Praxistaugliche Dialyseempfehlungen

Ass. Prof. PD Dr. med. univ. Markus Pirklbauer, PhD

Je nach Zentrum können unterschiedliche Ansätze zu Elektrolytzielen vorliegen, so beispielsweise zum Natrium. Je nach Zentrum können unterschiedliche Ansätze zu Elektrolytzielen vorliegen, so beispielsweise zum Natrium. © Pitchy – stock.adobe.com

Das intradialytische Elektrolytmanagement ist derzeit uneinheitlich. Wie können praxistaugliche Dialysevorschriften aufgrund der vorliegenden Evidenz aussehen? 

Trotz bedeutender technischer Errungenschaften auf dem Gebiet der Nierenersatztherapie konnte in der jüngeren Vergangenheit kein vergleichbarer Fortschritt im Bereich der elektrolytspezifischen Dialysevorschrift verzeichnet werden, da die dazu notwendigen randomisierten, kontrollierten Outcome-Studien fehlen. Vorhandene Empfehlungen zum intradialytischen Elektrolytmanagement basieren derzeit ausschließlich auf Beobachtungsstudien, pathophysiologischen Überlegungen sowie Expertenmeinungen und sind daher heterogen und zentrumsspezifisch.

Die folgende Übersicht soll praxistaugliche Empfehlungen und die zugrunde liegende Evidenz für die Dialysevorschrift (Kalium, Natrium, Kalzium und Bikarbonat) bei chronischen Hämodialysepatient:innen mit und ohne Elektrolytstörungen darlegen.

Dialysatkaliumvorschrift

Eine Beobachtungsstudie bei über 80.000 inzidenten und prävalenten Hämodialyse (HD-Patient:innen zeigte einen U-förmigen Zusammenhang zwischen prädialytischem Serumkaliumspiegel und der Gesamt- sowie der kardiovaskulären Mortalität [13]. Nach Korrektur für multiple Confounder (Komorbiditäten, Ernährungsstatus, Inflammation etc.) blieb dieses Risiko allerdings nur für Hyperkaliämie signifikant bestehen. Letztere tritt bei Dialysepatient:innen aufgrund eingeschränkter renaler Kaliumausscheidung (u. a. bei reduzierter Nephronanzahl, reduziertem distalen Tubulusfluss, hyporeninämischem Hypoaldosteronismus bzw. medikamentöser Hemmung der Kaliumexkretion) und/oder gestörter Kaliumverteilung zwischen Intra- und Extrazellulärraum (u. a. durch Hemmung der Natrium/Kalium-ATPase-Aktivität bei Malnutrition und chronischer Erkrankung) gehäuft auf [19]. Kalium kann vorwiegend zu Beginn der HD – sowohl durch Konvektion als auch durch Diffusion – aus dem Intravasalraum entfernt werden. Da der Kaliumgradient zwischen Serum und Dialysat die treibende Kraft für den diffusiven Kaliumtransport darstellt, kann Letzterer durch die Wahl der Dialysatkaliumkonzentration maßgeblich beeinflusst werden. Gegen Ende der HD-Sitzung sowie in den darauffolgenden Stunden kommt es typischerweise zu einem erneuten Kaliumanstieg im Serum (Rebound) durch Translokation aus den intrazellulären Speichern. Grundsätzlich erfolgt die Wahl der Dialysatkaliumkonzentration auf Basis der prädialytischen Serumkaliumwerte. Aufgrund fehlender randomisierter, kontrollierter Studien gibt es jedoch weder für Normo- noch für Dyskaliämie einen entsprechenden Konsensus bezüglich der optimalen Vorschrift, und die vorhandenen Empfehlungen sind heterogen und basieren primär auf Expertenmeinungen [6]. Tab. 1 gibt eine Übersicht über die aktuelle klinische Praxis [19]. Bei chronischen Dialysepatient:innen mit persistierender Hyperkaliämie sollten darüber hinaus eine Diätberatung, die Überprüfung der Medikation (RAAS[Renin-Angiotensin-Aldosteron-System]-Hemmer etc.) sowie eine Rezirkulations- bzw. Kt/V-Messung erfolgen, und es sollte der Einsatz von gastrointestinalen Kaliumbindern erwogen werden.

