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Sniffen, inhalieren, spritzen: Orale Substitution reicht nur bei jedem dritten Opioidabhängigen aus

Laut den Erfahrungen von Dr. Marc Vogel, Oberarzt am Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen der Universität Basel, ist nur ein Drittel der mit Diacetylmorphin (DAM) oral behandelten Patienten mit der Tabletteneinnahme alleine ausreichend substituiert. Darunter seien auch diejenigen, die nie Drogen injiziert haben, erläuterte er. Ebenso viele Opioidabhängige benötigen zusätzlich noch DAM als Injektion und mehr als die Hälfte spritzt ausschließlich.
Ein weiteres Argument für die Verfügbarkeit verschiedener Applikationswege für Substitutionsmittel ist die Altersentwicklung substituierter Patienten: Aktuell liegt das Durchschnittsalter in Basel bei 49 Jahren, 10 % sind über 55 Jahre alt und unter 25-jährige Heroinabhängige gibt es fast nicht mehr. Die zunehmend älter werdenden Patienten haben häufig einen ungünstigen Venenstatus und etwa die Hälfte leidet auch an einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD). Nicht zuletzt deswegen nimmt der Anteil sniffender Opioidabhängiger zu.
Nach einer Befragung kommen mindestens die Hälfte der Substitutionspatienten aufgrund des Venenstatus, einer COPD-Erkrankung oder wegen ihres primären Einnahmewegs für einen alternativen Applikationsweg infrage. Jeder Fünfte gab an, über die DAM-Tabletten hinaus noch zu sniffen – meist DAM-Tabletten, aber auch Straßenheroin. Als subjektive Gründe nannten die Betroffenen, dass sie so ein rascheres Anfluten erreichten, eine Injektion in den Muskel oder die Leiste aufgrund des schlechten Venenstatus ablehnten oder hofften, so zu einer Applikationsform mit geringerem Risiko wechseln zu können.
„Sniffen ist eine gute Option für den notwendigen Kick“
Tatsächlich geht das Sniffen mit einem geringeren Risiko beispielsweise einer Überdosierung einher, insbesondere wenn bei nicht ausreichender Substitution sonst ein Beigebrauch mit Straßenheroin stattfinden würde, betonte Dr. Vogel.
Weitere alternative Applikationswege sind Inhalation (Diaphinzigaretten, Folienrauchen oder Feststoffinhalation) und die nasale und rektale Anwendung. Letztere ist nur schwierig umzusetzen und das Rauchen als Zigaretten funktioniert nicht gut, weil das Opiat teilweise verbrennt. Wenn keine COPD vorliegt, scheint das Folienrauchen geeigneter. In den Niederlanden wird dies schon regelhaft eingesetzt.
Für Dr. Vogel ist derzeit vor allem das Sniffen von DAM-Feststoff eine gute Option, um zusätzlich zur Basissubstitution einen für viele Patienten notwendigen Kick zu erzeugen. Werden keine Alternativen angeboten, endet die Suche der Substituierten nach diesem Kick zu häufig im Straßenheroin und einer damit verbundenen Lebensgefährdung.
Deutschland offen für alternative Applikation
Wie Dr. Markus Riehl, Leiter des Bereichs Betäubungsmittel- und Drogenrecht vom Bundesministerium für Gesundheit, mitteilte, sei mit der Änderung der Substitution in der neuen Betäubungsmittelverordnung der Bereich alternativer Applikationen „zukunftsfähig geöffnet“.
Es gebe keine Einschränkung mehr in der heroingestützten Versorgung nur auf die i.v.-Injektion. Im Gegenteil, betonte Dr. Riehl: „Wir freuen uns, wenn auch feste orale Formen irgendwann in Deutschland angeboten werden, die sicher auch ermöglichen, sie als Pulver zu sniffen oder als Spray oder anders anzuwenden.“
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