Richtige Diagnose der Borreliose

Dr. Elke Ruchalla

Nicht bei jedem Patienten mit Zeckenstich muss nach spezifischen Antikörpern gesucht werden. Nicht bei jedem Patienten mit Zeckenstich muss nach spezifischen Antikörpern gesucht werden. © iStock/frank600

Das klinische Bild der Borreliose kann verwirren: Nicht immer tritt nach einem Zeckenstich das typische Erythema migrans auf, zugleich deuten nicht alle Kopfschmerzen auf eine Neuroborreliose.

Unnötig ist eine Borrelien­diagnostik, wenn der Patient nach einem Zeckenstich mit der klassischen Wanderröte in Ihre Sprechstunde kommt. Dieser Befund ist eindeutig, erklären Dr. Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borreliose und Professor Dr. Andreas Sing vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim.1 Allein der Wunsch eines besorgten Patienten, der entweder nur unspezifische Symptome oder einen symptomlosen Zeckenstich aufweist, stellt ebenfalls keine Indikation zur Labordiagnostik dar. Steht allerdings bei entsprechenden Symptomen der Verdacht „Borreliose“ im Raum, sollten Sie nach borrelien­spezifischen Antikörpern im Blut suchen.

Generell gilt: Auch wenn das Labor die Immunglobuline findet, leidet ihr Patient nicht automatisch an einer akuten Infektion: In Deutschland entwickeln je nach Wohnort und Alter bis zu 20 % der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens Borrelien-Antikörper. Wenn also charakteristische Symptome fehlen, hat Ihr Patient irgendwann einmal eine Infektion durchgemacht – aber eben nicht jetzt. Daneben können auch bestimmte Virusinfekte, z.B. mit EBV, ähnliche, kreuzreagierende Immunglobuline hervorbringen. In diesen Fällen sind weitere Tests angesagt.

Differenzialdiagnosen

  • zirkumskripte Sklerodermie
  • Granuloma anulare
  • Tinea
  • Sarkoidose
  • Erythema anulare et diutinum
  • Urtikaria-Vaskulitis

Antikörper entstehen drei bis sechs Wochen nach Infektion

Das allein selig machende Diagnoseverfahren existiert übrigens nicht, schreiben die Experten. Sinnvoll ist ein mehrstufiges Vorgehen, bei dem zunächst ein Antikörper-Suchtest mit hoher Sensitivität erfolgt. Nur wenn dieser positiv oder grenzwertig ausfällt, schließt sich der zweite, teurere Test mit höherer Spezifität zur Bestätigung an. Allerdings sollte man beachten, das sich die Antikörper erst ab drei (IgM) bis sechs (IgG) Wochen nach der Infektion bilden. Parallele Tests für die einzelnen Borrelien-Spezies brauchen Sie nicht, so die Experten. Dafür sei die jeweilige Kreuzreaktivität hoch genug. Vermuten Sie eine Neuroborreliose, reicht die Blutuntersuchung nicht aus: In diesem Fall muss Liquor her (mindestens 3 ml). Entscheidend ist aber nicht der absolute Nachweis, sondern das Verhältnis der Antikörperkonzentration in der Zerebrospinalflüssigkeit zu der im Serum. Nur wenn der „antikörperspezifische Index“ über 1,5 liegt, spricht das für eine lokale Produktion und damit für einen ZNS-Befall, schreibt das Team um Dr. Cora Scheerer von der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München.2 Generell deutet ein IgM/IgG-Nachweis auf eine frühe und der dreifache Nachweis zusammen mit IgA auf eine späte Manifestation hin. Hinzu kommen unspezifischere Befunde wie eine Pleozytose mit überwiegend Lymphozyten und ein erhöher Albuminquotient als Zeichen für die gestörte Blut-Hirn-Schranke. Bei Kindern ist die Antikörperproduktion im Liquor bei früher Neuroborreliose meist noch nicht ausgebildet und deshalb diagnostisch eher ungeeignet. Eine Infektion kann über einen negativen CXCL13-­Test (Sensitivität 96 %, Spezifität 94 %) ausgeschlossen werden. Allerdings bildet der Körper das Chemokin auch bei Neurosyphilis oder zerebralem Lymphom. Der direkte Nachweis der Erreger in der Kultur oder über eine PCR ist nur in Ausnahmefällen nötig, erklären Dr. Fingerle und Prof. Sing. Oder wenn es sich um diagnostisch unklare Fälle handelt. Halten Sie ein entsprechendes Verfahren für angebracht, können Ihnen ausgewiesene Speziallabore weiterhelfen, z.B. das Nationale Borrelien-Referenzzentrum. Alle Proben sollten vor Therapiebeginn entnommen werden. Wegen der geringen Erregerzahl empfehlen die Experten außerdem, steril zu arbeiten, möglichst viel Material zu gewinnen und das Ganze zügig (innerhalb von 24 Stunden) zu verschicken. Auf Kühlung kann man dabei verzichten.

Derzeit nicht empfohlen

  • Borrelien direkt per Lichtmikroskop oder Immunhistochemie aus Patientenmaterial oder der Zecke selbst nachweisen
  • ohne klinischen Zusammenhang eine mikrobiologische Diagnostik oder einen Koinfektionstest ansetzen
  • Lymphozyten-Transformationstest (LTT) oder Lymphozyten-Aktivierungstest (ELISPOT)
  • HLA-Typisierung, Test auf erniedrigte Lymphozyten-Spiegel (CD57+/CD3-)
  • Urin-PCR-Diagnostik
  • Antikörper aus Immunkomplexen nachweisen
  • Borrelien-Antigen-Nachweis

Neuroborreliose maximal drei Wochen lang behandeln

Als Medikament der Wahl bei gesicherter Diagnose gilt Doxycyclin (200 mg/d). Alternativ kommt Amoxicillin infrage, z.B. in der Schwangerschaft (dreimal 500–1000 mg/d) oder bei Kindern unter acht Jahren (50 mg/kgKG). Hat der Patient eine Penicillinallergie oder Unverträglichkeiten, können Sie zu Cefuroxim, Ceftriaxon, Cefotaxim, Azithromycin und bei Nicht-Schwangeren zu Clarithro­mycin greifen. Behandelt wird:
  • 10–14 Tage bei lokalen Hautmanifestationen (bei Azithromycin: 5–10 Tage)
  • 14–21 Tage bei disseminierten frühen Hautmanifestationen
  • 30 Tage bei Acrodermatitis chronica atrophicans (mit Doxycyclin oder Amoxicillin)
Eine Neuroborreliose behandeln Dr. Scheerer und Kollegen ebenfalls mit Doxycyclin, Ceftriaxon, Cefotaxim oder alternativ Penicillin G. Therapiert wird 14 Tage bei früher, bzw. 14–21 Tage bei später Manifestation. Ein Weiterführen über diesen Zeitraum hinaus bringt den Patienten keinen Vorteil was Kognition oder Lebensqualität betrifft, betonen die Experten. Die Prognose ist auch bei Neuroborreliose gut. Für Symptomkomplexe wie die „chronische Borreliose“, also eine persistierende oder latente Infektion, die unspezifische Beschwerden wie anhaltende Erschöpfung, Stimmungsschwankungen oder kognitive Störungen ohne klinische oder Liquorbefunde verursacht, gebe es keine Belege. Gleiches gelte für ein „Posttreatment-Lyme-Disease-Syndrom­“.

Quelle:
1. Fingerle V, Sing A. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 29-34; DOI: 10.1055/a-0793-4544
2. Scheerer C et al. A.a.O.: 19-28; DOI: 10.1055/a-0793-4513

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