
Richtige Diagnose der Borreliose

Unnötig ist eine Borreliendiagnostik, wenn der Patient nach einem Zeckenstich mit der klassischen Wanderröte in Ihre Sprechstunde kommt. Dieser Befund ist eindeutig, erklären Dr. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borreliose und Professor Dr. Andreas Sing vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim.1 Allein der Wunsch eines besorgten Patienten, der entweder nur unspezifische Symptome oder einen symptomlosen Zeckenstich aufweist, stellt ebenfalls keine Indikation zur Labordiagnostik dar. Steht allerdings bei entsprechenden Symptomen der Verdacht „Borreliose“ im Raum, sollten Sie nach borrelienspezifischen Antikörpern im Blut suchen.
Generell gilt: Auch wenn das Labor die Immunglobuline findet, leidet ihr Patient nicht automatisch an einer akuten Infektion: In Deutschland entwickeln je nach Wohnort und Alter bis zu 20 % der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens Borrelien-Antikörper. Wenn also charakteristische Symptome fehlen, hat Ihr Patient irgendwann einmal eine Infektion durchgemacht – aber eben nicht jetzt. Daneben können auch bestimmte Virusinfekte, z.B. mit EBV, ähnliche, kreuzreagierende Immunglobuline hervorbringen. In diesen Fällen sind weitere Tests angesagt.
Differenzialdiagnosen
- zirkumskripte Sklerodermie
- Granuloma anulare
- Tinea
- Sarkoidose
- Erythema anulare et diutinum
- Urtikaria-Vaskulitis
Antikörper entstehen drei bis sechs Wochen nach Infektion
Das allein selig machende Diagnoseverfahren existiert übrigens nicht, schreiben die Experten. Sinnvoll ist ein mehrstufiges Vorgehen, bei dem zunächst ein Antikörper-Suchtest mit hoher Sensitivität erfolgt. Nur wenn dieser positiv oder grenzwertig ausfällt, schließt sich der zweite, teurere Test mit höherer Spezifität zur Bestätigung an. Allerdings sollte man beachten, das sich die Antikörper erst ab drei (IgM) bis sechs (IgG) Wochen nach der Infektion bilden. Parallele Tests für die einzelnen Borrelien-Spezies brauchen Sie nicht, so die Experten. Dafür sei die jeweilige Kreuzreaktivität hoch genug. Vermuten Sie eine Neuroborreliose, reicht die Blutuntersuchung nicht aus: In diesem Fall muss Liquor her (mindestens 3 ml). Entscheidend ist aber nicht der absolute Nachweis, sondern das Verhältnis der Antikörperkonzentration in der Zerebrospinalflüssigkeit zu der im Serum. Nur wenn der „antikörperspezifische Index“ über 1,5 liegt, spricht das für eine lokale Produktion und damit für einen ZNS-Befall, schreibt das Team um Dr. Cora Scheerer von der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München.2 Generell deutet ein IgM/IgG-Nachweis auf eine frühe und der dreifache Nachweis zusammen mit IgA auf eine späte Manifestation hin. Hinzu kommen unspezifischere Befunde wie eine Pleozytose mit überwiegend Lymphozyten und ein erhöher Albuminquotient als Zeichen für die gestörte Blut-Hirn-Schranke. Bei Kindern ist die Antikörperproduktion im Liquor bei früher Neuroborreliose meist noch nicht ausgebildet und deshalb diagnostisch eher ungeeignet. Eine Infektion kann über einen negativen CXCL13-Test (Sensitivität 96 %, Spezifität 94 %) ausgeschlossen werden. Allerdings bildet der Körper das Chemokin auch bei Neurosyphilis oder zerebralem Lymphom. Der direkte Nachweis der Erreger in der Kultur oder über eine PCR ist nur in Ausnahmefällen nötig, erklären Dr. Fingerle und Prof. Sing. Oder wenn es sich um diagnostisch unklare Fälle handelt. Halten Sie ein entsprechendes Verfahren für angebracht, können Ihnen ausgewiesene Speziallabore weiterhelfen, z.B. das Nationale Borrelien-Referenzzentrum. Alle Proben sollten vor Therapiebeginn entnommen werden. Wegen der geringen Erregerzahl empfehlen die Experten außerdem, steril zu arbeiten, möglichst viel Material zu gewinnen und das Ganze zügig (innerhalb von 24 Stunden) zu verschicken. Auf Kühlung kann man dabei verzichten.Derzeit nicht empfohlen
- Borrelien direkt per Lichtmikroskop oder Immunhistochemie aus Patientenmaterial oder der Zecke selbst nachweisen
- ohne klinischen Zusammenhang eine mikrobiologische Diagnostik oder einen Koinfektionstest ansetzen
- Lymphozyten-Transformationstest (LTT) oder Lymphozyten-Aktivierungstest (ELISPOT)
- HLA-Typisierung, Test auf erniedrigte Lymphozyten-Spiegel (CD57+/CD3-)
- Urin-PCR-Diagnostik
- Antikörper aus Immunkomplexen nachweisen
- Borrelien-Antigen-Nachweis
Neuroborreliose maximal drei Wochen lang behandeln
Als Medikament der Wahl bei gesicherter Diagnose gilt Doxycyclin (200 mg/d). Alternativ kommt Amoxicillin infrage, z.B. in der Schwangerschaft (dreimal 500–1000 mg/d) oder bei Kindern unter acht Jahren (50 mg/kgKG). Hat der Patient eine Penicillinallergie oder Unverträglichkeiten, können Sie zu Cefuroxim, Ceftriaxon, Cefotaxim, Azithromycin und bei Nicht-Schwangeren zu Clarithromycin greifen. Behandelt wird:- 10–14 Tage bei lokalen Hautmanifestationen (bei Azithromycin: 5–10 Tage)
- 14–21 Tage bei disseminierten frühen Hautmanifestationen
- 30 Tage bei Acrodermatitis chronica atrophicans (mit Doxycyclin oder Amoxicillin)
Quelle:
1. Fingerle V, Sing A. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 29-34; DOI: 10.1055/a-0793-4544
2. Scheerer C et al. A.a.O.: 19-28; DOI: 10.1055/a-0793-4513
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).