Von harmlos bis lebensbedrohlich

Dr. Dorothea Ranft

Bei Patienten mit Divertikulitis des Colon sigmoideum kann bei der Abdomenpalpation ein druckempfindliches und eventuell ­aufgetriebenes Sigma imponieren. Bei Patienten mit Divertikulitis des Colon sigmoideum kann bei der Abdomenpalpation ein druckempfindliches und eventuell ­aufgetriebenes Sigma imponieren. © Immanuel Albertinen Diakonie/endoskopiebilder.de

Kolondivertikel gelten zwar gemeinhin als Altersleiden, aber zunehmend sind auch Jüngere betroffen. Bei Patienten aller Altersgruppen können Komplikationen auftreten. Das Spektrum reicht vom Abszess bis zur Blutung. Eine aktualisierte Leitlinie beschreibt, wie die Therapie gelingt.

Krankheitswert haben Kolon­divertikel erst, wenn sie Symptome verursachen, sich entzünden oder Komplikationen auslösen. Entscheidende Hinweise liefert oft schon die Anamnese: Patienten mit symptomatischer Divertikulose klagen mehrheitlich über Schmerzen im linken unteren Quadranten, die teils als schneidend erlebt werden. Flatulenz und Stuhlentleerung sorgen für Erleichterung. Bei der Palpation imponiert ein druckempfindliches, eventuell aufgetriebenes Colon sigmoideum (tympanitischer Klopfschall). Eindeutige Entzündungszeichen fehlen.

Entzündungswerte oft erst nach zwei Tagen erhöht

Die Divertikulitis macht sich typischerweise mit akut einsetzenden, progredienten Schmerzen im linken Unterbauch bemerkbar. Zur labordia­gnostischen Abklärung wird in der aktualisierten Leitlinie von DGVS und DGAV* die Bestimmung von Leukozyten und C-reaktivem Protein empfohlen, wobei zu beachten ist, dass die Entzündungsparameter oft erst nach ein bis zwei Tagen erhöht sind. Ein Urinstatus hilft bei der Abgrenzung von Zystitis, Ureterolithiasis und bereits eingetretenen Komplikationen wie der Sigma-­Blasenfistel.

Bei Patienten mit klinischem Verdacht auf Divertikulitis sollte die Diagnose mittels UItraschall oder Computertomographie gesichert werden. Im Einzelfall kann man auch eine MRT erwägen. Die Koloskopie bleibt Zweifelsfällen vorbehalten. Sie ist zum Nachweis einer akuten Divertikulitis nicht erforderlich und ggf. mit einer (leicht) erhöhten Perforationsgefahr ­verbunden.

Klassifikation der Divertikelkrankheit
Typ 0Divertikulose ohne Symptome
Typ 1

unkomplizierte Divertikelkrankheit bzw. Divertikulitis

  • a: Divertikulose/Divertikelkrankheit ohne phlegmonöse ­Umgebungsreaktion
  • b: Divertikulitis mit phlegmonöser Reaktion
Typ 2

komplizierte Divertikulitis

  • a: Mikroabszess
  • b: Makroabszess
  • c: freie Perforation
Typ 3

chronische Divertikelkrankheit

  • a: persistierende oder rezidivierende Symptome bei ­Divertikulose
  • b: rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen
  • c: rezidivierende Divertikulitis mit Komplikationen
Typ 4Hämorrhagie

Wenn Patienten wissen wollen, wie sie einer Divertikelkrankheit vorbeugen können, sollte man ihnen zu einem gesunden Lebensstil raten. Eine Kombination von ballaststoffreicher Kost mit vermindertem Verzehr von rotem Fleisch, reichlich körperlicher Bewegung, Nikotin­abstinenz und ggf. Gewichtsreduktion kann das Risiko für eine Divertikulitis halbieren. Alkohol ist erlaubt, solange er nicht im Übermaß genossen wird. Auch gegen Nüsse, Körner und Popcorn hat die Leitlinie nichts einzuwenden. Diese Lebensmittel bleiben im Gegensatz zur landläufigen Vorstellung nicht im Divertikelhals stecken.

NSAR, Glukokortikoide und Opioide sollten nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Denn sie können ebenso wie eine postmenopausale Hormonsubstitution das Risiko für eine Divertikulitis und deren Komplikationen erhöhen. Für ASS und Coxibe ist ein solcher Zusammenhang nicht belegt. Unter Paracetamol muss man vor allem mit vermehrten Blutungen rechnen.

