Nachwuchs veganer Mütter droht Unterentwicklung

Dr. Michael Brendler

Gut fürs Rind, schlecht fürs Kind. Gut fürs Rind, schlecht fürs Kind. © fotolia/nd3000

Vegan zu leben, liegt im Trend – sogar bei Schwangeren und stillenden Müttern. Dadurch droht auch ihren Kindern ein Vitamin-B12-Mangel. Mit teilweise fatalen Folgen, wie Münsteraner Pädiater zeigen.

Für guten Rat war die junge Frau nicht zugänglich. Etwas anderes als vegane Kost kam für sie und damit auch für ihren Nachwuchs nicht infrage – trotz aller Überzeugungsversuche der Ärzte. Sogar während der Stillperiode wollte sie das nicht ändern. Als sie mit ihrem Mädchen im Alter von neun Wochen in der kinderneurologischen Ambulanz der Klinik- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Münster auftauchte, hatten sich die Befürchtungen von Dr. Meike Franssen und ihren Kollegen leider erfüllt. Das Baby wies einen klaren Vitamin B12-Mangel auf. Bei veganer Ernährung der stillenden Mutter kein ungewöhnlicher Befund. Denn das von Mikroorganismen gebildete Cobalamin findet sich fast ausschließlich in Lebensmitteln tierischen Ursprungs.

Die junge Frau hatte immerhin, wie empfohlen, den Nährstoff zusätzlich als orales Supplement eingenommen. Woran sie nicht dachte: Neugeborene haben selbst sehr geringe hepatische Vitamin-B12-Reserven. Bleibt der Nachschub durch die Muttermilch aus, kann es schnell zum manifesten Mangel und einem „acquired floppy infant syndrome“ kommen, erklären Dr. Franssen und Kollegen. Das Mädchen in der Münsteraner Ambulanz war lethargisch und in sich zurückgezogen, dazu kamen Anzeichen einer muskulären Hypotonie. Potenziell reicht das Krankheitsbild sogar bis zu encephalopathischen Symptomen und Epilepsie. Oft geht es mit makrozytärer Anämie, Wachstumsstillstand und Hirnatrophie einher.

Ventrikelseptumdefekt und Pulmonalarterienstenose

Fast noch fataler wirkt es sich in der Regel aus, wenn – wie bei einem anderen von den Autoren betreuten Kind – die Versorgung schon in der Schwangerschaft ausbleibt. Die schon lange vegan lebende Mutter wusste nicht, dass ihr und ihrem Nachwuchs ein Mangel drohte. Deshalb hatte sie bloß zu frei verkäuflichen Multivitaminpräparaten gegriffen. Das Neugeborene wies schließlich nicht nur Anzeichen der typischen intra­uterinen Wachstumsretardierung auf, sondern auch Ventrikelseptumdefekt und Pulmonalarterienstenose.

Inaktives Vitamin bestimmen bringt nichts

Die Blutuntersuchung auf Vitamin B12 besitzt nur eine geringe Sensitivität und Spezifität. Die Autoren empfehlen deshalb, Holotranscobalamin in Kombination mit Methylmalonsäure zu bestimmen.

Vermutlich erhöht ein Vit­amin-B12-Mangel in der Schwangerschaft auch das Risiko für Frühgeburten und Neuralrohrdefekte. Die Entwicklung des Nervensystems, Kognition und Motorik werden ebenfalls geschädigt. „Die Veränderungen sind leider nicht immer vollständig reversibel“, schreiben die Pädiater.

Deshalb raten Fachgesellschaft wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sogar ganz von veganer Kost in der Schwangerschaft ab. Setzen Frauen sie dennoch fort, sollten sie den Nährstoff unbedingt supplementieren und die Versorgung regelmäßig überprüfen lassen. Ähnliches gilt für ihre per Muttermilch oder Beikost ernährten Kinder.

Jeder dritte Veganer hat manifesten B12-Mangel

Bestätigt sich der Verdacht, raten die Kollegen aus Münster zu einer mehrtägigen intramuskulären Injektionstherapie (250–1000 µg/d), alternativ sei bei Kindern unter zwei Jahren wahrscheinlich auch eine enteral verabreichte Dosis (1000 µg/d) über vier Monate effektiv.

Wie wichtig diese Ratschläge sind, zeigt eine deutsche Studie: Nur die Hälfte der Veganer nahm entsprechende Supplemente ein. Bei 28 % wurde ein manifester Vitamin-B12-Mangel diagnostiziert. Laut einer anderen Untersuchung benötigen sogar 62 % der sich nicht nur vegan, sondern vegetarisch ernährenden Schwangeren eine Substitution.

Quelle: Franssen M et al. Monatsschr Kinderheilkd 2017; 165: 794-799

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