RET-Inhibitor überzeugt in Schilddrüse und Lunge

Maria Weiß

Das medulläre Schilddrüsenkarzinom geht von den C-Zellen aus. Es kommt zu Ablagerungen von Calcitonin (Pfeile). Das medulläre Schilddrüsenkarzinom geht von den C-Zellen aus. Es kommt zu Ablagerungen von Calcitonin (Pfeile). © wikipedia/Hellerhoff

Bei einigen Krebsarten treiben Veränderungen im RET-Gen das Tumorwachstum an. Bislang kamen dagegen Multikinasehemmer zum Einsatz, doch ihre Wirkung ist begrenzt und es treten viele Toxizitäten auf. Ein RET-Inhibitor überzeugte in Phase-1/2-Studien beim Schilddrüsenkarzinom sowie beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs.

Schilddrüse

Eine besondere Rolle spielen RET-Mutationen beim medullären Schilddrüsenkarzinom. 25 % dieser Karzinome treten im Rahmen von einem hereditären Syndrom multi­pler endokriner Neoplasien (MEN2A­ und MEN2B) auf, denen eine RET-Mutation in der Keimbahn zugrunde liegt. Aber auch bei den sporadischen Formen weisen etwa 60 % eine somatische RET-Mutation auf. Multikinase-Hemmer wie Vandetanib oder Cabozantinib inhibieren unter anderem RET und wurden bereits beim medullären Schilddrüsenkarzinom eingesetzt. Die Response auf diese Inhibitoren schwankte zwischen 12 % und 65 %. Zudem führten Toxizitäten zu Dosis­reduktion und Therapieabbruch.

RET als onkogener Treiber

Das RET-Protoonkogen ist auf Chromosom 10 lokalisiert und kodiert für eine Transmembran-Rezeptor-Tyrosinkinase. Bei Mutationen oder Fusionen mit anderen Genorten kann es als onkogener Treiber wirken. Die Häufigkeit solcher aktivierender RET-Mutationen und -Fusionen fällt bei verschiedenen Tumorarten sehr unterschiedlich aus.

Jetzt hat der spezifische RET-­Inhibitor Selpercatinib seine Wirksamkeit bei Patienten mit RET-mutiertem medullärem Schilddrüsenkrebs unter Beweis gestellt, wie ein Team um Professor Dr. Lori J. Wirth, Massachusetts General Hospital, Boston, berichtet. Responserate unabhängig von Vortherapien Eingeschlossen in die Studie waren 55 Patienten mit einem RET-mutierten medullären Schilddrüsenkarzinom, die mit Vandetanib und/oder Cabozantinib vorbehandelt worden waren sowie 88 Therapie­naive. Alle erhielten zwei Mal täglich 160 mg Selpercatinib. Von den Vorbehandelten sprachen 69 % auf den RET-Inhibitor an, 9 % mit Komplettremissionen. Von ihnen wiesen nach einem Jahr noch 86 % eine Response auf. Bei 82 % war die Erkrankung in diesem Zeitraum nicht fortgeschritten. Die Ansprechrate der Therapie­naiven belief sich auf 73 % (11 % Komplett­remissionen). Die Response hielt bei 91 % über ein Jahr an, 92 % zeigten zu diesem Zeitpunkt keine Progression. Von den 19 vorbehandelten Teilnehmern mit RET-Fusion und unterschiedlichen histologischen Typen sprachen 79 % auf die Behandlung an, nach zwölf Monaten noch 71 %.

NSCLC

Wesentlich seltener findet man RET-Veränderungen im nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), nur 1–2 % der Betroffenen haben eine RET-Fusion. In der Studie LIBRETTO 001­ erhielten 144 Patienten mit RET-fusionspositivem NSCLC­ zwei Mal täglich 160 mg Selpercatinib, wie Dr. Alexander­ Drilon­ vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und seine Kollegen schreiben. Von den Teilnehmern wiesen 36 % zu Anfang Hirnmetastasen auf. Der RET-Inhibitor soll ZNS-gängig sein. Von 105 stark vorbehandelten Menschen, die mindestens eine platinbasierte Chemotherapie erhalten hatten, sprachen 64 % auf die Therapie an (2 % Komplett­remissionen). Die Response-Dauer belief sich im Mittel auf 17,5 Monate. Die Ansprechrate der 39 Therapienaiven betrug 85 %. Nach sechs Monaten hielt sie noch bei 90 % an. Auch Patienten mit Hirnmetastasen profitierten von der Behandlung – zehn von elf Erkrankten zeigten einen Rückgang der intra­kraniellen Metastasen. Autoren bewerten Toxizität als „niedriggradig“ Die häufigste Nebenwirkung von mindestens Grad 3 war in beiden Studien Bluthochdruck (21 % bzw. 14 %). Weiterhin traten öfter Leberwerterhöhungen und Hypo­natriämien auf. Beim Schilddrüsenkarzinom kam es zudem zu Diarrhö und beim NSCLC zu Lymphopenien. Die Rate an Studienabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen lag in beiden Studien bei maximal 2 %. Die fünf bzw. sechs aufgetretenen Todesfälle führten die jeweiligen Autoren nicht auf das Prüfmedikament zurück. Die meisten Menschen mit RET-verändertem Schilddrüsen- oder Lungenkarzinom können somit anhaltend von Selpercatinib profitieren – bei gleichzeitig „niedriggradiger Toxizität“, wie die Forscher schreiben. Und das unabhängig von vorherigen Behandlungen. Ein genetisches Screening könnte – wie bei anderen genetischen Veränderungen von Tumorzellen – helfen, diese Patienten in Zukunft gezielter zu behandeln.

Quellen:
1. Wirth LJ et al. N Engl J Med 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2005651
2. Drilon A et al. N Engl J Med 2020; DOI: 10.1056/NEJMdo005846

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Das medulläre Schilddrüsenkarzinom geht von den C-Zellen aus. Es kommt zu Ablagerungen von Calcitonin (Pfeile). Das medulläre Schilddrüsenkarzinom geht von den C-Zellen aus. Es kommt zu Ablagerungen von Calcitonin (Pfeile). © wikipedia/Hellerhoff