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Arteriosklerose: Bei erektiler Dysfunktion kardiovaskuläre Erkrankungen ausschließen

Stellt sich ein Patient mit erektiler Dysfunktion (ED) in der Praxis vor, muss man der Potenzstörung nicht nur mittels eingehender Anamnese, standardisierten Fragebögen sowie umfangreichen körperlichen, hormonellen und neurologischen Untersuchungen auf den Grund gehen. Zwingend nötig ist auch eine kardiologische Abklärung, wie die Urologin Dr. Angelika Kaminsky vom Klinikum Maria Hilf in Mönchengladbach und Kollegen betonen.
Meist spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Neben Psyche und Nervenschäden sorgen vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen für mangelnde Standkraft: Durch Dysfunktion des Gefäßendothels kommt es im Genitalbereich zu einer reduzierten Mikrozirkulation und damit zu einer unzureichenden Blutzufuhr.
Antihypertensiva können die Potenz verschlechtern
Oft ist eine ED das erste Zeichen einer kardiovaskulären oder metabolischen Erkrankung. Etwa jeder siebte Mann, der wegen einer ED zum Arzt geht, hat eine bis dahin nicht diagnostizierte koronare Herzerkrankung. Ca. 20–40 % aller ED-Patienten weisen eine Hypertonie, zu hohe Blutfette oder beides auf. Zudem treten Herzinfarkte zu 80 % häufiger auf als bei Männern ohne Erektionsprobleme. Umgekehrt haben etwa zwei Drittel der männlichen Herzinfarktpatienten eine ED, nach einer Bypass-Operation sind es immer noch mehr als die Hälfte.
Zusätzlich problematisch: Medikamente wie Betablocker oder andere Antihypertensiva können eine ED verursachen. Nehmen die Patienten ihre Präparate aus diesem Grund nur noch unregelmäßig, kann das die Potenz weiter verschlechtern. Daher benötigen Betroffene eine qualifizierte urologische oder andrologische Beratung – und einen kardiologisch versierten Kollegen, der sich dieser Probleme annimmt.
Weitere Risikofaktoren für Erektionsstörungen sind ein Body-Mass-Index ab 23 kg/m² und ein Bauchumfang von mehr als 94 cm. Fast die Hälfte der Ü50-Patienten mit einer moderaten bis schweren ED hat gleichzeitig ein metabolisches Syndrom. Wichtig: In seltenen Fällen verursacht ein Prolaktinom die erektile Dysfunktion. Zum Ausschluss sollte man unbedingt den Prolaktinspiegel bestimmen.
Je nach Ursache der Potenzstörung sind unterschiedliche Therapieansätze notwendig. So hilft zum Beispiel der Hälfte der Männer mit Schlafapnoe schon eine CPAP*-Therapie. Bei psychogener ED ist eine Sexualtherapie die erste Option. Sie kann eine somatische Behandlung ergänzen. Der Arzt sollte dem Patienten die Indikation, die Ziele und den Ablauf der Sexualtherapie erläutern und nach Möglichkeit den entsprechenden Kontakt herstellen. Einen geeigneten Therapeuten zu finden, stellt nach Einschätzung der Autoren die größte Schwierigkeit dar.
Medikamentös bieten sich als Erstlinientherapeutika die 5-Phosphodiesterasehemmer (PDE-5-Hemmer) Sildenafil, Vardenafil, Avanafil und Tadalafil an. Sie dürfen allerdings nur bei geringem kardialem Risiko verordnet werden. Davon ist auszugehen, wenn der Patient Tätigkeiten ohne Beschwerden ausführen kann, symptomfrei ist, weniger als drei Risikofaktoren für koronare Erkrankungen aufweist (das männliche Geschlecht ausgenommen) und eine gut eingestellte beziehungsweise milde Herz- oder Kreislauferkrankung hat. Zudem dürfen im letzten halben Jahr vor Therapiebeginn weder Herzinfarkt, Schlaganfall noch Arrhythmien aufgetreten sein und der Patient muss über eine ausreichende Leber- und Nierenfunktion verfügen.
Nach Herzinfarkt sechs Monate PDE-5-Hemmer-Pause
Da sie die Gefäße erweitern, können PDE-5-Hemmer in Kombination mit Nitraten zu enormen Blutdruckabfällen führen. Daher ist eine Behandlung mit entsprechenden Präparaten, während der Einnahme von Sildenafil und ähnlichen Mitteln und bis zu 48 Stunden danach absolut kontraindiziert – auch im Notfall. Die gleichzeitige Verwendung von Alphablockern kann ebenfalls zu hypotonen Krisen führen. Zudem führen Medikamente, die das Enzym Cytochrom P34 hemmen, zur Kumulation von PDE-5-Inhibitoren. Induktoren des Enzyms beschleunigen dagegen deren Abbau.
Die Gefahr, beim Geschlechtsverkehr ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, ergibt sich grundsätzlich allein über die Anstrengung beim Akt. Die jedoch ist überschaubar: Sie liegt nicht höher als beim Treppensteigen über zwei Stockwerke und treibt Blutdruck sowie Puls selten über 170 mmHg beziehungsweise 130 Schläge pro Minute.
Kommen PDE-5-Hemmer nicht infrage, bietet insbesondere das Prostaglandin Alprostadil, auf die Eichel oder intraurethral appliziert, eine Alternative in der First-Line-Therapie. Alprostadil gibt es auch zur intrakavernösen Injektion. Mit einer Erfolgsrate von bis zu 70 % spielt diese Applikationsform in der Zweitlinientherapie eine Rolle. Bekannte Überempfindlichkeit, Priapismusneigung und Gerinnungsstörungen gelten als Kontraindikationen. Bei kardial Vorerkrankten ist insbesondere auf orale Antikoagulation und Plättchenhemmung zu achten, schreiben die Kollegen.
Für Männer mit hohem kardialem Risiko ist aber jede ED-Therapie zu viel. In diese Kategorie fallen z.B. Patienten mit einem Herzinfarkt in den letzten beiden Wochen, nicht eingestellter Hypertonie oder moderater bis schwerer Klappenerkrankung. Sie sollten komplett auf sexuelle Aktivitäten verzichten – bis sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert hat.
* Continuous positive airway pressure
Quelle: Kaminsky A et al. internistische praxis 2020; 62: 1-10
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