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Vorsicht mit Anticholinergika

In einer alternden Gesellschaft kommt es infolge zunehmender Morbidität häufig zu einer Polypharmazie. Ältere Menschen, die viele verschiedene Medikamente einnehmen, leiden jedoch in einem hohen Prozentsatz (bis über 90 %) unter Nebenwirkungen. Zu den am meisten verordneten Substanzen gehören anticholinerg wirkende Medikamente. Dr. Wei-Ching Huang vom Institut für klinische Pharmakologie der National Cheng Kung Universität in Tainan, Taiwan, und Kollegen haben das anticholinerge Potenzial der eingenommenen Arzneimittel im Zusammenhang mit kardiovaskulären Ereignissen untersucht.
Für ihre Analysen konnten die Forscher auf die nationale Datenbank der Krankenversicherungen zurückgreifen und so letztlich 248.579 Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 78,4 Jahren einschließen. Alle Patienten mussten aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses stationär aufgenommen worden sein. Hierzu zählten unter anderem Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen sowie kardiovaskulärer Tod.
Die Forscher berechneten die anticholinerge Last
Zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten mit anticholinerger Wirkung gehörten Antihistaminika (69 %), gastrointestinale Spasmolytika (41 %) sowie Diuretika (34 %). Anhand der bestehenden Vormedikation berechneten die Forscher die sogenannte anticholinerge Last der Medikamente. Hierzu vergaben sie Punkte für das Ausmaß einer anticholinergen Nebenwirkung: von 0 (keine anticholinerge Wirkung) bis ≥ 3 (hohes Potenztial für anticholinerge Nebenwirkungen). Den Punktwert multiplizierte man dann mit der Anzahl der Medikamente. Die anticholinerge Last wurde zum einen innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen vor dem Indexereignis (Indexzeitraum), zum anderen in einer anderen 30-Tage-Periode im Zeitraum von 60 bis 180 Tagen vor dem Ereignis (Referenzzeitraum) bestimmt.
Es stellte sich heraus, dass die anticholinerge Last im Indexzeitraum, also kurz vor dem Ereignis, höher war als die in länger zurückliegenden Zeiten. Ein weiterer Vergleich fand zwischen zwei Gruppen statt, wobei in der zweiten Gruppe das kardiale Ereignis erst innerhalb von 60 bis 180 Tagen nach dem Index-Ereignis von Gruppe 1 stattfand. Bei diesem Vergleich war der Unterschied nicht ganz so ausgeprägt, aber vorhanden.
Letztlich kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen einer kürzlich gesteigerten anticholinergen Last und einem erhöhten Risiko akuter kardiovaskulärer Ereignisse. Je ausgeprägter dieser Anstieg war, desto größer das Risiko. Dass es sich dabei um einen kausalen Zusammenhang handelt, halten die Autoren zumindest für wahrscheinlich. In jedem Fall sollten die Ergebnisse dieser Studie dazu führen, anticholinerge Effekte von Medikamenten zu beachten und sie älteren Menschen möglichst nicht zu verordnen.
Quelle: Huang WC et al. BMJ 2023; 382: e076045; DOI: 10.1136/bmj-2023-076045
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