Tab. 1: Dialysatkaliumeinstellung bei chronischen Hämodialyse(HD)-Patient:innen

Prädialyseserumkalium (mmol/l)

Dialysatkalium (mmo/l)

4,0

3 oder 4 (je nach individuellem Trend)

4,1–5,5

2 oder 3 (je nach individuellem Trend)

> 5,5–8,0

2

> 8,0

1 + EKG-Monitoring + 30min K-Checks + Wechsel zu K 2, sobald Serum-K < 7

Optional: rasch repetitive HD-Sitzungen, um Dialysat-K < 3 bei arrhythmiegefährdeten Patient:innen zu vermeiden; K = Kalium

Während manche Dialysezentren bei kardiovaskulären Hochrisikopatient:innen die Dialysatkaliumkonzentration nicht unter 3 mmol/l absenken, verfolgen andere Zentren die Strategie des „konstanten Kaliumgradienten“ mit schrittweiser Senkung des Dialysatkaliums während der HD-Sitzung [14]. Eine kaliumfreie Dialyse wird von den meisten Zentren aufgrund des möglichen Arrhythmierisikos nicht durchgeführt, obwohl die Datenlage diesbezüglich uneinheitlich ist [10]. Eine Assoziation zwischen niedrigem Dialysatkalium und Arrhythmierisiko wurde in Observationsstudien bislang nur bei normokaliämen Dialysepatient:innen beobachtet [12, 22]. Bei hyperkaliämen Dialysepatient:innen sollte hingegen eine ausreichende intradialytische Kaliumentfernung angestrebt werden, um nach dem postdialytischen Kalium-Rebound eine Normokaliämie sicherzustellen [4]. In einer Subgruppenanalyse bei hyperkaliämen chronischen Dialysepatient:innen fand sich keine Assoziation zwischen niedrigem Dialysatkalium und Arrhythmierisiko. Das Mortalitätsrisiko war in diesem Kollektiv auch bei Dialysatkaliumkonzentrationen unter 1 mmol/l nicht erhöht [13]. Es konnte im Gegenteil sogar eine geringere Rate an plötzlichem Herztod in der Gruppe mit niedrigem Dialysatkalium beobachtet werden [11]. Aufgrund dieser Datenlage hat sich jüngst die Empfehlung für den Einsatz niedriger Dialysatkaliumkonzentrationen zur adäquaten Serumkaliumsenkung durchgesetzt. Die klassische „rule of 7“ wird seither wieder für die Wahl des Dialysatkaliums empfohlen: Die Summe aus Serum bzw. Dialysatkalium sollte hierbei gleich 7 mmol/l sein [1].

Auch der intrazelluläre Kaliumspeicher spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Betrachtung des Hyperkaliämiemanagements. Individuelle Unterschiede, Kapazität sowie Funktion betreffend, können das jeweilige Hyperkaliämierisiko bzw. die Toleranz gegenüber rascher Kaliumentfernung aus dem Intravasalraum (Ausmaß und Geschwindigkeit der Translokation) beeinflussen.

Dialysatnatriumvorschrift

Empfehlungen für die Wahl der Dialysatnatriumkonzentration bei chronischen HD-Patient:innen mit normwertigem Serumnatriumspiegel basieren vorwiegend auf pathophysiologischen Überlegungen, limitierten observationellen Studiendaten sowie Expertenmeinungen. In der historischen Betrachtung ist die durchschnittliche Dialysatnatriumvorschrift seit Anfang der 1960er Jahre deutlich angestiegen, von zunächst rund 130 mmol/l auf 138–141 mmol/l Anfang der 2000er Jahre. Aufgrund der fehlenden Outcome-Daten und der zunehmenden heterogenen klinischen Praxis konnte ab 2010 ein weiterer Anstieg der verordneten Dialysatnatriumkonzentrationen im Bereich von 136 – 149 mmol/l im internationalen Vergleich beobachtet werden [7]. Während manche Dialysezentren bei chronischen HD-Patient:innen standardmäßig einheitliche Dialysatnatriumvorschriften – unabhängig von individuellen Serumnatriumkonzentrationen – verwenden, setzen andere Zentren auf eine individualisierte Dialysatnatriumvorschrift, basierend auf individueller prädialytischer Serumnatriumkonzentration, intradialytischem Blutdruckverhalten und Ultrafiltrationstoleranz. Keine der beiden Strategien hat sich bislang als überlegen erwiesen, allerdings konnte in diesem Zusammenhang gezeigt werden, dass – unabhängig von der zentrumspezifischen Strategie –die prädialytischen Serumnatriumspiegel grundsätzlich nicht durch die gewählte Dialysatnatriumkonzentration beeinflusst werden [9, 15]. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass Dialysatnatriumkonzentrationen von mehr als 138 mmol/l auf Populationsebene mit erhöhtem Durstgefühl und intradialytischer Gewichtszunahme assoziiert sind, wohingegen Dialysatnatriumkonzentrationen von weniger als 136 mmol/l eher mit intradialytischer Hypotension und Muskelkrämpfen einhergehen.

