Neue Entwicklungen beim EGFR-positiven NSCLC

Birgit Maronde

Welcher Therapieweg sich für wen am besten eignet, ist noch zu klären. Welcher Therapieweg sich für wen am besten eignet, ist noch zu klären. © iStock/sittithat tangwitthayaphum

Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom gibt es fast monatsweise Neuigkeiten. Dies betrifft auch die Therapie fortgeschrittener Tumoren mit EGFR-Treibermutation. Stellt sich die Frage nach der besten Behandlungssequenz.

Um eine individualisierte Therapie des fortgeschrittenen NSCLC durchführen zu können, sollte bei jedem betroffenen Patienten eine Immunhistochemie auf PD-L1 erfolgen. Bei Vorliegen eines nicht-squamösen Tumors gilt es, zusätzlich nach Treibermutationen zu suchen, erinnerte Professor Dr. Martin Reck von der LungenClinic Großhansdorf. Lässt sich eine „therapierbare“ Treibermutation nachweisen, ist der Patient entsprechend zu behandeln.

Den Erfolg eines solchen Ansatzes verdeutlichte der Kollege anhand einer Kasuistik: Bei einer 70-jährigen Patientin wurde ein Adenokarzinom im Stadium IV mit einer Exon-19-Mutation im EGFR(Epidermal Growth Factor Receptor)-Gen diagnostiziert. Sie erhielt deshalb einen EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI). Darunter kam es innerhalb weniger Monate zu einer dramatischen radiologischen aber auch klinischen Remission. „Eine Entwicklung, die wir durch eine ungezielte Chemotherapie niemals induzieren können,“ betonte Prof. Reck.

Ohne Biopsie geht nichts

Der erste Schritt zur individualisierten Therapie des NSCLC ist die Materialgewinnung. Sie ermöglicht die
  • Histologie bzw. Zytologie. Anhand der Morphologie wählt man die geeigneten Zytostatika aus und legt fest, was an weiteren Untersuchungen benötigt wird.
  • molekulare Diagnostik. Sie kann sowohl am histologischen wie auch am zytologischen Material durchgeführt werden. Onkogene Alterationen wie die EGFR- oder die BRAF-V600E-Mutation lassen sich damit identifizieren. Der Bedarf an solchen Tests nimmt weiter zu, da immer mehr Targets identifiziert werden, die sich für die Therapie eignen, erklärte Prof. Reck.
  • relativ einfache immunhistochemische Bestimmung der PD-L1-Expression. PD-L1 ist der wichtigste Marker, wenn es um die Immmuntherapie beim fortgeschrittenen NSCLC geht.

Die Remissionsraten unter den „alten“ TKI sind nach Ansicht des Kollegen zweifellos gut, liegen aber nicht bei 100 %. Es gibt daher verschiedene Ansätze, die Effektivität der zielgerichteten Therapie zu verbessern. Einer davon: die Kombination eines EGFR-TKI mit einem Angiogenesehemmer. Präklinische Studien deuteten darauf hin, dass die Resistenzentwicklung gegenüber der Therapie durch die Kombi verzögert werden kann. Zudem sprechen Arbeiten aus Japan für eine verbesserte Wirksamkeit, wenn der TKI Erlotinib mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab kombiniert wird. In der internationalen multizentrischen RELAY-Studie, an der Prof. Reck beteiligt war, führte man die Blockade der Signalwege von EGFR und vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF) mit Erlotinib und Ramucirumab durch.¹

Progressionsfreies Überleben um sieben Monate verlängert

Teilnehmer waren 449 Patienten mit einem NSCLC im Stadium IV (ohne ZNS-Metastasen) und nachgewiesener Mutation im EGFR-Gen (Exon-19-Deletion oder Exon-21-Substitution). Sie erhielten randomisiert 150 mg/d Erlotinib oral plus alle zwei Wochen entweder 10 mg/kgKG Ramucirumab oder Placebo. Im Median betrug die Nachbeobachtungszeit 20,7 Monate. Das progressionsfreie Überleben war unter der dualen Therapie signifikant länger als unter Erlotinib allein (19,4 vs. 12,4 Monate; p < 0,0001). Die Risikoreduktion betrug 41 %. „Wir wissen noch nicht, ob wir an der Gesamtüberlebenszeit etwas verändern,“ sagte Prof. Reck. Klar sei aber, dass man sich die verbesserte Wirksamkeit mit mehr Nebenwirkungen erkaufe. Schließlich hätten die Angiogenesehemmer ein gewisses Toxizitätsprofil (u.a. Hypertonie, Blutungen, Proteinurie, Leberschäden). Welche Patienten für die neue Kombinationstherapie geeignet seien, müsse noch ermittelt werden.

