Therapie trotz Nebenwirkungen

Manuela Arand

Für das Herz ist es wichtig, dass es seine Medikamente bekommt. Sie sollten daher nicht vorschnell abgesetzt werden. Für das Herz ist es wichtig, dass es seine Medikamente bekommt. Sie sollten daher nicht vorschnell abgesetzt werden. © 9dreamstudio – stock.adobe.com

Hypotonie, Hyperkaliämie und Brady­kardie zählen zu den häufigsten Gründen, an denen die leitliniengerechte Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz scheitert­. Doch das lässt sich verhindern.

Hypotonie

Da die neue ESC-Leitlinie ein schnelleres Vorgehen bei der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion fordert, gewinnen Hypotonien zunehmend Bedeutung. Prädiktoren zeigen, wer besonders hypotoniegefährdet ist, erklärte Professor Dr. James Januzzi, Massachusetts General Hospital, Boston. Seitens des Herzens sind dies niedriger Herzindex und reduziertes Schlagvolumen, seitens der Komorbiditäten vor allem Diabetes mellitus und chronische Nieren­insuffizienz.

Natürlich spielen auch Pharmaka eine Rolle, vor allem Diuretika, die Blut- und Schlagvolumen gleichermaßen senken. Sacubitril/Valsartan, ACE-Hemmer und AT1-Blocker sind notorisch bekannt für das Hypotonierisiko, insbesondere bei volumendepletierten Patienten. Ähnliches gilt für vasodilatierende Betablocker wie Carvedilol. Aldosteronantagonisten wie auch SGLT2-Hemmer wirken dagegen gering auf den Blutdruck. Für alle gilt: Der stärkste Effekt ist mit der niedrigen Anfangsdosis zu erwarten, bei Dosiseskalation passiert dann nicht mehr viel.

Dass Hypotonien im klinischen Alltag häufiger vorkommen als in Studien, liegt nicht zuletzt daran, dass an den Studien die Gesündesten unter den Kranken teilnehmen, meinte Prof. Januzzi. Hypotonieträchtige Begleiterkrankungen und Komedikationen sind oft ausgeschlossen. Als Beispiele nannte er gegen Prostatabeschwerden verordnete Alphablocker, Anticholinergika zur Parkinsonbehandlung und Antidepressiva­.

Gerade für schwer kranke Herzinsuffiziente ist es extrem wichtig, die prognoserelevanten Medikamente auf Zieldosis aufzutitrieren. Die meisten der Wirkstoffe zeigen eine Dosis-Wirkungs-Kurve beim Benefit und ein stärkerer Blutdruckabfall beeinträchtigt den protektiven Effekt nach bisherigem Wissen nicht, betonte der Kardiologe. Ihm zufolge gehören vier Schritte zum intelligenten Hypotoniemanagement (s. Kasten). So sieht es auch der Algorithmus vor, den er zusammen mit weiteren Herzinsuffizenz-Experten im letzten Jahr publiziert hat (s. Link).

Hypotonie-Management in vier Schritten

1. Bestätigung
Blutdruck im Sitzen und Stehen messen und Symptome prüfen. Patienten, die Anzeichen eines Schocks oder einer schweren klinischen Stauung zeigen, gehören unverzüglich stationär aufgenommen. Sonst gilt: „Niedriger Blutdruck ohne posturale oder orthostatische Symptome oder Zeichen der Endorganminderperfusion ist zu monitoren. Aber bitte nicht überreagieren“, so Prof. Januzzi. Er riet zu mehrfachen Druckkontrollen, denn oft lege sich das Problem von selbst. Falls nicht oder falls der Patient posturale oder orthostatische Symptome beklagt, ist der nächste Schritt fällig. 2. Identifikation von hypotoniefördernden Faktoren, die nichts mit der Herzschwäche zu tun haben
 „Lassen Sie den Patienten jede Pillendose und -schachtel mitbringen, die er zu Hause hat, auch rezeptfreie und Nahrungsergänzungsmittel“, riet der Kollege. Das fördert überraschend oft kontraindizierte oder blutdrucksenkende Faktoren zutage. Dann ist zu überlegen, was davon abgesetzt werden kann: der antihypertensiv wirkende Kalziumantagonist? Das Nitrat gegen die pektanginösen Symptome? Der vasodilatierende Alphabocker? Hier kann der Pharmazeut helfen, unerwartete Interaktionen zu entlarven. 3. Adjustierung der Medikation
Vor allem sollte geprüft werden, ob die Schleifendiuretika reduziert werden können, was auch die Niere entlastet. Dazu muss sichergestellt sein, dass der Patient in optimalem Volumenstatus ist. In der Klinik von Prof. Januzzi beispielsweise wird die Schleifendiuretikadosis bei nicht gestauten Patienten empirisch verringert, bevor ein ARNI verordnet wird. 4. Therapie maßschneidern anhand des klinischen Profils
„Eine kleine Dosis aller vier prognoseverbessernden Medikamente ist besser als die Maximaldosis eines einzigen“, betonte der Experte. „Behalten Sie MRA und SGLT2-Hemmer unter allen Umständen an Bord – sie machen wenig am Blutdruck und bringen signifikanten Benefit.“ Bei Hyperkaliämie beispielsweise empfiehlt es sich, als Erstes die MRA-Dosis zurückzuschrauben, bei schweren Arrhythmien (auch in der Anamnese) sollten zunächst ARNI oder ACE-Hemmer niedriger dosiert werden. Steigt der Blutdruck dann an, sollte man eine erneute Auftitration erwägen. Bleibt der Patient hypoton, ist die Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum angezeigt.

