Kognitive Defizite bei jedem zweiten Lungenkrebspatienten

Dr. Katharina Arnheim

Neuronale Autoantikörper als Ursache für kognitive Defizite vermutet. Neuronale Autoantikörper als Ursache für kognitive Defizite vermutet. © fotolia/Photographee.eu

Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass bei jedem zweiten Lungenkrebspatienten neuronale Autoantikörper zu einem kognitiven Defizit beitragen können. Dies bietet gleichzeitig einen Ansatzpunkt für die Therapie.

Kognitive Defizite bei Krebserkrankungen wurden mittlerweile als relevantes Symptom erkannt, das einen beachtlichen Anteil von Patienten betrifft: So leiden zwischen 15 und 25 % der Betroffenen an behandlungsbedingten Einschränkungen der kognitiven Funktion, berichtete Professor Dr. Carsten Finke von der Klinik für Neurologie der Charité in Berlin.

Bisher keine systematischen Analysen beim Lungenkrebs

Die Strahlentherapie beispielsweise kann zu einem passageren, aber auch einem persistierenden kognitiven Defizit mit Entwicklung einer Leuk­enzephalopathie und Hirnatrophie führen. Bei Zytostatika, die üblicherweise nicht in relevanter Konzentration in das Zentrale Nervensystem penetrieren, werden Schädigungsmechanismen – wie direkte DNA-Toxizität, oxidativer Stress oder Dysregulation von Zytokinen – als Ursache eines kognitiven Defizits angesehen.

Darüber hinaus leiden viele Patienten bereits vor Therapiebeginn an einer Verschlechterung der kognitiven Funktion. Am besten beschrieben wurde dieses Phänomen bei Frauen mit Mammakarzinom: Die Prävalenz liegt laut Prof. Finke bei rund 20 bis 30 %. Beim Lungenkarzinom gab es hierzu bislang keine systematischen Analysen.

Erstmals hat die Arbeitsgruppe von Prof. Finke jetzt 97 konsekutive Patienten mit kleinzelligem und nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (SCLC bzw. NSCLC) auf kognitive Defizite untersucht und eine Assoziation mit neuronalen Autoantikörpern nachgewiesen.1

Hintergrund für die Untersuchung war laut Prof. Finke der Nachweis derartiger Antikörper bei Patienten mit Autoimmunenzephalitiden, die an schweren neurologischen und psychiatrischen Symptomen und auch an einem kognitiven Defizit leiden können.

Nachweis neuronaler Antikörper

Die Patienten wurden einmal mit umfangreichen Testbatterien auf ihre kognitive Leistung hin geprüft. Außerdem wurden Fatigue und Lebensqualität über standardisierte Fragebögen erfasst und alle Patienten klinisch-neurologisch untersucht. Schließlich wurde das Serum der 97 Teilnehmer mittels indirekter Immunfluo­reszenz auf neuronale Autoantikörper gegen intrazelluläre und Oberflächenantigene wie den NMDA-Rezeptor getestet:

  • Bei mehr als der Hälfte der Lungenkrebspatienten (55 %) fielen tumorassoziierte kognitive Funktionseinschränkungen unabhängig von einer Chemotherapie auf.
  • Rund 21 % der Patienten besaßen neuronale Autoantikörper gegen Oberflächen- oder intrazelluläre Antigene. Erstere wurden insbesondere bei NSCLC-Patienten, Antikörper gegen intrazelluläre Antigene vermehrt bei SCLC-Patienten identifiziert.
  • Der Nachweis dieser Antikörper war mit dem Auftreten von Funktionseinbußen im verbalen und visuell-räumlichen Gedächtnis sowie in der Aufmerksamkeit assoziiert: Während antikörperpositive Patienten durchgängig kognitive Beeinträchtigungen aufwiesen, war dies bei den antikörpernegativen Teilnehmern nur zu 46 % der Fall.

Aufgrund dieser Ergebnisse ist laut Prof. Finke von einem häufigen Vorliegen eines kognitiven paraneoplastischen Syndroms bei Patienten mit Lungenkrebs auszugehen. Patienten mit Antikörpern gegen neuronale Oberflächenantigene – anders als die mit Antikörpern gegen intrazelluläre Antigene – sprechen bisherigen Studien zufolge grundsätzlich gut auf eine immunmodulatorische Therapie an. „Damit besteht die Hoffnung, dass die kognitiven Defizite zumindest bei einem Teil der Patienten behandelbar sind“, konstatierte Prof. Finke.

Quelle: 58. DGP-Kongress
1 Bartels F et al. DGP 2017; Abstract V257

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Neuronale Autoantikörper als Ursache für kognitive Defizite vermutet. Neuronale Autoantikörper als Ursache für kognitive Defizite vermutet. © fotolia/Photographee.eu