Fortschritte durch TKI der dritten Generation

Ein weiterer Ansatz, die Effektivität der zielgerichteten Therapie zu steigern, sind die Drittgenerations-TKI. Nach Auffassung von Prof. Reck ist besonders Osimertinib interessant. Es hemmt irreversibel EGFR mit aktivierenden Mutationen und mit der TKI-Resistenz-Mutation T790M. In der First-Line-Aura-Studie (FLAURA) trat Osimertinib gegen zwei TKI der ersten Generation an.² 556 Patienten mit bis dahin unbehandeltem NSCLC und EGFR-Mutation erhielten einmal täglich 80 mg des Drittgenerations-TKI oder 150 mg/d Erlotinib oder 250 mg/d Gefitinib. Das progressionsfreie Überleben konnte durch Osimertinib von 10,2 auf 18,9 Monate verlängert werden. Im Hinblick auf ZNS-Metastasen war eine geringere Progression erkennbar. Außerdem zeigten sich unter dem Drittgenerations-TKI eine bessere Verträglichkeit und weniger Therapieabbrüche. Das Gesamtüberleben betrug median 38,6 vs. 31,8 Monate.³ „Nicht ganz so dramatisch, wie wir es erwartet hatten, aber es war ein klarer Unterschied“, kommentierte Prof. Reck. Nach drei Jahren erhielten 28 % in der Osimertinibgruppe und 9 % in der Vergleichsgruppe noch immer ihre Medikation. Unter Nebenwirkungen (≥ Grad 3) litten 42 % versus 47 % der Behandelten. In einigen Gruppen zeigte sich allerdings kein Unterschied. Dies galt z.B. für asiatische Patienten und solche mit Exon-21-Mutation. Diese Ergebnisse bringen den Arzt in eine schwierige Situation, wie Prof. Reck erläuterte. Schließlich gehe es darum, dem Patienten so lange wie möglich eine stabile Lebensqualität und Tumorkontrolle zu verschaffen. Deshalb muss er sowohl die Erstlinientherapie als auch den gesamten Behandlungsverlauf im Blick haben. Und dieser erstreckt sich heute über viele Jahre. Aktuell gibt es zwei Optionen: Der konventionelle Weg sieht vor, die Erstlinientherapie mit einem EGFR-TKI der ersten oder zweiten Generation zu starten. Werden die Patienten nach etwa 18 bis 20 Monaten progredient, lässt sich bei etwa bei jedem Zweiten eine T790M-Mutation nachweisen, die man gezielt mit Osimertinib angehen kann. Das ermöglicht nochmals ein langes Intervall der Therapiekontrolle. Der alternative Weg sieht vor, direkt mit dem im Vergleich zu den Erstgenerations-TKI wirksameren Osimertinib zu beginnen. Zeigt sich darunter eine Progredienz, hat man allerdings ein Problem: Die Mechanismen der Osimertinib-Resistenz sind noch nicht eindeutig definiert, sodass man auch keine spezifische Therapieoption hat. Nach Aussage von Prof. Reck muss erst noch klinisch erarbeitet werden, welche Patienten sich für welchen Therapieweg am besten eignen.

Quellen:
¹ Nakagawa K et al. Lancet Oncol 2019; 20: 1655-1669; DOI: 10.1016/S1470-2045(19)30634-5
² Soria JC et al. N Engl J Med 2018; 378: 113-125; DOI: 10.1056/NEJMoa1713137
³ Ramalingam SS et al N Engl J Med 2020; 382: 41-50; DOI: 10.1056/NEJMoa1913662

Kongressbericht: 16. Pneumologie-Update-Seminar

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Welcher Therapieweg sich für wen am besten eignet, ist noch zu klären. Welcher Therapieweg sich für wen am besten eignet, ist noch zu klären. © iStock/sittithat tangwitthayaphum