Warum eine gestörte Schilddrüsenfunktion zu Osteoarthro- und Myopathien führt

Dr. Dorothea Ranft

Muskeln, Gelenke und Knochen können erheblich
unter Hypo- und Hyperthyreose leiden. Muskeln, Gelenke und Knochen können erheblich unter Hypo- und Hyperthyreose leiden. © iStock.com/solidcolours

Knochen, Gelenke und Muskeln können erheblich unter Hypo- und Hyperthyreose leiden. Mitunter führt bereits eine subklinische Störung zu Beschwerden. Das liegt daran, dass intrazellulär ein anderer hormoneller Wind weht als systemisch.

Eine über den TSH-Wert definierte systemische Euthyreose bedeutet noch nicht, dass auch in den einzelnen Organen euthyreote Verhältnisse herrschen. Grund dafür ist die „Deiodierung“ im peripheren Gewebe: Die Deiodinase 2 (DIO2) bildet Trijodthyronin (T3) aus Thyroxin (T4). Dadurch steigt die intrazelluläre Menge an aktivem Hormon – im Extremfall bis zur „lokalen Hyperthyreose“. Sein Gegenspieler, die Deiodinase 3 (DIO3), inaktiviert T3 und begünstigt so eine „intrazelluläre Hypothyreose“, schreibt Dr. Volker Nehls vom Rheinischen Rheuma-Zentrum am St. Elisabeth-Hospital, Meerbusch.

T3 ist unverzichtbar für die Entwicklung des muskuloskelettalen Systems. Die Selbstbestimmung des Gewebes über die Produktion hat vor allem eine Schutzfunktion, sie bewahrt sensible Organe vor einem gefährlichen Mangel oder Überschuss. So erhält z.B. das Gehirn durch seine effektive intrazelluläre DIO2 selbst bei einer ausgeprägten systemischen Hypothyreose noch genügend T3. Gleichzeitig kann eine lokale Hypo- oder Hyperthyreose durch eine Fehlregulation der Deiodinase-Aktivität zu Symptomen im betroffenen Gewebe führen.

Senioren auf hochnormale TSH-Werte einstellen

Das aktive Schilddrüsenhormon T3 beschleunigt den Knochenstoffwechsel – mit der Folge eines Substanzverlusts bei Hyperthyreose. Schon eine anhaltende subklinische Überfunktion steigert die Frakturgefahr. Deshalb sollten vor allem Senioren und Patienten mit Osteoporose eher auf einen hochnormalen TSH-Wert eingestellt werden.

Etwa 10–20 % der Patienten mit manifester Hyperthyreose entwickeln infolge der vermehrten Osteo­klastenaktivität eine meist leichte Hyperkalzämie. Wichtigstes Symptom ist die Muskelschwäche, Arthralgien und Muskelschmerzen bestehen im Gegensatz zum primären Hyperparathyreoidismus nur selten. Die Sanierung der Hyperthyreose kann zu einem „hungry bone“-Syndrom mit Hypokalzämie und Muskelkrämpfen führen.

Eine wichtige Bedeutung hat Trijodthyronin auch für den Gelenkknorpel. Es stimuliert die Proliferation und Differenzierung in den Epiphysenfugen. Sowohl Hyper- als auch Hypothyreose stören das Längenwachstum. Schließlich begünstigt eine systemische Hypothyreose die Entwicklung von Arthrosen. Bei einem ausgeprägten Hormonmangel können sich Schwellungen und Ergüsse entwickeln. Umgekehrt gibt es dem Autor zufolge Anzeichen, dass sich erosive Arthrosen der Fingermittelgelenke mit einer Thyroxinsubstitution zurückbilden können.

Proinflammatorische Effekte wurden sowohl für die hyperthyreote als auch für die hypothyreote Stoffwechsellage beschrieben. Bei einer Überfunktion steigt der Kortisolbedarf – u.a., weil sich die Halbwertszeit natürlicher und synthetischer Glukokortikoide verkürzt. So kamen bei Patienten mit Basedow-Thyreotoxikose trotz anhaltender Stimulierbarkeit der Nebennierenrinde bereits stark erniedrigte Kortisolwerte vor.

Über eine Muskelschwäche klagen bis zu 80 % der Patienten mit Hyperthyreose, während sich die Hypothyreose v.a. durch eine Muskelversteifung und Muskelkrämpfe bemerkbar macht. Manifeste Unterfunktionen werden oft von einem Anstieg der Kreatinkinase begleitet. Im Extremfall kann es zur Rhabdomyolyse kommen. Aufgrund der Symptomatik besteht Verwechslungsgefahr mit einer Polymyositis (deshalb Schilddrüsenwerte bestimmen!). Ein weiter Aspekt: Das Risiko für eine Hypothyreose-Myopathie steigt mit der Einnahme eines Statins. Umgekehrt tragen hypothyreote Patient, die diese Lipidsenker einnehmen, ein erhöhtes Risiko für eine Statin-Myopathie.

Metabolischer Rundumschlag gegen Diabetikerknochen

Auch der Typ-2-Diabetes scheint eine Verbindung zum Schilddrüsenhormonsystem zu haben. In Abhängigkeit von Krankheitsdauer und Einstellung des Diabetes kommt es zu einer Osteoarthropathie mit erhöhtem Fraktur- und Arthrose-Risiko. Gleichzeitig werden auf Ebene einzelner metabolisch geschädigter Zellen vermehrt defekte Proteine produziert. Ein wichtiger Bestandteil des potenziell folgenden Stoffwechselwegs ist die Reduktion der DIO2-Aktivität mit der Folge einer intrazellulären Hypothyreose. Diese lokale Unterfunktion könnte zusammen mit inflammatorischen Signalen zur diabetischen Osteoarthropathie beitragen.

Hashimoto-Frauen leiden oft unter Fibromyalgie

Patienten mit Autoimmunthyreoiditis entwickeln zudem mehr rheumatische Erkrankungen als Schilddrüsengesunde. Am häufigsten scheint bei Frauen mit Hashimoto-Thyreo­iditis die Fibromyalgie zu sein, gefolgt von rheumatoider Arthritis und sys­temischem Lupus erythematodes. Bei Basedow-Patienten kann es zu einer thyreoidalen Akropachie mit Trommelschlegelfingern und Schwellungen der Phalangen kommen. Betroffen sind vor allem Raucher mit positiven TSH-Rezeptor-Antikörpern, die an endokriner Orbitopathie oder prätibialem Myxödem leiden. Über die schmerzlosen Fingerveränderungen sprechen nur die wenigsten Betroffenen.

Quelle: Nehls V. Dtsch Med Wochenschr 2018; 143: 1174-1180

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Muskeln, Gelenke und Knochen können erheblich
unter Hypo- und Hyperthyreose leiden. Muskeln, Gelenke und Knochen können erheblich unter Hypo- und Hyperthyreose leiden. © iStock.com/solidcolours