Streitfall Lungenkrebs-Screening - Raucher ohne Symptome zur CT?

Dr. Dorothea Ranft

© fotolia/Thomas Lauridsen

Viele Raucher haben große Angst vor Lungenkrebs. In ihrer Not setzten Sie die Hoffnung auf eine Früherkennungsdiagnostik mit Thorax-CT. Doch darf man symptomfreie Patienten radiologisch untersuchen? Nutzen und Gefahren des Raucher-Screenings sind unter Pneumologen umstritten.

Kein Zweifel besteht daran, dass potenzielle Lungenkrebssymptome (z.B. Luftnot, Hämoptysen, Schmerzen) abgeklärt werden sollten. Vor allem ein über acht Wochen persis­tierender Husten erfordert bildgebende Diagnostik, mindestens einen Röntgenthorax, erklärte Dr. Lars-Henning Schmidt, Pneumologe an der Universitätsklinik Münster.

Nicht selten finden sich dabei pulmonale Rundherde (SPN, solitary pulmonary nodule, s. Kasten). Bei erhöhter Malignom-Wahrscheinlichkeit (Alter, Anamnese, CT-Kriterien), einer Größe > 8–10 mm oder erkennbarem Wachstum plädiert die DGP-Leitlinie für eine chirurgische Klärung der Dignität.

Definition Rundherd

  • Annähernd rundliche Läsion
  • Überwiegend oder vollständig von Luft umgeben
  • (initial) relativ scharf begrenzt
  • Homogene Dichte
  • Durchmesser ≤ 30 mm

Rund 95 % falsch positive Befunde bei der Vorsorge-CT

Doch längst nicht alle Patienten mit Lungenkrebs haben Symptome. Ein regelmäßiges Screening von beschwerdefreien Personen könnte die Tumoren in einem noch kurablen Frühstadium aufspüren, so die Hoffnung. Unklar ist bisher, ob die Vorteile der Früherkennung mögliche Nachteile (z.B. Überdiagnostik, psychische Belastung, Risiken der Resektion) aufwiegen. Den Nutzen des Screenings untersuchte die amerikanische NLST**-Studie in einem Kollektiv von fast 53 500 Hochrisikopatienten (Alter 55–74 Jahre, > 30 pack years). Die Studienteilnehmer unterzogen sich drei Jahre lang einmal jährlich einer Vorsorgeuntersuchung mittels Low-Dose(LD)-CT oder Röntgen-Thorax. Dabei konnte gezeigt werden, dass das Screening mit LD-CT die Lungenkrebsmortalität zu senken vermag. Allerdings erwiesen sich rund 95 % der positiven Testresultate als falsch positiv.

Screening könnte 4000 Tode vermeiden

Wenn man die Daten der NLST-Studie auf Deutschland übertrüge und 50 % der starken Raucher zwischen 55 und 74 Jahren teilnehmen, käme man auf eine Probandenenzahl von rund 2,7 Millionen. Bei 917 000 Teilnehmern würde ein Tumor vermutet, fast 33 000 Lungenkarzinome würden diagnostiziert. Für ein solches CT-Screening spräche, dass die Zahl der Lungenkrebstoten damit um 2,6 % gesenkt werden könnte, also ca. 4000 Sterbefälle weniger auftreten. Gegen das Screening spricht die hohe Zahl von fast 12 500 erwarteten Komplikationen, außerdem würden voraussichtlich mehr als 1000 Screening-Teilnehmer innerhalb von 60 Tagen nach der invasiven Abklärung versterben.

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie klar dagegen

Angesichts dieser Daten emp­fiehlt die DGP kein flächendeckendes CT-Screening für Risikokollektive. Nachfragende Patienten sollten in einem ausführlichen Beratungsgespräch auf die hohe Zahl von Komplikationen, falsch positiven Befunden etc. aufgeklärt werden und das Schwergewicht sollte vorrangig auf Raucherentwöhnung gelegt werden. Ein CT ist nach DGP-Meinung bei Symptomfreiheit nicht gerechtfertigt. Inzwischen wurden auch die Ergebnisse der deutschen LUSI***-Studie publiziert mit mehr als 4000 Teilnehmern, alles starke Raucher im Alter von 50–69 Jahren. Die Screening-Gruppe unterzog sich über einen Zeitraum von vier Jahren jährlich einem LD-CT, die übrigen Probanden dienten als Kontrollkollektiv. Suspekte Befunde wurden bei 22 % der Patienten gefunden, bei 1,6 % erfolgte eine Abklärung mittels Biopsie. In 1,1 % der Fälle wurde ein Malignom gesichert. Für das CT-Screening sprechen ein Rückgang fortgeschrittener Tumoren und eine Senkung der kumulativen Mortalität. In der Diskussion wurde betont, das die Daten zum Nutzen des CT-Screenings derzeit im Fluss seien und Patienten mit sehr kleinen Lungenkarzinomen inzwischen eine sehr gute Prognose haben − teils mit 5-Jahresüberlebensraten von mehr als 90 %. Bei asymptomatischen Patienten sei ein radiologisches Screening bisher nicht gerechtfertigt, hieß es. Man solle die Patienten jedoch ermutigen, sich beim Auftreten von Beschwerden frühzeitig untersuchen zu lassen, um den Tumor im kurablen Stadium zu entdecken. Weitere Forschung könnte es zudem ermöglichen, Hochrisikopatienten, die von einem Screening profitieren, zu identifizieren, bevor die ersten Symptome auftauchen.

Im Zweifelsfall raus mit dem Rundherd!

Und wie soll man vorgehen, wenn ein Rundherd entdeckt wird? Dr. Thomas Vosshaar vom Krankenhaus Bethanien in Moers plädiert für die Operation. Nach dem Motto „in doubt take it out“ sollten Herde ab einem Durchmesser von 8 mm entfernt werden – auch um dem Patienten die Angst zu nehmen. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit für ein Malignom nur bei 10 % liegt, will der Patient mit der Ungewissheit nicht weiterleben und quasi warten, was passiert. Mit Statistik kann man Patienten nicht beruhigen, wenn es um Heilung oder Nicht-Heilung geht.

*gemeinsam mit der Westdeutschen Gesellschaft für Schlafmedizin e.V.
** National Lung Screening Trial
***German Lung Cancer Screening Intervention Trial

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