Patienten mit Analfissuren leitliniengerecht behandeln

Dr. Dorothea Ranft

Auch bei chronischen Analfissuren lohnt sich ein konservativer Therapieversuch. Auch bei chronischen Analfissuren lohnt sich ein konservativer Therapieversuch. © Albertinen-Krankenhaus Hamburg/endoskopie-bilder.de

Bei der akuten Analfissur muss man nicht gleich operieren. Die meisten Einrisse heilen auch ohne Skalpell. Sogar chronische Läsionen lassen sich häufig mit einer topischen Behandlung verschließen. In einer neuen Leitlinie beschreiben Proktologen, wie die chemische Sphinkterolyse am besten gelingt und wer doch operiert werden sollte.

Die Analfissur ist eine radiär verlaufende Läsion im Anoderm distal der Linea dentata, deren genauer Entstehungsmechanismus noch nicht geklärt ist. In den meisten Studien wird ein erhöhter Tonus des M. sphincter ani internus als entscheidend angesehen. Primäre Fissuren bilden sich meist an der posterioren Kommissur (6 Uhr in Steinschnittlage), sekundäre manifestieren sich häufig an atypischer Stelle (lateral) oder multifokal. Fast pathognomonisch sind defäkationsabhängige reißende Schmerzen.

Sitzbäder beschleunigen die Heilung nicht

Die chronische Fissur kann von der akuten anhand der Beschwerdedauer (> 6–8 Wochen) und der morphologischen Veränderungen abgegrenzt werden. Für eine chronische Läsion sprechen folgende vier Befunde:

  • hypertrophe Analpapille
  • Vorpostenfalte bzw. Wächtermariske
  • Ulkus mit Randwall
  • freiliegende Fasern des Musculus sphincter internus

Bis zu 90 % der akuten Analfissuren heilen bereits unter konservativer Therapie ab. An erster Stelle steht die Ernährungsumstellung. Empfohlen werden ballaststoffreiche Kost und Nahrungsergänzungsmittel (Flohsamenschalen etc.). Langfristig eingesetzt eignen sich beide Ansätze auch zur Rezidivprophylaxe. Sitzbäder sind bei vielen Patienten beliebt, haben aber keinen Einfluss auf die Abheilung und können Haut­irritationen auslösen.

Zur medikamentösen Therapie der akuten Analfissur empfiehlt die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie die lokale Applikation von Kalziumantagonisten wie Nifedipin. Sie verringern den Einstrom von Kalziumionen in die glatten Muskelzellen, mindern die Kontraktilität und reduzieren so den Sphinktertonus. Als optimale Therapiedauer gelten drei bis acht Wochen. Auch topische Nitrate eignen sich zur Behandlung akuter Läsionen im Anoderm. Sie wirken durch die Freisetzung von Stickstoffmon­oxid muskelrelaxierend und senken so den Ruhedruck des inneren Schließmuskels. Allerdings ist die Evidenz für ihren Nutzen nach Einschätzung der Proktologen geringer.

Häufig eingesetzt werden auch Lokalanästhetika. Sie lindern jedoch nur die Beschwerden, auf die Abheilungsrate haben sie – ebenso wie Steroide – keinen Einfluss. Glukokortikoide bleiben deshalb Patienten mit analen Begleiterkrankungen (z.B. Ekzem) vorbehalten. Von einer Behandlung akuter Fissuren mit Botulinumtoxin raten die Proktologen schon allein aufgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses ausdrücklich ab. Außerdem ist die Applikation oft mit massiven Schmerzen verbunden, die eventuell sogar eine Narkose erfordern.

Patienten mit chronischer Fissur sollte ebenfalls ein konservativer Therapieversuch über sechs Wochen angeboten werden, fordern Dr. Lukas­ Marti­ vom Kantonsspital St. Gallen und der Universitätsklinik Mannheim und Kollegen. Die Erfolgsrate ist zwar geringer als bei der akuten Fissur, aber immerhin die Hälfte der chronischen Läsionen­ verheilt ohne chirurgisches Eingreifen.

