Über die Zecke gestolpert

Maria Weiß

Eine systemische Borreliose lässt sich mit der intravenösen Gabe von Ceftriaxon gut in den Griff bekommen. Eine systemische Borreliose lässt sich mit der intravenösen Gabe von Ceftriaxon gut in den Griff bekommen. © Science Photo Library/Abbey, Michael

Ein Mann ohne kardiale Vorerkrankungen und Risikofaktoren entwickelt plötzlich Kurzatmigkeit, Herzstolpern und einen progredienten AV-Block. Der entscheidende Hinweis für die Ärzte: Zwei Monate zuvor hatte ihn etwas gestochen.

Bei der Erstvorstellung fühlt sich der 39-Jährige trotz Dyspnoe, Herzstolpern und unregelmäßigem Puls noch relativ gut. Im EKG sieht man einen AV-Block 1. Grades sowie atriale Extrasystolen. Der Mann bekommt einen niedrig dosierten Betablocker verordnet. Außerdem rät man ihm, am nächsten Tag wiederzukommen.

Die zwei folgenden EKGs zeigen dann einen AV-Block 2. Grades, erst vom Typ Wenckebach, dann vom Typ Mobitz mit 2:1-Überleitung. Die behandelnden Ärzte stoppen aufgrund der Progredienz den Betablocker und veranlassen eine stationäre Aufnahme. Nachts imponieren am Monitor Phasen mit komplettem AV-Block – mit stabilem nodalem Ersatzrhythmus und einer Herzfrequenz von 45/min bei schmalem QRS-Komplex.

Nach der Antibiose beruhigte sich das Herz wieder

Die Bildgebung bleibt unauffällig, weder Echokardiographie noch MRT lassen auf Klappendefekt, Myokarditis, Fibrosen oder Nekrosen schließen, schreiben Dorothea Matthiae und Privatdozent Dr. Charalampos Kriatselis, Klinik für Innere Medizin am Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin.

Was aber hat das Herz so aus dem Rhythmus gebracht? Bei genauem Nachfragen erinnert sich Patient an einen etwa zwei Monate zurückliegenden Stich mit vorübergehender Rötung – möglicherweise von einer Zecke verursacht. Serologisch bestätigt sich eine Borrelieninfektion mit positiven IgG- und IgM-Antikörpern. Auch CRP und Leukozytenzahl liegen oberhalb des Referenzbereichs. Die Diagnose der Kollegen lautet: Lyme-Karditis mit Befall des kardialen Reizleitungssystems.

Unter der intravenösen Antibiose (Ceftriaxon 2 g/d) normalisieren sich die Infektparameter innerhalb von fünf Tagen. Die AV-Überleitung erholt sich zwar langsamer, dennoch vollständig. Es kommt zu keinen weiteren Bradykardien, ein passagerer Schrittmacher erscheint daher unnötig und die Behandlung wird nach Tag 5 ambulant weitergeführt.

Eine Lyme-Karditis entwickelt sich bei einer unbehandelten systemischen Borreliose in 4–10 % der Fälle. Symptome können Dyspnoe, thorakale Schmerzen und Synkopen sein. Borrelien im Myokard verursachen eine lokale Inflammation mit Myo(peri)karditis. Besonders gerne siedeln sich die Bakterien im Bindegewebe der Herzbasis an, wo auch die AV-Knoten sitzen. Grund dafür ist das kardiale Strukturprotein Decorin. Folglich kann ein neu aufgetretener AV-Block das erste Symptom und manchmal auch die einzige Manifestation sein, so die Kardiologen.

Ein vorhergehen­des Erythema migrans um den Stich ist zwar charakteristisch, fehlt aber bei zwei von zehn Patienten. Wichtige Differenzialdiagnosen sind akute Myokardischämie, Myokarditis, bradykardieauslösende Medikamente, Hyperkaliämie und Sarkoidose. Die Lyme-Karditis hat bei antibiotischer Behandlung eine vergleichsweise sehr gute Prognose und hinterlässt in der Regel keine Folgeschäden.

Quelle: Matthiae D, Kriatselis C. Internist 2021; 62: 871-875; DOI: 10.1007/s00108-021-01047-4

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