Eine große Observationsstudie konnte einen moderaten Überlebensvorteil unter Verwendung tendenziell höherer Dialysatnatriumkonzentrationen bei mild hyponatriämen HD-Patient:innen zeigen [9].

Hyponatriämiemanagement

Die schwere Hyponatriämie (Serumnatrium < 120 mmol/l) ist eine potenziell lebensbedrohende Erkrankung, die mit ausgeprägten neurologischen Komplikationen einhergehen kann. Letztere können auch Folge unzureichender Therapie (zerebrales Ödem) bzw. überschießender Natriumkorrektur bei chronischer Genese (osmotisches Demyelinisierungssyndrom) sein [25]. Bei akuter (< 48 h) Hyponatriämie sollte – analog zum Nichtdialysekollektiv – eine aggressive Korrektur angestrebt werden [2]. Eine konventionelle Dialysebehandlung mit Standarddialysatnatriumeinstellung ist hierfür bei sowohl akuten als auch chronischen Dialysepatient:innen empfohlen (siehe Tab. 2; [19]). Bei schwerer chronischer Hyponatriämie sollte – ebenfalls analog zur Nichtdialysepopulation – bei sowohl akuten als auch chronischen Dialysepatient:innen eine langsame Korrektur von 4 – 8 mmol/l pro 24 h angestrebt werden, um neurologische Komplikationen zu vermeiden [24]. Die Anwendung täglicher kurzer HD-Sitzungen mit niedrigem kalkulierten Blutfluss und niedrigstmöglicher Dialysatnatriumkonzentration (128 – 130 mmol/l) ist eine praxistaugliche Möglichkeit: Der angestrebte Serumnatriumanstieg pro 24 h (in mmol/l), multipliziert mit dem Gesamtkörperwasser (in l, Berechnung z. B. mit Watson-Formel), entspricht der für diesen Anstieg benötigten Natriummenge (in mmol). Teilt man diese Natriummenge (in mmol) durch die Natriumtransferrate (= Serum zu Dialysat Natriumgradient in mmol/l Blutfluss) ergibt sich der benötigte Blutfluss (in l) für den angestrebten Natriumtransfer. Bei kurzer Dialysedauer (z. B. 2 h) errechnen sich Blutflussraten von etwa 50–100 ml/min, welche noch im praktikablen Bereich liegen und einen sicheren Serumnatriumanstieg ermöglichen [29]. Bei hypervolämen Patient:innen kann eine alternierende isolierte Ultrafiltration notwendig sein, um eine adäquate Volumenkontrolle zu erzielen [6].

Tab. 2: Management der schweren Hyponatriämie bei Dialysepatient:innen

Akute schwere Hyponatriämie 
Na < 120 mmol/l 
Beginn < 48h

3% Kochsalzbolus (150 ml i.v.) bei schweren Symptomen (bei Hypervolämie vermeiden)

Rasche Korrektur mittels intermittierender HD (Dialysat-Na: 136–1145 mEq/l)

Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten nicht empfohlen

Chronische schwere Hyponatriämie 
Na < 120 mEq/l 
Beginn > 48h

3% Kochsalzbolus (150 ml i.v.) bei schweren Symptomen (bei Hypervolämie vermeiden

Täglich kurze HD-Sitzungen mit niedrigstmöglichem Dialysat-Na (z.B. 128–130 mmol/l) und niedrigem Blutfluss (50–100 ml/min) 
oder 
Tägliche CVVH mit adaptierter Substitutionslösung („Na kinetic modeling“)

Empfohlene Serum-Na-Korrekturrate: 4–18 mmol/l in 24h

Stündliche Serum-Na-Kontrollen; 5% Glukose (i.v.), falls Korrekturrate überschritten

Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten nicht empfohlen

HD = Hämodialyse, CVVH = kontinuierliche venovenöse Hämofiltration, Na = Natrium

Bei Notwendigkeit einer kontinuierlichen Nierenersatztherapie, z. B. einer kontinuierlichen venovenösen Hämofiltration (CVVH), kann auch hier eine langsame Natriumkorrektur erreicht werden, indem die Standardsubstitutionslösung (Natriumkonzentration: 140 mmol/l) unter Anwendung eines praxiserprobten Natriumkinetikmodells entsprechend adaptiert (d. h. kalkuliert verdünnt) wird [23, 30]. Gleichung 1 errechnet die benötigte Natriumkonzentration im Substitutionsbeutel, um den angestrebten Serumnatriumanstieg in 24 h zu gewährleisten [30]:

Die Na-Dialysance (D) kann je nach CVVH-Modus (Prä- vs. Postdilution) mittels Gleichung 2 bestimmt werden:

Um die errechnete Natriumkonzentration im Substitutionsbeutel entsprechend der obigen Berechnung zu adaptieren, muss Aquadest entsprechend Gleichung 3 zugeführt oder ausgetauscht werden [30]:

Rekalkulation und Anpassung der Natriumkonzentration in der Substitutionsflüssigkeit sind – basierend auf Änderungen des Körpergewichts sowie der Serumnatriumkonzentration – alle 24 h notwendig.

Hypernatriämiemanagement Analog zur oben beschriebenen Anwendung kinetischer Natriummodelle konnten Paquette et al. zeigen, dass kontinuierliche Hämofiltrationsverfahren mit schrittweiser Anpassung der Natriumkonzentration in der Substitutionsflüssigkeit auch zur sicheren Korrektur schwerer Hypernatriämien bei Dialysepatient:innen erfolgreich eingesetzt werden können [18]. Dies ist von klinischer Relevanz, da intermittierende HD-Verfahren bei schwerer Hypernatriämie kontraindiziert sind (maximal einstellbares Dialysatnatrium sollte um nicht mehr als 2 mmol/l unter der aktuellen Serumnatriumkonzentration liegen).

Dialysatkalziumvorschrift

Während niedrige Dialysatkalziumkonzentrationen (z. B. < 1 mmol/l) auf Populationsebene mit erhöhtem Arrhythmierisiko und schlechter Parathormon (PTH)Kontrolle einhergehen, führen höhere Konzentrationen (z. B. > 1,75 mmol/l) über eine exzessive intradialytische Kalziumbeladung zu überschießender PTH-Suppression, adynamer Knochenerkrankung und vaskulärer Kalzifizierung mit entsprechend erhöhtem kardiovaskulären Risiko [16, 27]. Die aktuellen KDIGO(Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-CKD-MBD(Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder)-Leitlinien empfehlen daher, eine Dialysatkalziumkonzentration von 1,25 – 1,5 mmol/l nicht zu überschreiten (kdigo.org). Bei einem relevanten Anteil chronischer HD-Patient:innen kommt es aber auch unter dieser begrenzten Dialysatkalziumkonzentration weiterhin zu intradialytischer Kalziumbeladung. Gotch et al. errechneten, dass bis zu 40 % der chronischen HD-Patient:innen unter Verwendung von 1,25 mmol/l Dialysatkalzium weiterhin eine insgesamt positive Kalziumbilanz aufweisen, wenn man neben der intradialytischen auch die interdialytische Kalziumbilanz (v. a. dietätische Kalziumzufuhr) berücksichtigt [8]. Betrachtet man nur die intradialytische Kalziumbilanz, zeigt sich unter Verwendung von 1,25 mmol/l Dialysatkalzium eine ausgeprägte interindividuelle Variabilität mit Kalziummassenbilanzen von –500 bis +400 mg/ HD-Sitzung [3, 20]. Ursächlich hierfür sind in erster Linie individuelle Unterschiede in der prädialytischen Serumkalziumkonzentration, welche den entscheidenden Faktor für den intradialytischen diffusiven Kalziumtransfer darstellt und maßgeblich durch den Einsatz von Vitamin D und Kalzimimetika beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang konnte auch gezeigt werden, dass die Serumkalziumkonzentration die positiven Kalziumbilanzen nicht adäquat widerspiegelt und somit kein verlässlicher Marker für die jeweilige intradialytische Kalziummassenbilanz ist [5]. Dies wird auf die Existenz eines sog. labilen Kalziumpools im Knochen zurückgeführt, welcher akuten Serumkalziumschwankungen bei Kalziumbeladung rasch entgegenwirkt und dabei unabhängig von hormoneller, intestinaler und renaler Kalziumregulation bzw. zellulärem Knochen-Remodelling ist. Dieses Konzept der akuten Kalziumpufferkapazität [21] konnte mittlerweile mehrfach klinisch bestätigt werden [20], wobei mittels aufwendiger dialysatseitiger Kalziummassenbilanzbestimmung gezeigt werden konnte, dass bis zu 75 % der zugeführten Kalziummenge akut abgepuffert werden. Ob Veränderungen der Kalziumpuffermechanismen zusätzlich zur intradialytischen Kalziumbeladung zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko beitragen, ist derzeit Gegenstand laufender Studien.