Hyperkaliämie

Schwere Hyperkaliämien können das Aus für eine Therapie mit RAS-Inhibitoren (RASi) bedeuten, erinnerte Professor Dr. Shelley Zieroth, University of Manitoba in Winnipeg. Derart starke Kaliumanstiege sieht man zum Glück seltener als moderat erhöhte Serumspiegel, aber sie kommen bei Herzinsuffizienten wesentlich häufiger vor als bei Patienten, die wegen einer anderen Indikation RASi einnehmen – insbesondere wenn zusätzlich chronische Nierenprobleme vorliegen. Dennoch sollten Ärzte sich davor hüten, RAS-Inhibitoren bzw. ARNI** einfach abzusetzen, denn das gefährdet das Patientenleben meist mehr als die Elektrolytentgleisung. Moderne Kaliumbinder wie Natrium-Zirkonium-Cyclosilicat oder Patiromer erleichtern das Management und sollten in die Algorithmen integriert werden, findet Prof. Zieroth. Eine relativ simple, an Serumspiegel und Zieldosis orientierte Strategie hilft, Patienten sicher zu führen:
  • Ist die Zieldosis unterschritten, aber das Kalium im Normbereich, kann der RASi/ARNI unter K+-Monitoring auftitriert werden. Überschreitet der Spiegel 5,0 mmol/l, kann ein Kaliumbinder dazugegeben werden.
  • Bei einem K+-Spiegel zwischen 5,0 und 6,5 mmol/l gehört auf jeden Fall ein Kaliumsenker an Bord. Ein sorgfältiges Monitoring ist angezeigt und die (weitere) Aufdosierung des RASi/ARNI steht erst an, wenn das Serumkalium unter 5,0 mmol/l sinkt.
  • Liegt das K+ über 6,5 mmol/l, wird es Zeit, den RASi/ARNI niedriger zu dosieren oder abzusetzen – natürlich unter sorgfältige Elektrolytkontrolle.
Ob die Grenze fürs Eingreifen bei 5,0 oder 5,5 mmol/l zu ziehen ist, ist umstritten. Unter 5,5 mmol/l macht man mit Zuwarten unter Spiegelkontrolle wohl nichts falsch.

Bradykardien

„Keine Panik“ lautet die Devise, wenn Bradykardien auftreten. Solange die Herzfrequenz nicht unter 50 Schläge pro Minute sinkt oder der Patient bei Frequenzen unter 60/min keine Hypotonie-Symptome entwickelt, kann die Medikation planmäßig weiter auftitriert werden, erklärte Professor Dr. Theresa McDonagh, King’s College London. Das gilt prinzipiell auch für Betablocker. Bei herzschwachen Patienten mit Vorhofflimmern wird es schwierig, die optimale Frequenz festzulegen, weil die Beziehung zu klinischen Endpunkten nicht so linear verläuft wie im Sinusrhythmus. Treten Bradykardien im Sinusrhythmus auf, sollte ein Stopp nicht prognoserelevanter Medikamente erwogen werden, z.B. Ivabradin, Amiodaron oder Digoxin. Liegt die Frequenz unter 50/min, lohnt der Versuch, die Betablockerdosis zu halbieren. Wenn das nicht reicht, sollte der Betablocker abgesetzt und bei anhaltender ausgeprägter Bradykardie ein Schrittmacher erwogen werden, riet Prof. McDonagh. Die Schrittmacher-Indikation folgt den gleichen Prinzipien wie sonst auch. Schwieriger ist es festzulegen, welches Device implantiert und wie es programmiert werden soll. Eine Stimulation des rechten Ventrikels gilt es jedenfalls zu vermeiden, weil dies die Prognose verschlechtert.

Quelle: ESC* Congress 2021 – The Digital Experience

* European Society of Cardiology
** Angiotensinrezeptor-/Neprilysininhibitor

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Für das Herz ist es wichtig, dass es seine Medikamente bekommt. Sie sollten daher nicht vorschnell abgesetzt werden. Für das Herz ist es wichtig, dass es seine Medikamente bekommt. Sie sollten daher nicht vorschnell abgesetzt werden. © 9dreamstudio – stock.adobe.com