Gefahr durch Blutung

Die arterielle Divertikelblutung ist die häufigste Ursache für eine schmerzlose gastrointestinale Hämorrhagie. Es handelt sich dabei um eine Komplikation der Divertikulose, nicht der Divertikulitis. Bei identifizierbarer Quelle sollte eine endoskopische Blutstillung angestrebt werden. Falls dies nicht möglich ist oder ein Rezidiv auftritt, kommt eine operative oder radiologisch-interventionelle Therapie in Betracht. Bei einer massiven Blutung unklärbarer Lokalisation kann eine Kolektomie das Leben des Patienten retten. Patienten, die einer lebenslangen Antikoagulation bedürfen, profitieren eventuell von einer partiellen Kolektomie im Intervall.

Was die spezifische Therapie betrifft, sollten unkomplizierte Divertikelkrankheit und Divertikulitis (Typ 1a/b) primär konservativ behandelt werden. Oft kann das Management ambulant erfolgen. Voraussetzung ist, dass weder Zeichen für einen schweren Verlauf noch Komplikationen (z.B. Abszess) oder Risikoindikatoren (Begleiterkrankungen etc.) vorliegen. Außerdem muss eine engmaschige ärztliche Kontrolle garantiert sein. Mesalazin kann die mit einer akuten unkomplizierten Episode verbundenen Schmerzen lindern. Vom Einsatz des Aminosalicylats bei bereits manifester Divertikulitis raten die Leitlinienautoren aufgrund negativer Studienergebnisse ab. Die Notwendigkeit einer Antibiotikabehandlung bei der akuten unkomplizierten Divertikulitis wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Nach Einschätzung der Leitlinien­autoren kann man bei vielen Patienten mit unkomplizierter linksseitiger Entzündung (Typ 1b) auf eine antibakterielle Therapie verzichten.

Akute komplizierte Verläufe erfordern eine Antibiose

Dies gilt allerdings nur, wenn keine Risikoindikatoren für einen schweren Verlauf vorliegen (s. Kasten).

Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf

  • klinisch: immunsupprimierter Patient, Komorbidität, schlechter Allgemeinzustand, hohes Fieber, Sepsis, Komplikationen (Peritonitis, Abszess)
  • laborchemisch: hohes CRP, Leukozytose
  • medikamentös: NSAR, Immunsuppressiva, Steroide

Die akute komplizierte Divertikulitis mit Abszess bzw. freier Perforation (Typ 2a, b, c) ist auch heute noch mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität verbunden. Betroffene benötigen eine Antibio­tikatherapie und sollten stationär überwacht werden, um im Fall einer Verschlechterung rechtzeitig eingreifen zu können. Besondere Empfehlungen gelten für Patienten mit chronischer Divertikelkrankheit. Typisch für die unkomplizierte Verlaufsform (Typ 3a) sind über Monate bis Jahre persistierende Beschwerden, die häufig nach Phasen mit akuter Divertikulitis beginnen. Sie manifestieren sich meist mit Schmerzen wechselnder Intensität sowie Blähungen und Stuhlunregelmäßigkeiten. Eindeutig inflammatorische Veränderungen fehlen jedoch. Eine intermittierende Behandlung mit Mesalazin kann die Symptome lindern und einer Verschlechterung vorbeugen. Von Rifaximin und Probiotika rät die Leitlinie wegen negativer bzw. widersprüchlicher Studien­ergebnisse ab. Ernüchternd sind auch die Daten zur rezidivierenden unkomplizierten Divertikelentzündung (Typ 3). Bisher gibt es kein Medikament zur Sekundärprophylaxe. Neuigkeiten liefert die Leitlinie auch zur operativen Therapie. So wird die elektive Sigmaresektion nach einer akuten unkomplizierten Divertikulitis (Typ 1) nicht mehr generell empfohlen. Sie kann aber bei anhaltenden Beschwerden die Lebensqualität verbessern. Auch Patienten mit Mikroabszess (≤ 3 cm) benötigen nach erfolgreicher konservativer Behandlung keine Operation. Bei einem Makroabszess (> 3 cm) kann als Rezidivprophylaxe ein chirurgischer Eingriff im Intervall angeboten werden, am besten etwa sechs Wochen nach der konservativen Therapie. Die Behandlung der chronisch rezidivierenden Divertikulitis ohne  Komplikationen (Typ 3b) orientiert sich heute an der Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die alte Regel von einer Operation nach dem zweiten Schub ist obsolet.

* Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie

Quelle: S3-Leitlinie „Divertikelkrankheit/Divertikulitis“, AWMF-Register-Nr.: 021-20, www.awmf.org

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Bei Patienten mit Divertikulitis des Colon sigmoideum kann bei der Abdomenpalpation ein druckempfindliches und eventuell ­aufgetriebenes Sigma imponieren. Bei Patienten mit Divertikulitis des Colon sigmoideum kann bei der Abdomenpalpation ein druckempfindliches und eventuell ­aufgetriebenes Sigma imponieren. © Immanuel Albertinen Diakonie/endoskopiebilder.de