Morbus Basedow: Medikamentös behandeln mit Thionamiden?

Dr. Angelika Bischoff

Wegen der chronischen Stimulation durch Autoantikörper kommt es zu einer diffusen Hyperplasie im Schilddrüsengewebe. Wegen der chronischen Stimulation durch Autoantikörper kommt es zu einer diffusen Hyperplasie im Schilddrüsengewebe. © wikimedia/Librepath

Eine Autoimmunthyreopathie Typ Basedow wird heute überwiegend serologisch diagnostiziert. Mit Thionamiden lassen sich die Spiegel von Autoantikörpern und Schilddrüsenhormonen oft normalisieren. Doch die Thyreo­statika sind nicht für jeden Patienten geeignet.

Die Prävalenz des Morbus Basedow liegt bei 1 bis 1,5 %. Genetische Prädisposition sowie Umweltfaktoren wie hohe Jod­aufnahme und Rauchen erhöhen das Erkrankungsrisiko. Hervorgerufen wird die Autoimmunthyreo­pathie Typ Basedow direkt durch Thyrotropin-Rezeptor-Antikörper (TRAK). Diese blockieren die TSH-Rezeptoren und führen zu einer gesteigerten Hormonproduktion und -freisetzung, einer Thyrozytenproliferation und einer Vergrößerung der Schilddrüse. Außerdem induzieren die Autoantikörper oxidativen Stress.

Durch die TRAK-Serologie lässt sich der Morbus Basedow gut und schnell diagnostizieren, schreibt Professor Dr. George Kahaly von der Medizinischen Fakultät der Johannes Gutenberg Universität in Mainz. Konventionelle Immuno­assays weisen zwar eine hohe Sensitivität und Spezifität in der Detektion der Auto­antikörper auf, sagen aber nichts über deren Funktionalität aus. Letztere lässt sich nur mit zellbasierten Bioassays erfassen, da diese erlauben, zwischen blockierenden und stimulierenden Antikörpern zu unterscheiden.

Sono plus Serologie sichern die Diagnose

Als sensitives bildgebendes Verfahren unterstützt eine Schilddrüsen­sono die Serologie. Beide zusammen genügen in den meisten Fällen, um die Basedow-Diagnose zu sichern. Eine Radionuklid-Szintigraphie braucht es nur, wenn große Schilddrüsenknoten vorhanden sind oder eine Radiojodtherapie erfolgen soll. Denn es stehen gleich drei wirksame Therapien zur Wahl: Thyreostatika, Thyreoidektomie oder Radiojodtherapie. In den Entscheidungsprozess muss der Patient nach eingehender Aufklärung über Nutzen und Risiken unbedingt einbezogen werden, betont Prof. Kahaly.

Das Herz leidet mit

Insbesondere ältere Patienten mit Morbus Basedow entwickeln nicht selten kardiale Symptome. Daher kann schon in den frühen Stadien der Erkrankung eine Therapie mit Beta-Blockern erwogen werden. Eine Antikoagulation ist bei Patienten mit supraventrikulären Arrhythmien indiziert – v.a. bei Vorhofflimmern und einem Alter über 65 Jahre.

Propylthio­uracil ist weniger plazentagängig

Bevorzugt behandelt man einen neu diagnostizierten Basedow für 12–18 Monate mit Thionamiden, primär Thiamazol. Carbimazol und vor allem Propylthiouracil weisen eine schwächere Wirkung auf. Gerade bei Schwangeren muss man aber vorsichtig therapieren, falls vor der Schwangerschaft keine Euthyreose erreicht werden konnte und kein Pausieren der Therapie möglich ist: So sollte z.B. im ersten Drittel das weniger plazentagängige Propylthiouracil dem Thiamazol vorgezogen und ab dem zweiten Trimenon wegen der Hepatoxizität wieder zurück gewechselt werden. Ein engmaschiges Monitoring ist in jedem Fall obligat. Thionamide hemmen die Jod-Organifikation, reduzieren Zahl und Aktivität von intrathyreoidalen T-Zellen und die Bildung reaktiver Sauerstoff-Spezies. Therapiert wird bis sich die Schilddrüsenhormone normalisieren (Euthyreose) und der Autoantikörpertest negativ ausfällt, ggf. mit einer einjährigen Weiterführung und erneutem Test. Persistieren TRAK-Titer oder die Hyperthyreose trotz Therapie über 18 Monate oder tritt nach Abschluss der Thyreostatika-Therapie ein Rezidiv auf, kann eine Radiojod-Therapie oder totale Thyreoidektomie erwogen werden. Für die Thyreoidektomie sollte man den Patienten an einen mit der Schilddrüse erfahrenen Chirurgen überweisen, um das Komplikationsrisiko zu minimieren. Der Eingriff eignet sich u.a. bei aktiver Orbitopathie (siehe Kasten), Schwangeren (2. Trimester), und wenn ein Krebsverdacht besteht.

