So lässt sich die opioidinduzierte Obstipation verhindern

Dr. Alexandra Bischoff

Jeder fünfte Schmerzpatient setzt wegen der Obstipation das Opioid ab. Jeder fünfte Schmerzpatient setzt wegen der Obstipation das Opioid ab. © iStock/Nes

Viele Schmerzpatienten brechen eine Opioidtherapie ab, weil sie stark unter einer Obstipation leiden. Das lässt sich vermeiden, indem man ihnen gleich zu Beginn Laxanzien verordnet. Reichen die nicht aus, sind peripher wirkende µ-Opioidrezeptor-Antagonisten eine Option.

Opioide aktivieren unter anderem µ-Opioidrezeptoren. Im Zentralnervensystem sorgt das für eine Schmerzlinderung. Im übrigen Organismus führt die Aktivierung allerdings oft zu unerwünschten Effekten, insbesondere im Gastrointestinaltrakt. Zu den häufigsten chronischen Nebenwirkungen gehört die opioidinduzierte Obstipation durch verlängerte Passagezeit, spastische Kontraktionen und reduzierte gastrointestinale Sekretion. Die Obstipation entwickelt sich unabhängig von Potenz und Applikationsart des Opioids, schreibt das Team um Sara Nader von der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus Hamburg.

Therapiestudien zufolge beträgt die Inzidenz der opioidinduzierten Obstipation bis zu 41 % und jeder fünfte Schmerzpatient setzt deswegen das Opioid ab. Definitionsgemäß muss für die Diagnose mindestens eines dieser Kriterien erfüllt sein:

  • reduzierte Stuhlfrequenz
  • härtere Stuhlkonsistenz
  • neu auftretendes oder verstärktes Pressen zur Entleerung
  • Gefühl der inkompletten Stuhlentleerung.

Doch die Diagnostik gestaltet sich oftmals nicht einfach, da viele Betroffene zu Therapiebeginn nicht ausreichend über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt wurden und somit keinen kausalen Zusammenhang zwischen ihrer Medikation und den Beschwerden sehen. Deshalb ist es wichtig, die Patienten zu Beginn jeder Behandlung mit Opioiden sowohl über die Möglichkeit als auch die Prophylaxe einer Obstipation aufzuklären. Im Verlauf der Behandlung sollte man außerdem immer wieder nach entsprechenden Symptomen fragen. Einfache Screening-Methoden (Bowel Function Index, Praktische Obstipationsskala, Bristol Stool Form Scale) können ergänzend helfen.

Die Behandlung erfolgt nach einem Stufenschema:

  • Stufe 0: ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Mobilisierung
  • Stufe 1: osmotische Laxanzien (bevorzugt Macrogol), alternativ stimulierende Abführmittel (z.B. Natriumpicosulfat) oder Prucaloprid (Vorsicht bei Darmstenosen); evtl. Suppositorien (z.B. Glycerin) oder Klistiere als zusätzliche Entleerungshilfe
  • Stufe 2: orale PAMORA* (Naloxegol, Naldemedin, retardiertes Naloxon oder bei Oxycodon-Therapie Fixkombination mit Naloxon)
  • Stufe 3: PAMORA subkutan (Methylnaltrexon), PAMORA + Laxanzien/Prucaloprid/Sekretagoga evtl. Opioidrotation

Da eine ballaststoffreiche Ernährung als Prophylaxe der opioidinduzierten Obstipation meist nicht ausreicht, sollten gleichzeitig zur Opioidtherapie Laxanzien verordnet werden. Die neuen PAMORA stellen die einzige kausale Therapie dar und verhindern die unerwünschten peripheren Effekte im Gastrointestinalbereich, ohne die zentrale Wirkung der Analgetika zu beeinflussen.

Peripher wirkende Antagonisten

  • Naloxegol: oral 25 mg, 1 x täglich
  • Methylnaltrexon: subkutan 12 mg, alle 2 Tage, eignet sich eher für die Akutsituation als für eine Langzeittherapie
  • orales, retardiertes Naloxon: kein klassischer Vertreter, wirkt aber durch hohen First-Pass-Effekt überwiegend peripher, in Fixkombination mit Oxycodon im Verhältnis 1:2
  • Naldemedin: zugelassen, aber noch nicht auf dem deutschen Markt erhältlich, oral 0,2 mg, 1 x täglich

Da PAMORA bislang primär in placebokontrollierten Studien untersucht wurden, lässt sich nicht sicher sagen, ob die Substanzen den deutlich kostengünstigeren Abführmitteln wirklich überlegen sind. Die Autoren halten aber die Wirksamkeit in laxanzienrefraktären Fällen für ausreichend belegt. 

* peripher wirkender µ-Opioidrezeptor-Antagonist (Peripherally Acting µ-Opioid Receptor Antagonist)

Quelle: Nader S et al. internistische praxis 2019; 61: 517-523

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Jeder fünfte Schmerzpatient setzt wegen der Obstipation das Opioid ab. Jeder fünfte Schmerzpatient setzt wegen der Obstipation das Opioid ab. © iStock/Nes