Lyme-Borreliose: Frühe Therapie verhindert schwere Verläufe und Spätmanifestationen

Dr. Andrea Wülker

Hat die Zecke schon ein paar Stunden am Wirt gesaugt, stehen die Chancen für eine Infektion nicht schlecht. Hat die Zecke schon ein paar Stunden am Wirt gesaugt, stehen die Chancen für eine Infektion nicht schlecht. © iStock/Smileus

Hautveränderungen, neurologische Störungen, Arthritis oder Karditis – das können die Folgen einer Infektion mit Borrelien sein. Etwa ein Prozent der Menschen müssen nach einem Zeckenstich mit einer klinisch manifesten Erkrankung rechnen.

Wie häufig die Lyme-Borreliose in Deutschland ist, weiß man nicht genau. Abrechnungsdaten von Ärzten und Krankenhäusern geben zumindest einen indirekten Einblick: Für rund 214 000 Patienten werden Jahr für Jahr entsprechende Rechnungen gestellt. Verursacher der Erkrankung sind verschiedene Bakterienarten, die zum Komplex der Borrelia burgdorferi sensu lato (Bbsl) gehören. Von den Bbsl-Spezies sind sechs nachweislich menschenpathogen, nämlich B. afzelii, B. garinii, B. bavariensis, B. burgdorferi sensu stricto, B. mayonii und B. spielmanii.

Sie alle können ein Erythema migrans auf der Haut auslösen, heißt es in dem kürzlich aktualisierten Ratgeber „Lyme-Borreliose“ des Robert Koch-Instituts (RKI). B. garinii und B. bavarensis sind mit neurologischen Manifestationen assoziiert, B. afzelii verursacht eine Acrodermatitis atrophicans und die Infektion mit B. burgdorferi sensu stricto kann Gelenkentzündungen zur Folge haben.

Manifestationen der Borreliose in Abhängigkeit vom Krankheitsstadium
Stadium
Hautmanifestation
neurologische Manifestation
andere Manifestation
früh lokalisiert
Erythema migrans; Borrelien-Lymphozytom
früh disseminiert
multiple Erythemata migrantia; multiple Borrelien-Lymphozytomefrühe Neuroborreliose (lymphozytäre Meningitis, Meningoradikulitis, Hirnnervenparesen)Lyme-Karditis; frühe (flüchtige) Lyme-Arthritis; sehr selten Augenbeteiligung
spätAcrodermatitis chronica atrophicans (ACA)späte Neuroborreliose (Enzephalomyelitis; zerebrale Vaskulitis, periphere Neuropathie assoziiert mit ACA)chronische Lyme-Arthritis (Mon-Oligoarthritis)

Lyme-Arthritis oft erst nach Monaten oder Jahren

Die Übertragung der Erreger erfolgt in Mitteleuropa durch den Stich der Schildzecke Ixodes ricinus. In der nüchternen Zecke befinden sich die Borrelien im Darm. Sobald das Tier zu saugen beginnt, wandern die Borrelien in die Speicheldrüsen und gelangen so in den Gestochenen. Damit die Bakterien übertragen werden, muss die Zecke zumindest einige Stunden lang saugen. Die Inkubationszeit nach dem Zeckenstich unterliegt starken Schwankungen und beträgt für das Erythema migrans 3 bis 30 Tage (median 7 bis 10 Tage), für die frühe Neuroborreliose etwas länger. Späte Hautveränderungen wie die Acrodermatitis chronica atrophicans, die Lyme-Arthritis und die späte Neuroborreliose können sich auch erst Monate bis Jahre nach dem Zeckenstich entwickeln.

Antikörpertest bei jeder Manifestation außer Erythem

Die meisten Infektionen mit B. burgdorferi führen nicht zu Krankheitssymptomen. Falls sich eine Erkrankung entwickelt, ist sehr häufig die Haut betroffen (Erythema migrans, Borrelien-Lymphozytom, Acrodermatitis chronica atrophicans). Nervengewebe (frühe und späte Neuroborreliose), Gelenke und Herz (Lyme-Arthritis bzw. -Karditis) sind deutlich seltener involviert.

Während das typische Erythema migrans rein klinisch diagnostiziert wird, sollte bei anderen Manifestationen auf borrelienspezifische Antikörper im Serum und ggf. auch im Liquor getestet werden. Die Autoren empfehlen im ersten Schritt einen Antikörpertest mit ELISA und, falls dieser Test positiv oder grenzwertig ausfällt, im zweiten Schritt einen Bestätigungstest mit Immunoblot. Für die Diagnose Neuroborreliose ist der Nachweis intrathekal gebildeter Antikörper gegen Borrelien in Liquor-Serum-Paaren vom gleichen Tag erforderlich, damit der Antikörperindex bestimmt werden kann. Grundsätzlich gilt, dass eine serologische Diagnostik nur bei ausreichendem klinischem Verdacht durchgeführt werden sollte. Anzucht der Erreger und PCR-Diagnostik sind der Serologie nachgeschaltete und hilfreiche Zusatzverfahren. Der Nachweis von Borrelien in Zecken wird als nicht sinnvoll angesehen.

Zecken notfalls mit dem Fingernagel entfernen

In den ersten Stunden des Zeckenstichs ist das Infektionsrisiko gering. Daher sollte man den Plagegeist umgehend und mit möglichst wenig Manipulation entfernen. Das geht z.B. mit einer Pinzette: Zecke möglichst dicht an der Hautoberfläche fassen, dann langsam und gerade aus der Haut ziehen. Auch mit einer Zeckenkarte oder -schlinge lässt sich das Tier entfernen. Falls kein passendes Instrument zur Hand ist, kann man die Zecke auch mit dem Fingernagel loswerden. Anschließend die Stichstelle möglichst desinfizieren.

Keine generelle prophylaktische Antibiose!

Patienten mit Lyme-Borreliose benötigen eine antibiotische Therapie. Wird die Erkrankung im Frühstadium behandelt, erholen sich die meis­ten Patienten rasch und vollständig. Auf diese Weise lassen sich schwere Verläufe und Spätmanifestationen verhindern. Doxycyclin und Amoxicillin gelten als Mittel der Wahl für die orale Therapie. Alternativ kann auch Cefuroximaxetil oder Azithromycin eingesetzt werden. Für die intravenöse Therapie werden Ceftriaxon, Cefotaxim oder Penicillin G verwendet. Behandelt wird über 10 bis 30 Tage, je nach Art, Dauer und Ausprägung der Manifes­tation. Die Experten des RKI raten von einer generellen prophylaktischen Antibiose nach Zeckenstich ab. Die möglichen gesundheitlichen Vorteile der vorbeugenden Antibiotikagabe gleichen das Risiko von Nebenwirkungen nicht aus.

Quelle: Robert Koch-Institut. Epid Bull 2019; 24: 137-143

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