Maßnahmen gegen endokrine Orbitopathie

Eine effektive Therapie von Hyperthyreose und Autoinflammation senkt auch das erhöhte Risiko für Entstehen bzw. Progression einer endokrinen Orbito­pathie. Besteht die Orbitopathie bereits, empfiehlt die europäische Leitlinie bei leichten Formen Selen und eine Lokaltherapie. Bei mittelschweren Formen setzt man systemische Steroide als intravenöse Pulstherapie ein. Nicht immer aber werden sich chirurgische Korrekturen ganz vermeiden lassen. Eine Schlüsselrolle in der Pathogenese spielt der insulin-like-growth-factor-1 (IGF-1). Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat kürzlich als vielversprechende Therapie bei aktiver schwerer Orbitopathie den monoklonalen Anti-IGF-1-Antikörper Teprotumumab zugelassen, nachdem klinische Studien gezeigt haben, dass sich die Symptome bei akzeptabler Verträglichkeit verbessern.

Patienten mit Adhärenzproblem oder schweren Nebenwirkungen während der medikamentösen Therapie sowie rezidivierender Erkrankung kann auch eine Radiojodtherapie empfohlen werden. Liegt eine aktive endokrine Orbitopathie vor, ist diese Option allerdings nicht geeignet, weil sie zu einer Exazerbation führen kann. Insbesondere verbietet sich dies bei hohem Risiko, z.B. wenn der Patient raucht. Außerdem sollte bis sechs Monate nach der Therapie auf eine adäquate Kontrazeption geachtet werden – von beiden Geschlechtern. Während Schwangerschaft und Stillzeit ist die Radiojodtherapie kontraindiziert sowie bei Verdacht auf ein Schilddrüsenmalignom. Die Behandlung ist mit einem geringfügig erhöhten Risiko für spätere Krebserkrankungen verbunden. Außerdem sollte der Patient darüber aufgeklärt werden, dass es im Rahmen der Therapie zu einer thyreo­toxischen Krise kommen kann. Als sichere und effektive Alternative kann auch langfristig niedrig dosiertes Thiamazol gegeben werden. Die Coronapandemie hat auch Implikationen für die Therapie des Basedows. Zum einen stellt COVID-19 einen Risikofaktor für eine Stoffwechselentgleisung dar, zum anderen erhöht die schlecht kontrollierte Hyperthyreose das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko und generell das Infektionsrisiko. Beides zusammen steigert somit das COVID-Mortalitätsrisiko – insbesondere das der älteren Patienten. Eine Therapie der endokrinen Orbitopathie mit systemischen Steroiden sollte bei Patienten mit COVID-19 verschoben werden, so lange noch keine genaueren Daten vorliegen, um den Patienten nicht durch die Immunsuppression zu gefährden.

Quelle: Kahaly GJ. J Clin Endocrinol Metabol 2020; 105: dgaa646; DOI: 10.1210/clinem/dgaa646

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Wegen der chronischen Stimulation durch Autoantikörper kommt es zu einer diffusen Hyperplasie im Schilddrüsengewebe. Wegen der chronischen Stimulation durch Autoantikörper kommt es zu einer diffusen Hyperplasie im Schilddrüsengewebe. © wikimedia/Librepath