichsweise junge und gesunde Patienten die Zielgruppe bilden: die Haltbarkeit der Klappen. Dazu gibt es Resultate aus der skandinavischen NOTION-Studie (Nordic Aortic Valve Intervention Trial).

Befunde nach 6 Jahren sprechen für TAVI

Über sechs Jahre fand sich kein Anhaltspunkt, dass die TAVI-Klappen – immerhin noch die der ersten Generation – vorzeitig versagen. Im Gegenteil blieb die Öffnungsfläche der Klappen durchgängig größer als die der chirurgisch implantierten. Hämodynamische Probleme traten bei Letzteren signifikant häufiger auf. Die funktionelle Langlebigkeit der TAVI-Klappen ist für Prof. Ince damit bewiesen.

TAVI hat im Zuge der diversen Studien immer jüngere und gesündere Patientenkollektive erobert mit immer besseren Ergebnissen. Die Resultate von GARY und LRT sind ermutigend, aber aufgrund methodischer Limits nicht geeignet, ein abschließendes Urteil über TAVI in der Niedrigrisikopopulation zu fällen. „Eine 30-Tage-Studie macht noch keinen Frühling“, wie es Prof. Ince formulierte.

Langzeitstudie ist auf den Weg gebracht

Endgültige Gewissheit werden wohl erst die Langzeitergebnisse der 1200-Patienten-Studie PARTNER-3 bringen. Die Einjahresergebnisse sollen im Frühjahr 2019 beim Kongress des American College of Cardiology herauskommen, die Gesamtlaufzeit beträgt zehn Jahre. Bis dahin – und zweifellos auch danach – gilt: „Die Entscheidung zwischen TAVI und chirurgischem Klappenersatz muss gemeinsam von Kardiologen und Herzchirurgen unter Einbeziehung klinischer und anatomischer Charakteristika sorgfältig abgewogen werden.“ 

Quelle: DGK* Herztage 2018

* Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
** Society of Thoracic Surgery

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TAVI-Patienten sind initial schlechter dran als die offen Operierten. TAVI-Patienten sind initial schlechter dran als die offen Operierten. © iStock.com/HYWARDS