Nach Leitlinie behandelte Kinder mit Tonsillitis erhalten viel zu viel Penicillin

Dr. Alexandra Bischoff

Im Winter und Frühling blühen die Mandeln vieler Kinder. Aber im Rahmen der Antibiose gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen?
Im Winter und Frühling blühen die Mandeln vieler Kinder. Aber im Rahmen der Antibiose gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen? © iStock/bgton

Wie viel Penicillin V sollte ein Kind mit Streptokokkenangina erhalten? Die Datenlage hierzu ist widersprüchlich. Und für die Empfehlung der aktuellen S2k-Leitlinie finden sich keine Argumente, kritisiert ein pädiatrischer Infektiologe.

Experten der DGPI* empfehlen in ihrem Handbuch, Kinder mit Tonsillitis über sieben Tage in drei Einzeldosen mit Penicillin V 100 000 I.E./kgKG/Tag zu behandeln. Mittlerweile hat die aktuelle Leitlinie gleichgezogen, auch wenn es aus Sicht von Professor Dr. Reinhard­ Berner­, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gus­tav Carus Dresden, wohl keine klinische Begründung gibt. Zumindest kenne er keine Studie, in der eine solch hohe Menge überlegen war.

Argumente schwach und am Ziel vorbei

Trotzdem spricht sich die DGPI bereits seit 1992 dafür aus. Die Gesellschaft begründet dies mit zwei Argumenten: Zum einen eliminiere eine „normale“ Dosis von 50 000 I.E./kgKG/Tag im Vergleich zu anderen Betalaktam-Antibiotika wie Cephalosporine weniger effektiv. Zum anderen könne man nur so die therapeutisch wirksame Konzentration im Tonsillengewebe erreichen.

Beide Argumente hält Prof. Berner für zu schwach. Fraglich, ob die Befunde der zugrunde liegenden experimentellen Ansätze überhaupt relevant seien. Eine Behandlung ziele per se auch nicht auf die Eradikation ab, sondern auf den klinischen Erfolg, schreibt er.

Erwachsenendosis schon bei 24 kg erreicht

Mit 100 000 Einheiten stößt man zudem sehr schnell an die Therapiegrenze, da bereits bei einem Körpergewicht von 24 bzw. 30 kg die Tagesdosisempfehlung für Erwachsene (2,4–3 Mio. I.E./Tag) erreicht ist.

Schauen Pädiater stattdessen in die Fachinformationen, dürfen sie auf die Penicillinbremse treten und ihre kleinen Patienten mit 50 000 I.E./kgKG/Tag behandeln.

Die halbe Menge genügt meist

Nur in schweren Fällen bzw. bei minderempfindlichen Erregern sollten sie aus dem Vollen schöpfen und die doppelte Dosis ansetzen. Da stellt sich die berechtigte Frage: Was denn nun? Prof. Berner rät, sich an die abgelaufene S3-Leitlinie „Halsschmerzen“ zu halten, nach der gilt:

  • 50 000 I.E./kgKG/Tag reichen meist aus.
  • Die Behandlungsdauer beträgt in der Regel sieben Tage; zehn Tage nur in schwierigen Einzelfällen.
  • Die Tageshöchstdosis entspricht bei komplizierten Faktoren (z.B. rezidivierenden Infektionen) der von Erwachsenen.
  • Kinder unter drei Jahren leiden nur sehr selten an A-Streptokokken-Pharyngitiden, sodass Behandlungsindikation und Dosisempfehlung denen älterer Kinder entspricht. 

* Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie

Quelle: Berner R. Kinder- und Jugendarzt 2017; 48: 804

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Im Winter und Frühling blühen die Mandeln vieler Kinder. Aber im Rahmen der Antibiose gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen?
Im Winter und Frühling blühen die Mandeln vieler Kinder. Aber im Rahmen der Antibiose gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen? © iStock/bgton