Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Analkarzinoms

Dr. Judith Lorenz

Mit mehr als 90 % haben Frauen und Männer etwa gleich häufig HPV-positive Analkarzinome. Bei HIV-Infizierten sind fast alle dieser Tumoren HPV-positiv. Mit mehr als 90 % haben Frauen und Männer etwa gleich häufig HPV-positive Analkarzinome. Bei HIV-Infizierten sind fast alle dieser Tumoren HPV-positiv. © wikimedia/Dr. K.-H. Günther, Klinikum Main Spessart, Lohr am Main (CC BY 3.0)

Bisher gab es keine einheitliche Versorgungs­empfehlung für Patienten mit Analkrebs. In der neuen S3-Leitlinie formulieren nun erstmals Experten aus 26 Fachgesellschaften und Organisationen evidenzbasierte Standards und bieten damit die Grundlage einer optimierten interdisziplinären Versorgung von Betroffenen.

Mit weniger als 5 % aller malignen Tumoren des Gast­rointestinaltraktes (GI)treten Analkarzinome vergleichsweise selten auf. Die Inzidenz dieser Entität beträgt etwa 1–2 pro 100 000 GI-Karzinome. Um Primärdiagnostik, Therapieentscheidung und Nachsorge von Patienten nach einer kurativen Behandlung zu vereinheitlichen, legen Experten unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie nun erstmals eine S3-Leitlinie vor.

Dabei beschränken sich die Kollegen mit ihren Empfehlungen auf das Platten­epithelkarzinom des Analkanals und des Analrandes. Dieses bildet mit 90 % die häufigste histologische Subgruppe. Der Altersgipfel bösartiger Tumoren am Analrand liegt der Leitlinie zufolge in der fünften bis sechsten Lebensdekade, der von Analkanalkarzinomen in der sechsten bis siebten.

Maligne Analrandkarzinome beim Spreizen ganz zu sehen

In gut neun von zehn Fällen rufen persistierende Infektionen mit Humanen Papillomviren (HPV) Analkarzinome hervor, allen voran HPV 16. Sie entwickeln sich in der Regel aus vorbestehenden analen intraepithelialen Neopla­sien (AIN). Maligne Tumoren am Analrand sind unter Spreizung der Nates makroskopisch vollständig sichtbar und liegen mit ihrem überwiegenden Gewebeanteil innerhalb eines Radius von 5 cm um die Linea anocutanea. Analkanal­karzinome dagegen befinden sich mindestens zum Teil so weit im Analkanal, dass man sie auch bei Spreizung der Nates nicht oder nicht vollständig makroskopisch erkennen kann.

Jährliches Screening für HIV-Positive

Um Tumoren möglichst früh zu detektieren, empfehlen die Autoren der Leitlinie, alle HIV-positiven Menschen einmal jährlich auf die Karzinome und ihre Präkanzerosen zu untersuchen. HIV-Negativen mit erhöhtem Tumorrisiko sollten Kollegen ebenfalls regelmäßig ein Screening anbieten, und zwar mindestens alle 36 Monate. Zu diesen Hochrisikopatienten zählen:

  • Frauen, die in der Anamnese HPV-bedingte genitale Dysplasien bzw. Karzinome in Vulva, Vagina oder Zervix aufweisen,
  • stark immunkompromittierte Patienten, z.B. Organtransplantierte,
  • Männer, die Sex mit Männern und häufig Analverkehr mit wechselnden Partner haben.

Besteht ein Tumorverdacht, umfasst die primäre Diagnostik neben einer ausführlichen Anamnese eine körperliche Untersuchung. Der Fokus liegt auf den Leistenlymphknoten und der Analregion. Zudem sind eine proktologische Untersuchung (auch digital-rektal) sowie ggf. Prokto­skopie, Rektoskopie, anale Endosonographie und Kolpo­skopie angeraten. Dabei sollte man Folgendes dokumentieren:

  • Lage des Tumors in Steinschnittposition,
  • maximaler Durchmesser des Karzinoms,
  • perianale und intraanale Ausdehnung,
  • Lagebeziehung zur Linea anocutanea und Linea dentata sowie
  • Beweglichkeit im Hinblick auf eine Infiltration anderer Organe (Sphinkter, Vagina).

Jeder Tumorverdacht ist histopathologisch abzuklären, so die Leitlinienkommission weiter. Analrandkarzinome mit einem Durchmesser von bis zu 2 cm ohne Infiltration des Sphinkterapparats/der benachbarten Organe sollten schon während der Diagnosesicherung R0-exzidiert werden. Nach Möglichkeit erfolgt dies mit einem Sicherheitsabstand von 0,5 cm. Gleiches gilt für Tumoren mit unklarer Histologie oder Nachweis einer High-grade AIN in einer bereits erfolgten Probebiopsie. Als dritte Indikation für eine R0-Exzision nennen die Autoren den Verdacht auf ein Analrandkarzinom mit einem Durchmesser von bis zu 2 cm, ohne Infiltration des Sphinkters oder benachbarter Organe.

Für das Staging kommen MRT, PET/CT und Becken-CT infrage

Besteht der Verdacht auf ein sehr gut mobiles und nicht den Sphinkter­apparat infiltrierendes Analkanalkarzinom mit einem Durchmesser von maximal 2 cm, kann man ebenfalls zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine therapeutische R0-Exzision erwägen. Infiltrierende Analkarzinome dagegen sind lediglich bioptisch-histopathologisch zu sichern.

