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Pharmaindustrie als inoffizieller Sponsor der Fußball-Weltmeisterschaft?

Die brisanten Daten zur Arzneimittel-Verordnung bei der letzten Weltmeisterschaft lieferten die Teamärzte persönlich – über ein neues Online-Meldesystem der FIFA*. Anzugeben waren sämtliche Medikamente, die die 736 Fußballspieler innerhalb von 72 Stunden vor einem WM-Match genommen hatten. Auch genutzte Supplemente mussten gemeldet werden, schreiben Chelsea Oester und Kollegen von der FIFA in Zürich.
Das erschreckende Ergebnis: Rund die Hälfte der WM-Teilnehmer (54 %) griff mindestens einmal während des Turniers zur Tablettenschachtel oder Spritze. 39 % dieser Spitzenfußballer nahmen sogar vor jedem Match ein oder mehrere Arzneimittel ein. Am häufigsten kamen mit 38,6 % nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz, gefolgt von Schlafmitteln und Anxiolytika (s. Kasten).
Anteil der Arzneimittel
- NSAR: 38,6 % (davon 49,1 % Diclofenac)
- andere Schmerzmittel (z.B. Paracetamol, Metamizol): 13,8 %
- Schlafmittel und Angstlöser: 13 %
- Injektionen (Lokalanästhetika, Steroide etc.): 1,3 % (davon 74 % Glukose)
- Muskelrelaxanzien: 6,7 %
- β2-Agonisten: 7,1 %
NSAR weder bei Verletzungen noch zur Prophylaxe geeignet
Ähnliche Zahlen werden auch von anderen Sportarten berichtet, aber das ist keine Entschuldigung. Die Autoren sehen diese Praxis sehr kritisch und verweisen auf das Internationale Olympische Komitee (IOC). In seinen Leitprinzipien empfiehlt das IOC, bei Schmerzen jeweils nur einen Wirkstoff zu verordnen – in der niedrigsten Dosis, über einen möglichst kurzen Zeitraum und in Kombination mit nicht-pharmakologischen Maßnahmen. NSAR und andere Analgetika eignen sich weder zur Schmerzprophylaxe noch zur Anwendung bei Verletzungen. Diese Grundsätze wurden während der Weltmeisterschaft 2018 in Russland gründlich missachtet. Ein riskantes Verhalten angesichts der Gesundheitsgefahren, die die häufige Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika für Sportler haben kann. Am bekanntesten sind die gastrointestinalen Komplikationen (Ulkus, Blutung etc.). Nicht minder riskant: die Verschlechterung der Nierenfunktion. Zudem leidet der Knochenstoffwechsel, statt des erhofften WM-Gewinns drohen Frakturen. Diese Risiken sollten auch die Sportler kennen. Möglicherweise hat die Kenntnis der Nebenwirkungen von NSAR bereits das Verordnungsverhalten beeinflusst. Bei der Fußball-WM 2018 in Russland verschrieben die Teamärzte weniger Antiphlogistika – dafür aber mehr Analgetika wie Paracetamol oder Metamizol. Deren Verordnung stieg um 76 %. Diese Zunahme kam teilweise durch kuriose Praktiken zustande: So verabreichte ein Kollege gegen Ende des Turniers allen Spielern vor jedem Match Paracetamol, unabhängig davon, ob sie in der Startelf stehen sollten oder auf der Ersatzbank sitzen. Ins Auge fiel auch die vermehrte Einnahme von Schlaftabletten und Anxiolytika. In den europäischen Teams wurden diese Wirkstoffe 2014 nur 32-mal verschrieben – bei der WM 2018 dagegen 124-mal. Alles nur die Folge eines verbesserten Meldeverfahrens? Die Autoren wundern sich, schließlich war die Akklimatisierung in Russland wegen des geringeren Zeitzonenunterschieds einfacher als vier Jahre zuvor in Brasilien.Sonderregel für Asthma
1311 Supplemente für 736 Spieler verordnet
Ebenfalls weit verbreitet unter den WM-Teilnehmern war die Nutzung von Supplementen wie etwa Vitaminpräparaten. Die Nahrungsergänzungsmittel sollen Mangelzuständen vorbeugen, die Leistung auf dem Spielfeld verbessern und die Regeneration beschleunigen. Die Zahl der Verordnungen kletterte von 930 bei der WM in Brasilien auf 1311 in Russland. Zu den größten Gefahren der Ergänzungsmittel zählt die Verunreinigung mit Wirkstoffen, die auf der Verbotsliste der Welt-Doping-Agentur (WADA) stehen. Dadurch kann es zu einem positiven Dopingtest kommen. Der Fußballer erhält dann ein Spielverbot, obwohl er die bemängelte Substanz nicht mit Absicht eingenommen hat.* Fédération International de Football Association
Quelle: Oester C et al. BMJ Open Sp Ex Med 2019; online first; DOI: 10.1136/bmjsem-2019-000609
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