Morbus Basedow: Bei hohem GREAT-Score direkt operieren oder bestrahlen

Dr. Elke Ruchalla

An immunmodulierenden Therapien wurde bisher kaum geforscht. An immunmodulierenden Therapien wurde bisher kaum geforscht. © iStock.com/Nerthuz

In der Therapie des M. Basedow steht die Hemmung der Schilddrüsenfunktion weiter an erster Stelle. Mit einem neuen Punktesystem kann man offenbar bereits bei der Erstdiagnose abschätzen, wer nach dem Absetzen der Thyreostatika wahrscheinlich ein Rezidiv erleiden wird. Dann sollte eine andere Behandlungsform erwogen werden.

Bei der Basedow-Krankheit treten die TRAK – die TSH-Rezeptor-Autoantikörper – in der Rolle der Übeltäter auf: Sie stimulieren den Rezeptor und führen dadurch zu einer übermäßigen Sekretion von peripherem Schilddrüsenhormon. Da scheint es biologisch plausibel, an dieser Überfunktion anzusetzen und mit Thyreostatika die Bildung von Trijodthyronin (T3) bzw. Thyroxin (T4) einzuschränken.

Problematisch ist aber die hohe Rezidivrate, sobald die Tabletten abgesetzt werden, erklären Dr. Seline­ Zurfluh­, Endokrinologin am Kantonsspital Aarau, und ihre Kollegen. So werden zur Erstbehandlung einer Basedow-Krankheit z.B. 20–40 mg Carbimazol über 12–18 Monate empfohlen.

40–60 % erleiden nach Einnahmestopp einen Rückfall

Und obwohl sich unter dieser Therapie die Werte von TSH und freiem T4 meist normalisieren, erleiden nach dem Einnahmestopp 40–60 % der Patienten einen Rückfall der Hyperthyreose. Eine länger andauernde oder höher dosierte Therapie sowie der Einsatz von Propylthiouracil kann das Problem oft nicht lösen. In diesen Fällen kommen dann meist „endgültige“ Maßnahmen zum Einsatz, wie die Radiojodtherapie oder die Thyreoidektomie. Aber warum dann nicht gleich so?

Weil diese Verfahren zum Teil erhebliche Nachteile und Risiken aufweisen, erläutern die Experten. Die Radiojodtherapie wirkt verzögert erst nach mehreren Wochen. Zudem ist ebenso wie nach der Thyreoid­ektomie eine anhaltende Hypothyreose wahrscheinlich und die Betroffenen müssen lebenslang Schilddrüsenhormone einnehmen. Bei der Operation kommen noch mögliche eingriffsspezifische Komplikationen wie Rekurrensparese und Hypoparathyreoidismus dazu.

Jedoch ist Patient nicht gleich Patient: Im Jahr 2016 hat eine Arbeitsgruppe aus den Niederlanden mit dem GREAT*-Score ein Punktesystem erstellt, mit dem sich schon bei Erstdiagnose der Basedow-Krankheit das individuelle Rezidiv­risiko kalkulieren lässt. Besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Auftreten nach Beenden der thyreostatischen Therapie, könnte tatsächlich eine Bestrahlung oder OP schon als Erstlinientherapie erwogen werden.

Make therapy GREAT again

Der GREAT-Score in seiner ursprünglichen Form berücksichtigt vor Therapiebeginn:
  • das Alter der Patienten (< 40 bzw. ≥ 40 Jahre)
  • die Konzentrationen von freiem T4 und TRAK im peripheren Blut
  • das Ausmaß der Struma
Bei GREAT+ kommen noch zwei genetische Marker dazu. Mithilfe der Punktesysteme lassen sich die Basedow-Patienten in Risikoklassen einteilen.

Aber wo bleiben eigentlich die immunmodulierenden Therapien, die sich bei anderen Autoimmunkrankheiten als so erfolgreich erwiesen haben? Hier sei lange wenig passiert, so die Autoren. Teilweise sollen, zumindest laut Laborstudien, die Thyreo­statika selbst immunsuppressive Effekte aufweisen. Zudem gibt es bis heute aber keine eindeutigen Belege für die Wirksamkeit einer Immuntherapie beim M. Basedow. Eine Übersichtsarbeit mit gepoolten Daten aus dem Jahr 2016 fand zwar eine nahezu halbierte Rezidiv­rate, wenn die Patienten zusätzlich Immunsuppressiva erhalten hatten; das waren vor allem Kortikostero­ide, seltener Rituximab, Azathioprin oder Kombinationen der Wirkstoffe. Die Studien hatten allerdings oft nur wenige Patienten berücksichtigt und Nebenwirkungen waren nicht sys­tematisch dokumentiert worden. Größere randomisierte Studien zu der Frage sind überfällig, finden die Wissenschaftler aus der Schweiz.

Frauen im ersten Trimenon Propylthio­uracil geben

Einen heiklen Sonderfall bei der Therapie des Morbus Basedow stellen Schwangere dar. Vor allem im ersten Trimester ist wegen des geringeren teratogenen Risikos Propyl­thiouracil das Medikament der Wahl, schreiben die Autoren. Die OP ist die Ultima Ratio, da eine Radiojodtherapie in der Schwangerschaft kontraindiziert ist. Achtung: Die TRAK sind plazentagängig – beim Neugeborenen ist also mit einer Hyperthyreose zu rechnen. Betroffene Frauen sollten in enger Zusammenarbeit von Endokrinologen und Gynäkologen in einem erfahrenen Zentrum betreut werden. 

* Graves‘ Recurrent Events After Therapy

Quelle: Zurfluh S et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 1014-1018

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An immunmodulierenden Therapien wurde bisher kaum geforscht. An immunmodulierenden Therapien wurde bisher kaum geforscht. © iStock.com/Nerthuz