Neben der klinisch-instrumentellen Untersuchung empfehlen die Fachgesellschaften zum Staging eine auf den Analkanal angulierte MRT des Beckens. Ergänzend sollte eine PET/CT und kann eine Becken-CT erfolgen. Erstere gehört allerdings nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen.

Fernmetastasen lassen sich mittels Thorax- und Abdomen-CT sowie ggf. zusätzlich durch eine Abdomensonographie detektieren. Als Alternative nennen die Autoren wiederum die PET/CT. Da das Analkarzinom zu den Indikatorkonditionen für HIV zählt, sollten betroffene Patienten bei unklarem HIV-Status auf das Virus getestet werden. Frauen profitieren zudem von einer additiven gynäkologischen Untersuchung, inklusive Zervix­karzinomscreening.

Weil Behandlungen mit Zytostatika und radioonkologische Eingriffe mit pelvinem Bestrahlungsfeld die Fruchtbarkeit einschränken können, ist es wichtig, Patienten hierüber und über die Möglichkeiten der Prävention aufzuklären. Mit zeugungs­willigen Männern sollte vor einer kombinierten Radio­chemotherapie eine Asservierung von Spermien diskutiert werden. Prämenopausale Patientinnen gilt es, über den Einfluss auf die Fertilität und über Maßnahmen zu deren Erhalt zu beraten sowie über den potenziellen Eintritt der Menopause.

Die Behandlungsoptionen beim Analkarzinom der Stadien I bis III umfassen der Leitlinie nach:

  • die lokale Exzision,
  • die primäre oder adjuvante kombinierte Radiochemotherapie und
  • die alleinige Radiatio (v.a. bei älteren/multimorbiden Patienten, cave: Empfehlungsgrad 0).

Als Zytostatikakombinationen zur Therapie der Stadien II und III bieten sich Mitomycin bzw. Cisplatin plus 5-Fluorouracil (5-FU) an. Letzteres kann durch Capecitabin ersetzt werden, wenn es mit Mitomycin eingesetzt wird. Eine Induktions- oder Erhaltungschemotherapie lehnen die Experten ab.

Nach kurativer Behandlung fünf Jahre beobachten

Das Ansprechen auf die kombinierte Radiochemotherapie sollte man klinisch-proktoskopisch nach 11, 18 und 26 Wochen evaluieren. Je nach Befund können weitere Bildgebung bzw. eine Biopsie erfolgen. Letzteres jedoch nicht nach einer vollständigen klinischen Response.

War die Behandlung kurativ erfolgreich, folgt eine fünfjährige Nachsorge. Diese schließt neben Anamnese und klinischer Untersuchung – inklusive Leistenpalpation, digital-rektaler Untersuchung sowie Proktoskopie und ggf. Rektoskopie – auch bildgebende Tests ein. Die Autoren nennen dafür MRT des Beckens, Thorax- und Abdomen-CT sowie optional PET/CT.

Anale und perianale Residual- oder Rezidivtumoren nach primärer Radiochemotherapie ohne Nachweis einer Fernmetastasierung sollen laut der Expertenempfehlung in kurativer Intention chirurgisch reseziert werden.

Lymphknotenmetastasen wenn möglich entfernen

Bei residuellen, rezidivierenden oder de novo entstandenen loko­regionären Lymphknotenmetas­­tasen ist nach Möglichkeit eine Resektion der betroffenen Lymphknoten angeraten, ebenfalls in kurativer Absicht. Treten Residual- oder Rezidivtumor im Bereich des Primarius sowie simultan lokoregionäre Lymphknotenmetastasen auf, raten die Autoren zur abdominoperinealen Rektume­xstirpation. Diese kann ggf. mit einer erweiterten multiviszeralen Resektion sowie einer Resektion der betroffenen Lymphknoten erfolgen.

Für Patienten mit einem metastasierten Analkarzinom (Stadium IV) bestehen die Möglichkeiten einer platinbasierten Chemotherapie, einer additiven Lokaltherapie des Primärtumors sowie einer lokalen Metastasenbehandlung.

HPV-Vakzinierung ist für Ältere nicht sinnvoll

Von einer HPV-Impfung mit dem Ziel eines therapeutischen Nutzens raten die Leitlinienautoren ab. Zwar sei die prophylaktische HPV-Impfung mit der bi-, quadri- oder non­avalenten HPV-Vakzine sicher und verhindere bei HPV-naiven Personen sehr effektiv eine Infektion nebst damit assoziierten Läsionen wie Genitalwarzen und Präkanzerosen. Allerdings nimmt die Effektivität der Vakzinierung mit steigendem Lebensalter deutlich ab. Der Grund: Ältere Menschen haben meist schon HPV-Infektionen erworben. In kontrollierten Studien konnten Wissenschaflter für solche Fälle bisher keine therapeutische Wirkung nachweisen. In etwa 80 % der Fälle wird von einer Integration der HPV-DNA in das Genom der Tumorzellen ausgegangen.

Quelle: S3-Leitlinie Analkarzinom (Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Analkanal- und Analrandkarzinomen); AWMF-Register-Nr. 081/004OL; www.awmf.org

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Mit mehr als 90 % haben Frauen und Männer etwa gleich häufig HPV-positive Analkarzinome. Bei HIV-Infizierten sind fast alle dieser Tumoren HPV-positiv. Mit mehr als 90 % haben Frauen und Männer etwa gleich häufig HPV-positive Analkarzinome. Bei HIV-Infizierten sind fast alle dieser Tumoren HPV-positiv. © wikimedia/Dr. K.-H. Günther, Klinikum Main Spessart, Lohr am Main (CC BY 3.0)