Ph+ ALL: Kranielle Bestrahlung nicht mehr nötig?

Josef Gulden

Bei der ALL mit Philadelphia-Chromosom verschmelzen das BCR- und das ABL-Gen. Bei der ALL mit Philadelphia-Chromosom verschmelzen das BCR- und das ABL-Gen. © Science Photo Library/Science Source/Nature‘s Faces

Tyrosinkinasehemmer haben die Therapie der akuten lymphatischen Leukämie mit Philadelphia-Chromosom deutlich verbessert. Laut einer randomisierten Phase-3-Studie punktet Dasatinib dabei gegenüber seinem Vorgänger Imatinib bei ähnlichem Sicherheitsprofil.

Etwa 3–4 % aller Kinder und Jugendlichen mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) weisen in ihren Blasten ein Philadelphia-Chromosom (Ph+) auf. Diese Patienten hatten früher eine deutlich reduzierte Überlebenswahrscheinlichkeit. Sie wurden beinahe routinemäßig mit prophylaktischer Bestrahlung des Gehirns und mit einer allogenen Stammzelltransplantation behandelt.

Die Einführung des Tyrosinkinaseinhibitors Imatinib hat die ereignisfreie Fünf-Jahres-Überlebensrate zwar auf 57 % erhöht, aber nahezu alle Patienten erhielten dennoch eine Radiatio und ein erheblicher Teil auch eine Transplantation. In mehreren nicht-randomisierten klinischen Studien schien Dasatinib, ein Tyrosinkinaseinhibitor der zweiten Generation, die Ergebnisse zu verbessern. Aufgrund erheblicher Unterschiede in den Studiendesigns ließen sich daraus jedoch keine zuverlässigen Schlüsse ableiten.

Keine guten Aussichten

Die Prognose des ereignisfreien Überlebens verschlechterte sich unter folgenden Faktoren:
  • Behandlung mit Imatinib
  • Alter von ≥ 10 Jahren
  • Leukozytenzahl ≥ 100x103/µl bei Diagnosestellung
  • T-Zell-Phänotyp

In 20 großen chinesischen Kliniken wurden daher in einer Phase-3-Studie innerhalb von knapp vier Jahren 189 Patienten mit pädiatrischer Ph+ ALL randomisiert. Zusätzlich zum intensiven Chemotherapieprotokoll nahmen sie täglich entweder 80 mg/m2 Dasatinib (n = 92) oder 300 mg/m2 Imatinib (n = 97) ab der Diagnosestellung bis zum Ende der Konsolidierungstherapie. Eine kranielle Radiatio fand nicht statt, eine allogene Stammzelltransplantation war dagegen erlaubt. Die Forscher um Dr. Shuhong Shen, Laboratory of Pediatric Hematology and Oncology of China Ministry of Health, Shanghai Children’s Medical Center, beobachteten die Patienten median 26,4 Monate lang. Dasatinib schnitt hinsichtlich des ereignisfreien Überlebens mit einer Vier-Jahres-Rate von 71,0 % vs. 48,9 % signifikant besser ab (p = 0,005), ähnlich beim Gesamtüberleben mit 88,4 % vs. 69,2 % (p = 0,04). Das kumulative Vier-Jahres-Risiko für ein Rezidiv lag unter dem Inhibitor der zweiten Generation mit 19,8 % vs. 34,4 % deutlich niedriger (p = 0,01), das kumulative Risiko für ein intrakranielles Rezidiv ebenfalls (8,4 % vs. 2,7 %; p = 0,06). Das kumulative Risiko für Tod unter Remission ähnelte sich aber (5,6 % vs. 4,3 %). Die Regime wurden gut vertragen, schwere Toxizitäten traten zwischen den Armen ähnlich häufig auf. Meist kam es zu Infektionen nach einer Pankreatitis, darunter jeweils fünf fatale in jeder Gruppe. Die Wissenschaftler schreiben die Todesfälle allerdings nicht direkt der verabreichten Therapie zu.

Pilzinfektionen im Auge behalten

Da unabhängig von der Behandlung etwa 7 % der Studienteilnehmer unter sich ausbreitenden Pilzinfektionen litten, raten die Forscher, entweder die Chemotherapie zu reduzieren oder eine Fungizidprophylaxe zu geben. Weiterhin betonen sie, dass in vorherigen Studien geringer dosiertes Dasatinib nicht so gute Effekte erzielte. Offen bleibt zudem die Rolle der allogenen Transplantation in diesem Setting.

Quelle: Shen S et al. JAMA Oncol 2020; 6: 358-366; DOI: 10.1001/jamaoncol.2019.5868

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Bei der ALL mit Philadelphia-Chromosom verschmelzen das BCR- und das ABL-Gen. Bei der ALL mit Philadelphia-Chromosom verschmelzen das BCR- und das ABL-Gen. © Science Photo Library/Science Source/Nature‘s Faces