Knochendichte, Muskelkraft, Kognition – Frakturprophylaxe bei Senioren

Dr. Angelika Bischoff

Ab einer gewissen Grenze stellt das Alter den dominierenden Fraktur-Risikofaktor dar. Ab einer gewissen Grenze stellt das Alter den dominierenden Fraktur-Risikofaktor dar. © iStock/DjelicS

Nicht nur die Knochendichte zählt, wenn man die Gefahr von Frakturen abschätzen will. Ganz entscheidend ist gerade bei älteren Patienten das Sturzrisiko. Zahlreiche Faktoren, die dieses beeinflussen, gilt es deshalb beim geriatrischen Assessment zu analysieren.

Knapp jeder dritte über 65-Jährige stürzt mindestens einmal pro Jahr. Muskelkraft, Gehgeschwindigkeit, Ernährungszustand und die kognitive Funktion sind die wichtigsten individuellen Faktoren, die das Sturzrisiko bestimmen. Mit dem Timed-up-and-go-Test oder dem Chair-Rising-Test lassen sich Mobilität, Muskelkraft und Gleichgewichtssinn bereits sehr gut beurteilen­.

Ab einer gewissen Grenze stellt das Alter den dominierenden Fraktur-Risikofaktor dar. Bei Frauen ist diese mit 70 Jahren erreicht, Männer haben rund 10 Jahre länger. Deshalb ist in diesen Altersgruppen eine Basisdiagnostik der Osteoporose einschließlich Osteodensitometrie sinnvoll.

Patienten in Sachen Schuhwahl beraten

Dazu gehört auch ein Basislabor, um andere Ursachen/Risikofaktoren für Osteoporose auszuschließen (s. Tabelle). Ausschlaggebend sind vor allem eine höhergradige Niereninsuffizienz, ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel und eine monoklonale Gammopathie unklarer Bedeutung. Ist es bereits zu einem hüftgelenksnahen Knochenbruch gekommen, kann man mit einer spezifischen Therapie beginnen, ohne vorher die Knochendichte zu messen. Dies sollte aber wenig später nachgeholt werden, um Referenzwerte zu erhalten, raten Dr. Elena Tsourdi und ihre Kollegen vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden.

Im Mittelpunkt der Sturz- und Frakturprävention stehen ein Training von Kraft, Ausdauer, Koordination und Gleichgewicht. Auch die Knochendichte nimmt laut einer Metaanalyse darunter zu. Nicht vergessen werden darf, das Wohnumfeld der älteren Menschen an die Situation anzupassen und beispielsweise Stolperfallen zu beseitigen, und dem Patienten zu geeignetem Schuhwerk zu raten. Manchen kann es helfen, an Gefahrenstellen Haltegriffe anbringen zu lassen. In jedem Fall lohnt auch ein Blick auf die Medikamentenliste.


Warum das ganze Basislabor relevant ist
BlutbildAnämie, entzündliche oder maligne Grunderkrankung?
Kreatininrenale Osteopathie und höhergradige Niereninsuffizienz wären Kontraindikationen für verschiedene Osteoporose-Therapeutika
Kalziumprimärer/sekundärer Hyperparathyreoidismus? Malabsorption?
Phosphatsekundärer Hyperparathyreoidismus? Malabsorption?
Serum-Glukose, HbA1cDiabetes mellitus als Komorbidität?
CRPbestehen entzündliche oder inflammatorische Erkrankungen
γ-GT
Cholestase/Alkoholabusus?
Alkalische Phosphatase
Hinweis auf Osteomalazie, Morbus Paget, Knochenmetastasen
Natrium
Hyponatriämie wäre ein Risikofaktor für Stürze
TSH
Hyperthyreose wäre ein Risikofaktor für Osteoporose
25-OH-Vitamin-D
Osteomalazie, sekundärer Hyperparathyreoidismus
Albumin
gibt Auskunft über Malnutrition und eingeschränkte Lebersynthese
Serumelektrophorese/ Immunfixation
monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz? möglicherweise ein multiples Myelom?

Dabei sollte man außerdem darauf achten, dass die älteren Menschen ausreichend mit Kalzium (1000 mg/d) und Vitamin D (800–1000 IE/d) versorgt werden bzw. gegebenenfalls Supplemente erhalten. Zur Sarkopenie-Prävention empfehlen Experten eine tägliche Proteinzufuhr von 1–1,5 g/kgKG. Zusätzlich zu diesen Basismaßnahmen stellt sich die Frage einer osteoporosespezifischen Therapie. Eine Altersbeschränkung gibt es für die medikamentöse Behandlung nicht, schreiben die Autoren, solange „der Patient die positiven Effekte erleben und daraus einen praktischen Nutzen ziehen kann“. Orale Bisphosphonate sind abgesehen von den gastrointestinalen Nebeneffekten meist gut verträglich und senken nachweislich das Frakturrisiko älterer Menschen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass jeder zweite Patient die Therapie im Laufe des ersten Jahres schon wieder beendet. Zu bedenken ist auch, dass sich die Resorption dieser Medikamente mit zunehmendem Alter verschlechtert. Einen Ausweg innerhalb der Wirkstoffgruppe bietet die parenterale i.v.-Therapie mit Zoledronat (5 mg), die nur einmal im Jahr nötig ist. grippeähnliche Symptome, die bei einem Viertel der Patienten nach der Injektion auftreten, bekommt man mit Paracetamol gut in den Griff. Ein Limit stellt eine schwere Niereninsuffizienz dar (Kreatinin-Clearance < 35 ml/min). Der RANK-Ligand-Antikörper Denosumab (60 mg, s.c., halbjährlich) kann bis hinab zu einer Kreatinin-Clearance von 15 ml/min eingesetzt werden. Dies geht jedoch auf Kosten einer ziemlich hohen Hypokalzämie-Rate von bis zu 42 %. Die regelmäßige Kontrolle des Kalzium-Spiegels und eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D ist während der Therapie besonders wichtig.

Behandlungspause vor invasivem Zahneingriff

Die bei Bisphosphonaten und Denosumab gefürchtete aseptische Kiefernekrose spielt in der Geriatrie kaum eine Rolle. Die Komplikation tritt vor allem bei hohen Dosierungen auf, die bei onkologischen Erkrankungen zum Einsatz kommen. Dennoch ist es ratsam, dass Patienten auf eine gründliche Zahnhygiene achten. Steht bei Patienten ein invasiver Zahneingriff bevor, sollten die Antiresorptiva pausiert und eine periprozedurale Antibiotika-Prophylaxe durchgeführt werden. Auch Teriparatid schützt wirksam vor Frakturen. Doch die erforderliche tägliche subkutane Gabe (20 µg) erscheint bei älteren Patienten schlecht praktikabel.

Quelle: Tsourdi E et al. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 728-732; DOI: 10.1055/a-1036-2701

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Ab einer gewissen Grenze stellt das Alter den dominierenden Fraktur-Risikofaktor dar. Ab einer gewissen Grenze stellt das Alter den dominierenden Fraktur-Risikofaktor dar. © iStock/DjelicS