Muskuläre Symptome durch Statine – ein Nocebo-Effekt?

Dr. Angelika Bischoff

Viele Patienten haben die Medikamente abgesetzt, wenn sie Muskelbeschwerden bekamen. Viele Patienten haben die Medikamente abgesetzt, wenn sie Muskelbeschwerden bekamen. © iStock/Gannet77

Es steht außer Frage, dass Statine sehr selten eine schwere Myopathie auslösen können. Der kausale Zusammenhang zwischen den Lipidsenkern und weniger gravierenden muskulären Symptomen hingegen scheint weiter zu wackeln.

In ein schlechtes Licht geraten sind Statine durch Medienberichte und Beobachtungsstudien, die Symptome wie Muskelsteifheit, -schmerzen und -schwäche mit ihnen assoziiert haben. Viele Patienten haben die Medikamente abgesetzt, wenn sie Muskelbeschwerden bekamen. Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko wurde dabei in Kauf genommen.

Nur Atorvastatin 20 mg mit Schein-Pille verglichen

Patienten aus 50 englischen Praxen, die wegen Muskelbeschwerden ihre Statine abgesetzt hatten bzw. dies in Erwägung zogen, wurden in die StatinWISE-Studie eingeschlossen. Jeder durchlief eine Sequenz von sechs randomisierten und doppelt verblindeten Therapiephasen zu je zwei Monaten. Die Teilnehmer erhielten entweder 20 mg Atorvastatin oder Placebo und mussten nach jeder dieser Phasen etwaige Muskelsymptome auf einer visuellen Analogskala (0–10) einstufen.

In die Primäranalyse wurden 151 Patienten eingeschlossen, die mindestens für eine Statin- und eine Placebophase den Symptomscore angegeben hatten. Wie Dr. Emily Herrett von der London School of Hygiene and Tropical Medicine und Kollegen berichten, fand sich insgesamt kein signifikanter Unterschied zwischen Statin- und Placebo-Phasen, was die VAS-Werte für Muskelsymptome betraf. Einschränkend geben die Autoren zu bedenken, dass nur Atorvastatin 20 mg untersucht wurde. Auf höhere Dosierungen und andere Statine lassen sich die Ergebnisse nicht zwangsläufig übertragen.

Der mittlere VAS-Wert war mit 1,68 in den Statinphasen sogar etwas niedriger als in den Placebophasen (1,85). Wegen unerträglicher Muskelsymptome brachen 9 % der Teilnehmer in einer Statin-Phase und 7 % in einer Placebo-Phase die Therapie ab. Dies bedeute nicht, dass es sich nicht um reale Schmerzen handle, betont einer der Studienautoren in der begleitenden Pressemitteilung, aber die Statine seien eben nicht dafür verantwortlich.

Zwei Drittel der 113 Teilnehmer, die bis zum Ende der sechs Phasen dabei geblieben waren, entschieden sich, die Langzeittherapie mit Statinen fortzuführen, z.T. sogar bevor sie die Ergebnisse erfahren hatten. Von den 17 Patienten, bei denen sich die Muskelsymptome in der Verumphase verschlimmert hatten, wollte nur jeder zweite das Statin weiterhin einnehmen. Nach Meinung der Autoren wäre ein solcher Versuch auch in der Praxis denkbar, wenn Patienten muskuläre Beschwerden einem Statin anlasten. So könnte man herausfinden, ob eine Kausalität gegeben ist, bzw. die Patienten beruhigen und dazu motivieren, die Medikamente weiterhin einzunehmen.

Quelle: Herrett E et al. BMJ 2021; 372: n135; DOI: 10.1136/bmj.n135

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Viele Patienten haben die Medikamente abgesetzt, wenn sie Muskelbeschwerden bekamen. Viele Patienten haben die Medikamente abgesetzt, wenn sie Muskelbeschwerden bekamen. © iStock/Gannet77