Dialysatbikarbonatvorschrift Bei dialysepflichtigen Patient:innen trägt die intradialytische Bikarbonatzufuhr wesentlich zur Korrektur der metabolen Azidose bei, welche mit erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert ist [28]. Dennoch gibt es bislang keine randomisierte, kontrollierte Studie, die den Zusammenhang zwischen Dialysatbikarbonatkonzentration und klinischem Outcome untersucht hat. Aus diesem Grund beruhen sämtliche Empfehlungen für die Dialysatbikarbonatvorschrift auf Beobachtungsstudien. Die konkrete Vorschrift orientiert sich primär an den prädialytischen Serumbikarbonatwerten, der tatsächlich anzustrebende postdialytische Serumbikarbonatwert ist jedoch ebenso unklar wie die Bedeutung der iatrogenen postdialytischen Alkalose. Dennoch empfehlen die NKFKDOQI (National Kidney Foundation’s Kidney Disease Outcomes Quality Initiative)-Guidelines (www.kidney.org) seit Anfang der 2000er Jahre auf Basis observationeller Studiendaten, prädialytische Serumbikarbonatwerte von mehr als 22 mmol/l anzustreben. Diese Empfehlung ging in den Folgejahren weltweit mit deutlich ansteigendem Dialysatbikarbonat (bis 38 mmol/l) einher. Während höhere Serumbikarbonatwerte durchaus positive Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel sowie die PTH-Kontrolle haben, ziehen rezentere Beobachtungsstudien die Sicherheit dieser Empfehlung deutlich in Zweifel, indem diese einen positiven Zusammenhang zwischen der Höhe des Dialysatbikarbonats und der Gesamtsterblichkeit zeigen konnten [26]. Die erhöhte Sterblichkeit war primär infektionsgetrieben, und es waren neben einer erhöhten Rate an Hospitalisierungen aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse auch vermehrt hämodynamische Instabilität, Arrhythmieneigung sowie Weichteilverkalkungen mit steigendem Dialysatbikarbonat zu beobachten. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Dialysatbikarbonatkonzentration nicht mit den prädialytischen Serumbikarbonatwerten korreliert [26]. Aus diesem Grund wird zum aktuellen Zeitpunkt – in Ermangelung einer entsprechend harten Evidenzgrundlage – von einem Überschreiten postdialytischer Serumbikarbonatwerte von 28 mmol/l und damit auch von Dialysatbikarbonatkonzentrationen von mehr als 35 mmol/l abgeraten [17].

Fazit

  • Niedrige Dialysatkaliumkonzentrationen ermöglichen eine adäquate Serumkaliumsenkung und sind bei hyperkaliämen chronischen Dialysepatient:innen nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert.
  • Bei Normonatriämie kann die Verwendung fixer vs. individualisierter Dialysatnatriumkonzentrationen als gleichwertig betrachtet werden.
  • Bei Dialysepatient:innen mit schwerer Hypo- bzw. Hypernatriämie können kontinuierliche Hämofiltrationsverfahren mit schrittweiser Adaptierung der Substituatnatriumkonzentration eingesetzt werden.
  • Bei schwerer Hyponatriämie können alternativ tägliche kurze Dialysesitzungen mit niedrigem Blutfluss und niedrigstmöglichem Dialysatnatrium durchgeführt werden.
  • Intermittierende Dialyseverfahren sind bei schwerer Hypernatriämie kontraindiziert.
  • Empfohlenes Dialysatkalzium von 1,25–1,5 mmol/l führt häufig zu intradialytischer Kalziumbeladung. Dialysatbikarbonat sollte 35 mmol/l nicht übersteigen.

Funding: Open access funding provided by University of Innsbruck and Medical University of Innsbruck

Interessenkonflikt: M. Pirklbauer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Für diesen Beitrag wurden von den Autor:innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.

Quelle: Nephrologie 2023;· 18:131–137; DOI: 10.1007/s11560-023-00632-y
Dieser Artikel wurde unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in: Nierenarzt/Nierenärztin 2/2024

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