Als medikamentöse Erstlinientherapie setzen die Proktologen auch bei chronischen Einrissen auf topische Kalziumantagonisten. Auch in oraler Form sind die Substanzen wirksam. Die Verfasser der Leitlinie bevorzugen jedoch die topische Applikation wegen des günstigeren Verhältnisses von Wirkung und Nebenwirkungen. Häufig gegeben werden Rezepturen mit Nifedipin 0,2 % oder Diltiazem 2 %. Ein Nachteil der Kalziumantagonisten: In Deutschland sind sie bisher nicht für diese Indikation zugelassen, ihre Anwendung erfolgt demzufolge off label.

Auch lokal applizierte Nitrate eignen sich zur Therapie der chronischen Analfissur. Sie erzielen ähnlich hohe Heilungsraten wie Kalziumantagonisten, verursachen aber häufiger Nebenwirkungen, insbesondere Kopfschmerzen (ca. 30 % der Patienten). Für ihren Einsatz spricht die Zulassung für die Indikation.

In hartnäckigen Fällen Botulinumtoxin erwägen

In der konservativen Therapie der chronischen Fissur kann man auch auf anale Dilatatoren zurückgreifen – allein oder kombiniert mit einer medikamentösen Sphinkterolyse. Für eine Leitlinien­empfehlung genügt die aktuelle Evidenzlage jedoch nicht, so die Proktologen. Bei einer Therapieresistenz gegenüber Kalziumantagonisten und chronischen Befunden sei auch der Einsatz von Botulinumtoxin zu erwägen.

Auf ausdrücklichen Patientenwunsch oder bei schwerwiegenden morphologischen Veränderungen bzw. einer Fistel darf die chronische Fissur bereits primär chirurgisch saniert werden. Ansonsten ist eine Operation erst angezeigt, wenn eine sechswöchige Lokalbehandlung mit einem Kalziumantagonisten oder Nitrat nicht zum Ziel geführt hat.

Häufig Stuhlinkontinenz nach Internus-Sphinkterotomie

Als Operation der ersten Wahl empfehlen die Proktologen eine Fissurektomie. Dabei wird die Läsion einschließlich des entzündlichen oder vernarbten Gewebes unter Schonung des Schließmuskels exzidiert. Ergänzend zur Fissur­ektomie oder als Zweitlinientherapie kommt ein Advancement-Flap in Betracht. Dabei wird entweder die anale Mukosa über die Fissurektomie-Wunde mobilisiert oder perianale Haut über die Fissur verschoben.

Kritisch gesehen wird die laterale Internus-Sphinkterotomie: Sie ist zwar mit einer Abheilungsrate von rund 90 % das effektivste OP-Verfahren. Wegen der häufig begleitenden und teils auch schweren Stuhlinkontinenz kommt dieser Eingriff aber nicht mehr als Erstlinientherapie infrage. Falls alle anderen Optionen ausgeschöpft sind, kann sie jedoch in Einzelfällen in Betracht gezogen werden.

Besondere Zurückhaltung ist bei Frauen post partum sowie bei erniedrigtem Sphinktertonus und vorherigen analen Operationen angezeigt. Nicht mehr eingesetzt werden soll die manuelle oder unkontrollierte anale Dilatation. Sie erzielt eine geringere Heilungsrate als die laterale Sphinkterotomie und hat von allen Verfahren die höchste Inkontinenzrate.

Quelle: S3-Leitlinie Analfissur, AWMF-Register-Nr. 081/010, www.awmf.org

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Auch bei chronischen Analfissuren lohnt sich ein konservativer Therapieversuch. Auch bei chronischen Analfissuren lohnt sich ein konservativer Therapieversuch. © Albertinen-Krankenhaus Hamburg/endoskopie-bilder.de
© Albertinen-Krankenhaus Hamburg/endoskopie-bilder.de