Wann müssen Divertikel behandelt werden?

Dr. Angelika Bischoff

Bei mehr als jedem Zweiten über 70 Jahre entdeckt man bei der Koloskopie Divertikel. Bei mehr als jedem Zweiten über 70 Jahre entdeckt man bei der Koloskopie Divertikel. © Immanuel Albertinen Diakonie/endoskopiebilder.de

Divertikel können sich an verschiedenen „Schwachstellen“ im Gastrointestinaltrakt ausbilden. Meist findet man sie zufällig. Klinisch relevant werden sie, wenn Beschwerden wie Dysphagie und Schmerzen oder Komplikationen wie Entzündung, Blutung oder Perforation auftreten.

Divertikel kommen vor allem im Kolon vor. Mit dem Alter nimmt ihre Häufigkeit zu, bei über 70-Jährigen findet der Endoskopiker sie in 60 % der Fälle. Deutlich seltener ist der Dünndarm betroffen und noch seltener Magen oder Speiseröhre.

Entsprechend der Pathogenese unterscheidet man Pulsionsdivertikel, auch Pseudodivertikel genannt, von Traktionsdivertikeln. Pulsionsdivertikel entstehen, weil die Schleimhaut aufgrund eines erhöhten intraluminalen Drucks durch die Muskelschicht prolabiert. Typische Beispiele dafür sind das Zenker- und das seltenere Killian-Jamieson-Divertikel, die beide im Bereich des oberen Ösophagussphinkters aufgrund einer Druck­erhöhung im Hypopharynx auftreten. Zu den Pulsionsdivertikeln gehören auch die epiphrenischen Divertikel am distalen Ende der Speiseröhre oberhalb des distalen Sphinkters.

Stau in der Speiseröhre

Entzündungen der submukösen exkretorischen Drüsen im Ösophagus bedingen die intramurale Pseudodivertikulose. Dabei finden sich zahlreiche kleine intramurale Ausstülpungen durch Dilatation der Drüsenausführungsgänge. Daraus kann sich eine segmentale Entzündung mit Stenosierung entwickeln. Die Patienten leiden häufig unter Dysphagie und Schmerzen. Auch können ihnen leicht Bissen in der Speiseröhre stecken bleiben. Von einer intramuralen Pseudodivertikulose sind meist Männer betroffen, sie ist mit Alkohol- und Nikotinabusus assoziiert.

Bakterielle Fehlbesiedelung gilt als potenzielle Ursache

Bei Traktionsdivertikeln wird die gesamte Darmwand durch Zug von außen, z.B. durch Narbenbildung, ausgestülpt. Dieser Typ findet sich in der mittleren Speiseröhre, im proximalen Duodenum und in Form des angeborenen Meckel-Divertikels im Dünndarm, erläutert Professor Dr. Thomas­ Frieling­ vom Helios Klinikum Krefeld. Eine Indikation zur endoskopischen Diagnostik (und ggf. Computer- bzw. Magnet­resonanztomographie) besteht nur bei symptomatischen Divertikeln. Mögliche Symptome sind je nach betroffener Region z.B. Schluckbeschwerden, Regurgitation, Druckgefühl, Schmerzen, dyspeptische Beschwerden, Obstruktion, Meteorismus, Stuhlgangsveränderungen, Ikterus, Entzündung, Perforation oder Blutung. Bei symptomatischen Ösophagusdivertikeln sollte auch die Motilität der Speiseröhre untersucht werden. Eine krikopharyngeale Dysfunk­tion scheint beim Zenker-Divertikel eine Rolle zu spielen. Epiphrenische Divertikel treten überwiegend zusammen mit Ösophagusmotilitätsstörungen wie Achalasie auf. Diese müssen behandelt werden, z.B. mittels pneumatischer Kardiadilatation oder peroraler endoskopischer Myo­tomie. Manchmal reicht dies allein schon aus und macht eine Resektion der Divertikel überflüssig.  Dünndarmdivertikel können unter anderem durch eine bakterielle Fehlbesiedelung symptomatisch werden, die mit einem Wasserstoff­atemtest nachweisbar ist. Helfen kann den Patienten eine Behandlung mit Antibiotika, z.B. Rifaximin. Meckel-Divertikel verursachen bei 4–9 % der Patienten Beschwerden. In diesen Fällen sollten sie laparoskopisch reseziert werden.

Rechtsseitige Divertikulitis oft als Appendizitis fehlgedeutet

An der Pathogenese von Kolon-Divertikeln scheinen verschiedene Faktoren mitzuwirken, erklärt der Krefelder Kollege: Eine Verdickung der Darmwandmuskulatur, ein gestörter Metabolismus des Binde­gewebes sowie eine enterische Neuropathie werden u.a. diskutiert. Der klinischen Relevanz nach wird zwischen der asymptomatischen Divertikulose oder einer Divertikelkrankheit mit Schmerzen, Entzündung und/oder Blutung unterschieden. Ob eine reine Divertikulose ohne Komplikationen (wie Entzündung) Symptome verursachen kann, ist unklar.  Nur ca. 20 % der Kolondivertikel machen sich irgendwann mit Komplikationen bemerkbar, insbesondere mit einer Divertikulitis. Die Entzündung kann auf die Darmwand übergreifen und zu Abszessen, Perforation, Blutungen oder einer Stenosierung führen. Die meisten Kolondivertikel befinden sich auf der linken Seite. Wenn rechtsseitige Divertikel eine Entzündung entwickeln, wird dies häufig als Appendizitis fehlgedeutet. Zur Diagnose der Divertikulitis bedarf es eines Schnittbildverfahrens zusätzlich zur Endoskopie.

Quelle: Frieling T. Internist 2021; 62: 277-287; DOI: 10.1007/s00108-021-00942-0 

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Bei mehr als jedem Zweiten über 70 Jahre entdeckt man bei der Koloskopie Divertikel. Bei mehr als jedem Zweiten über 70 Jahre entdeckt man bei der Koloskopie Divertikel. © Immanuel Albertinen Diakonie/endoskopiebilder.de