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Serotonin-Wiederaufnahmehemmer erhöhen wohl die Gefahr für Gehirnblutungen

Schon länger ist bekannt, dass unter der Medikation mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (Selective Serotonin Reuptake Inhibitor, SSRI) vermehrt gastrointestinale Hämorrhagien auftreten. Fraglich blieb bisher jedoch, ob eine solche Gefahr auch für zerebrale Blutungen besteht. Um diese Frage zu klären, werteten Johanna Dirkwinkel und der Psychiater Professor Dr. Tom Bschor aus Berlin aktuelle Übersichtsarbeiten und Fallkontrollstudien aus. Beteiligt waren mehr als 2,1 Mio. Patienten, die ein Antidepressivum neu verschrieben bekommen hatten.
Verglichen mit trizyklischen Antidepressiva war sowohl die Einnahme von SSRI als auch von Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmeinhibitoren (SNRI) sowie Mirtazapin mit einer signifikant vermehrten Neigung zu intrakraniellen Blutungen verbunden. Monoaminooxidase-Hemmer zeigten dagegen ein geringeres Risiko als Trizyklika.
Die Assoziation mit Hämorrhagien führen die Forscher darauf zurück, dass die Serotonin(5HT)-Transporter auch auf den Thrombozyten exprimiert werden. SSRI inhibieren das 5HT-Transportprotein an den Blutplättchen und verringern so deren Aggregation.
Mit den neuen Studien scheint nach Einschätzung der Autoren erstmals gesichert, dass Antidepressiva zu einem vermehrten Auftreten zerebraler Blutungen führen können. Sie betonen allerdings, dass es sich dabei um eine sehr seltene Nebenwirkung handelt. Der absolute Risikoanstieg sei insgesamt gering, wenn auch mit deutlichen Unterschieden.
So sind beispielsweise Patienten gefährdet, die bereits eine zerebrale Hämorrhagie überlebt haben, gleichzeitig orale Antikoagulanzien einnehmen oder an einer Gerinnungsstörung leiden.
Große Studien aus ethischen Gründen nicht machbar
In diesem Kollektiv empfehlen die Autoren deshalb, besonders kritisch abzuwägen, ob eine Therapie mit SSRI bzw. SNRI notwendig ist. Wenn ja, sollten die Betroffenen sorgfältig über das erhöhte Blutungsrisiko aufgeklärt und in die Entscheidung über die Einnahme einbezogen werden. Zwar ist die Gefahr für zerebrale Blutungen unter trizyklischen Antidepressiva geringer, dafür treten vermehrt kardiale Nebenwirkungen auf. Sie sollten deshalb bei diesbezüglich gefährdeten Patienten zurückhaltend eingesetzt werden.
Abschließend räumen die Berliner Kollegen ein, dass die bisherige Datenlage äußerst heterogen und die Datenqualität unbefriedigend ist. Eine randomisierte kontrollierte Studie ließe sich angesichts der dafür benötigten großen Stichprobe und auch aus ethischen Gründen aber sicher kaum durchführen.
Quelle: Dirkwinkel J, Bschor T. Arzneiverordnung in der Praxis 2020; online first
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