Neue Erkenntnisse zum dualen Wirkprinzip

Ulrike Viegener

Tirzepatid scheint ein erfolgsversprechendes Antidiabetikum zu sein. Tirzepatid scheint ein erfolgsversprechendes Antidiabetikum zu sein. © alesmunt – stock.adobe.com

Wie der Effekt von Tirzepatid auf Blutzucker und Körpergewicht exakt zustande kommt, ist zwar noch nicht ganz geklärt. Einen Schritt näher kam man ihm aber nun in tierexperimentellen Studien.

Mit Blick auf Blutzucker- und Gewichtskontrolle wirkt Tirzepatid effektiver als der GLP1-Rezeptoragonist (GLP1-RA) Semaglutid. Diese vielversprechenden Ergebnisse stammen aus ersten klinischen Phase-3-Studien, darunter die kürzlich veröffentlichte SURPASS-2, eine über 40 Wochen laufende Doppelblindstudie an 1.879 Menschen mit Typ-2-Diabetes. Beide Medikamente wurden zusätzlich zu Metformin als subkutane Injektion einmal wöchentlich gegeben.

Als dualer GLP1-RA/GIP-Agonist vereint Tirzepatid die Wirkung der beiden Inkretine GLP1 und GIP. Die in der Dünndarmwand gebildeten Peptidhormone ergänzen sich in ihrer blutzuckerregulierenden Wirkung. Sie stimulieren die Insulinsekretion und hemmen gleichzeitig die Freisetzung von Glukagon.

Eine Forschergruppe um Ricardo­­ Samms­ von den Eli Lilly Research Laboratories in Indianapolis fand jetzt heraus, dass Tirzepatid die Insulinsensitivität auf zwei verschiedenen Wegen erhöht – der eine ist gewichtsabhängig, der andere nicht. Die Forschenden führten eine Versuchsreihe an übergewichtigen, insulinresistenten Mäusen durch. Insulinsensitivität wurde mittels hyperinsulinämischer euglykämischer Clamp-Technik bestimmt. Um den Anteil des GIP-Agonismus an der verbesserten Insulinempfindlichkeit „herauszudestillieren“, untersuchte man die Tirzepatid-Effekte an zwei Typen von insulinresistenten Nagern: an dicken Wildtyp-Mäusen und an dicken Mäusen, denen das Gen für den GLP1-Rezeptor fehlte.

Wird der Rezeptor ausgeschaltet, unterbleibt ein GLP1-Rezeptor-induzierter Gewichtsverlust. Auch in dieser Situation war unter Tirzepatid ein Anstieg der Insulinsensitivität festzustellen. Dieser basierte auf einer verbesserten Glukoseverwertung im weißen Fettgewebe, wie die Forschenden zeigen konnten. Ein langwirksamer reiner GIP-Agonist entfaltete im Tierexperiment eine analoge Wirkung. Im braunen Fettgewebe kam es unter dem Einfluss beider Substanzen zu einer Aufregulation von Genen, die in den Katabolismus von Glukose, Lipiden und verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA) involviert sind. Im Blut nahm die Konzentration von BCAA und Ketosäuren ab. Ein beeinträchtigter BCAA-Katabolismus ist nach aktuellem Verständnis ein pathogenetischer Faktor bei der Entwicklung von Insulinresistenz.

Zukünftiger Topseller

Tirzepatid zählt aktuell im Pharmasektor zu den wirtschaftlich aussichtsreichsten Entwicklungsprojekten weltweit. Mit einem Kapitalwert von geschätzten 12 Milliarden US-Dollar führte der GIP-/GLP1-Agonist im letzten Jahr die „Bestsellerliste“ an, was für ein Antidiabetikum außergewöhnlich ist, da die Spitzenposition in der Regel durch Onkologika oder Immuntherapeutika eingenommen wird. Der Kapitalwert ist eine Kennzahl für die Gewinne, die vo­raussichtlich mit einem in der Entwicklung befindlichen Produkt zu erzielen sind. Tirzepatid wird derzeit in einem umfangreichen Phase-3-Studienprogramm geprüft, wobei neben der Blutzuckerkontrolle auch das Gewichtsmanagement sowie Effekte bei nicht-alkoholischer Steatohepatitis (NASH) im Fokus stehen.

Quelle: Samms RJ et al. J Clin Invest 2021; 131: e146353; DOI: 10.1172/JCI146353

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Tirzepatid scheint ein erfolgsversprechendes Antidiabetikum zu sein. Tirzepatid scheint ein erfolgsversprechendes Antidiabetikum zu sein. © alesmunt – stock.adobe.com