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Was bei COPD- und Herzkranken schiefläuft

Am Uniklinikum Aachen wie auch andernorts haben die Verantwortlichen schon gehandelt und Herz-Lungen-Stationen etabliert. „Das heißt aber nicht, dass wir täglich zusammen Visite laufen“, berichteten der Pneumologe Dr. Christian Cornelissen und der Kardiologe Professor Dr. Vincent Brandenburg, die gemeinsam für die Aachener Station verantwortlich sind.
Auf dieser geht es weniger um Differenzialdiagnostik als um die adäquate Behandlung von Patienten, die sowohl unter Herz- als auch Lungenerkrankungen leiden. Immerhin hat jeder dritte COPD-Kranke mindestens ein kardiovaskuläres Problem und jeder Dritte mit KHK ein pulmonales. Allein daran zu denken, dass die aktuellen Symptome ihren Ursprung auch in einem anderen Organsystem haben könnten als dem der eigenen Fachdisziplin, kann Patienten viel ersparen.
Die Aachener Kollegen haben für eine Studie 100 Patienten mit akutem Myokardinfarkt, die zur perkutanen Intervention vorgesehen waren, systematisch per Bodyplethysmographie untersucht. Jeder Fünfte hatte auch eine COPD, bei acht von zehn war diese nicht bekannt und nicht behandelt. Halb so wild, könnte man meinen, das lässt sich ja nachholen. Weit gefehlt, denn die Patienten mit unbehandelter COPD haben im Langzeitverlauf ein deutlich größeres Infarktareal.
Bei der chronischen Herzinsuffizienz (CHF) zeigt sich ein ähnliches Dilemma. Mit steigendem COPD-Schweregrad nimmt die Ejektionsfraktion immer mehr ab, der linke Ventrikel leiert immer mehr aus und wird größer. „Durch die erhöhte Atemanstrengung steigt die Druckdifferenz zwischen dem Innenraum des linken Ventrikels und dem intrathorakalen Raum und damit der Wandstress“, erklärte Dr. Cornelissen.
Nach der Leitlinie der europäischen Kardiologen sollten Patienten mit CHF auch pneumologisch abgeklärt werden. Allerdings nicht in der akuten Dekompensation: Erst wenn der Patient drei Monate lang euvolämisch und stabil eingestellt ist, sollte die Spirometrie erfolgen. Findet sie früher statt, kann es schwierig sein, die Effekte von Lungenstauung und Obstruktion voneinander abzugrenzen. Dieser Teil der Diagnostik wird in Aachen deshalb in den ambulanten Bereich verschoben.
Sterberisiko an kardialen Biomarkern ablesen
An den beiden kardialen Biomarkern Troponin T und NT-proBNP lässt sich übrigens ablesen, wie die kurzfristigen Überlebenschancen eines Patienten mit akut exazerbierter COPD stehen. Beide Werte im Normalbereich bedeutet: 30-Tage-Mortalität 1 %. Ist einer erhöht, steigt die Rate auf 14 bis 17 %, liegen beide zu hoch, auf 28 %. Die Patienten in der Studie, aus der diese Zahlen stammen, hatten weder einen Herzinfarkt noch eine chronische Herzinsuffizienz, die die Markeranstiege hätten erklären können. Die biomarkerassoziierte Erhöhung des Sterberisikos ließ sich über sechs Monate nach der Exazerbation zeigen.
Kardiologen wie Pneumologen haben das Problem, dass viele ihrer Standardmedikamente nur an einem sehr eng begrenzten Patientenkreis erprobt wurden. Die Ursache: Patienten mit schweren Komorbiditäten werden aus klinischen Studien mit schöner Regelmäßigkeit ausgeschlossen, vor allem, wenn es um Zulassungen geht. „Es gibt keine Herzinsuffizienz-Studie, in die man gezielt Patienten mit COPD eingeschlossen hat“, monierte Prof. Brandenburg. Das führt nicht selten zu Überraschungen, wie sich im Fall der Betablocker gezeigt hat.
Der Betablocker ist nicht mehr obsolet
Die Kontraindikation chronische Herzinsuffizienz ist schon lange gefallen und sogar einer Indikation als Standardtherapie gewichen. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass auch Patienten mit COPD vom Betablocker profitieren. Eine Post-hoc-Analyse der Infarktstudie VALIANT ergab beispielsweise, dass Patienten mit COPD zwar insgesamt ein erhöhtes Sterberisiko haben, ihre Prognose durch den Betablocker aber ebenso verbessert wird wie die von Patienten ohne COPD.
„Betablocker sind definitiv nicht obsolet, wenn Sie einen herzinsuffizienten oder Postinfarktpatienten mit COPD haben“, betonte Prof. Brandenburg. Zu seinem Bedauern kommt es aber immer wieder vor, dass Betablocker aus Angst vor der vermeintlich drohenden Bronchialobstruktion nicht verordnet oder gar abgesetzt werden. Soll ein COPD-Patient aus kardialer Indikation einen Betablocker bekommen, empfiehlt es sich, mit einem kardioselektiven Wirkstoff in niedriger Dosis zu starten, langsam zu steigern und sorgfältig auf Zeichen einer bronchialen Obstruktion zu achten. Dr. Cornelissen: „Am Ende wird man den meisten COPD-Patienten durchaus hohe Dosen geben können.“
Auch über die Wirkung pneumologischer Arzneimittel bei kardiovaskulär Erkrankten ist zu wenig bekannt. Was machen lang wirksame Beta-2-Agonisten am Herzen? Chronische Herzinsuffizienz und KHK galten zwar nicht unbedingt als Ausschlusskriterien in den klinischen Studien, Patienten mit solchen Komorbiditäten waren aber deutlich unterrepräsentiert. Die europäische Leitlinie zur chronischen Herzinsuffizienz rät zur Zurückhaltung mit Bronchodilatatoren und beruft sich u.a. darauf, dass für sie kein prognostischer Benefit nachgewiesen werden konnte.
Das ist aber ebenfalls nicht in Stein gemeißelt. Gerade erst hat eine (kleine) Studie an Patienten mit COPD gezeigt, dass potente Bronchodilatatoren das Herz entlasten, indem sie die Überblähung reduzieren.
Quelle: 7. Kongress der Westdeutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Schlafmedizin
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