Kein Schlaf in Sicht: 75 % der Sehbehinderten leiden unter Insomnie

Dr. Alexandra Bischoff

Schlaflos in der Nacht und Müdigkeit am Mittag. Schlaflos in der Nacht und Müdigkeit am Mittag. © fotolia/StockPhotoPro

Blinde und sehbehinderte Menschen leiden überdurchschnittlich häufig an Schlafstörungen. Die fehlende Lichtwahrnehmung führt bei ihnen zu einer kontinuierlichen Verschiebung des Schlaf-wach-Rhythmus. Die Folge: wiederkehrende Ein- und Durchschlafstörungen sowie Tagesschläfrigkeit.

 Ein 46-jähriger hochgradig sehbehinderter Mann suchte aufgrund von zeitweise auftretenden Ein- und Durchschlafstörungen die Schlafambulanz des Universitätsklinikums Münster auf. Er gab an, dass sein Schlaf-wach-Rhythmus unregelmäßig sei und sich teilweise zyklisch ändere. Im Zuge einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit hielt er tagsüber mehrmals ungewollt ein Nickerchen.

Über zwei Wochen wurde am Handgelenk des Patienten die Bewegung gemessen, womit die Wach- und Schlafphasen ermittelt wurden. In diesem Zeitraum verschob sich der Rhythmus des Mannes kontinuierlich von einer Ruhephase zwischen 24 und 9 Uhr zu einem Start der Ruhephase bis hin um 9 Uhr morgens. Durch die Ergebnisse der Aktimetrie diagnostizierten die Ärzte um Dr. Christina Dirks von der Klinik für Schlafmedizin und neuromuskuläre Erkrankungen des Universitätsklinikums Münster eine NON24-Schlaf-wach-Rhythmus-Störung.

Ein häufiges, aber vernachlässigtes Problem

Die erfolgreiche Therapie umfasste eine Kombination aus schlafhygienischen, verhaltenstherapeutischen Maßnahmen – z.B. feste Zubettgehzeiten und keine Nickerchen nach 15 Uhr – und einer Medikation mit einem Melatonin-Agonisten.

Schlafstörungen bei blinden oder sehbehinderten Menschen wie im Fallbeispiel seien ein häufiges Problem, dem bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so die Autoren. Die Psychologin und ihre Kollegen hatten 2016 in einer Studie das Schlafverhalten von insgesamt 222 Teilnehmern, davon 111 Personen sehbehindert bzw. blind, anhand eines speziell konzipierten Fragebogensets untersucht.

Dabei zeigte sich, dass die Patienten mit einer Sehbeeinträchtigung signifikant häufiger an einer Schlafstörung litten als die Kontrollgruppe (75 % vs. 25 %). Und das unabhängig davon, was ihre Sehstörung ausgelöst hatte. Mit zunehmendem Grad der Visusminderung stieg auch die Häufigkeit einer NON24-Schlaf-wach-Rhythmus-Störung.

Mangelnde Lichtwahrnehmung verschiebt den Rhythmus

Probanden mit einem Restvisus von unter 2 % hatten mit ca. 46 % signifikant häufiger Anzeichen einer solchen zirkadianen Erkrankung als diejenigen mit einer höheren Restsehstärke (23 %). Bei dieser Schlafstörung handelt es sich um eine zyklisch wiederkehrende Beeinträchtigung des Schlaf-wach-Rhythmus, die mit einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit einhergeht.

Verantwortlich für die Dysregulation ist die fehlende Lichtwahrnehmung bzw. Melatoninausschüttung, die normalerweise den suprachiasmatischen Nucleus exogen reguliert. Stattdessen übernimmt der genetisch determinierte Rhythmus, der jedoch nicht exakt 24 Stunden entspricht. Dies führt zu den typischen zyklischen Verschiebungen des Tag-Nacht-Rhythmus. Da Schlafproble­me bei Personen mit Sehbeeinträchtigung häufig auftreten, empfehlen die Autoren, im Praxisalltag diese Patienten immer auch nach eventuellen Schlafstörungen zu fragen.

Quelle: Aus der Fachliteratur
Quelle: Dirks C et al. Z prakt Augenheilkd 2017; 38: 423-428

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