Was können neue Kandidaten bei HER2+ Brustkrebs leisten?

Birgit-Kristin Pohlmann

Offen bleibt, inwieweit schwere Lungenvorerkrankungen die Therapiewahl künftig beeinflussen. Offen bleibt, inwieweit schwere Lungenvorerkrankungen die Therapiewahl künftig beeinflussen. © Philip Steury – stock.adobe.com

Die anti-HER2-gerichteten Substanzen Tucatinib, Neratinib, Margetuximab und Trastuzumab Deruxtecan bewirkten in klinischen Studien zum Teil vielversprechende Ergebnisse bei bereits vorbehandelten Frauen mit HER2+ metastasiertem Mammakarzinom. Professor Dr. Lüftner erklärt, wie sie den Therapiealgorithmus verändern könnten.

Derzeit ist noch keine dieser Substanzen in Europa beim HER2+ metastasierten Mammakarzinom zugelassen. Für den Tyrosinkinase-Inhibitor Tucatinib, der in Kombination mit Capecitabin/Trastuzumab eingesetzt wird, und für das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab Deruxtecan­ werden jedoch Zulassungen erwartet. Beide Substanzen verlängerten in den – wahrscheinlich zulassungsrelevanten – Studien das progressionsfreie (PFS) und das Gesamt­überleben (OS) signifikant und klinisch relevant gegenüber dem jeweiligen Kontrollarm, erläuterte Professor Dr. Diana Lüftner, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Patientinnen waren zum Teil intensiv vorbehandelt, unter anderem mit Trastuzumab ± Pertuzumab oder mit Trastuzumab-Emtansin (T-DM1).

Neben den signifikanten Wirksamkeitsvorteilen für die Gesamtpopulation haben beide Substanzen gemeinsam, dass sich bislang keine Subgruppe identifizieren ließ, die nicht von ihnen profitierte. Besonders beeindruckend fand Prof. Lüftner, dass die Wirkstoffe auch Frauen mit Hirnmetastasen in einem vergleichbaren Ausmaß half. Dies sei von besonderer Bedeutung, da die Inzidenz für eine Hirnmetastasierung bei Patientinnen mit HER2+ metastasiertem Mammakarzinom bis zu 40 % betrage. Oftmals treten im Gehirn die ersten Metastasen auf, sie bestimmen Morbidität und Mortalität.

Akademisch spannender Ansatz ohne Vorteil

Etwas anders sieht die Situation bei Margetuximab aus, einem gentechnologisch hergestellten, optimierten anti-HER2-Antikörper, der im Vergleich zu Trastuzumab am Fc-Fragment des HER2-Rezeptors modifiziert wurde. So soll er eine stärkere antikörper­abhängige Zytotoxizität erreichen. Dieser „akademisch spannende Ansatz, hat sich jedoch als klinisch nicht so relevant erwiesen“, bedauerte die Expertin. Zwar wurde der primäre Endpunkt der SOPHIA-Studie, ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben, erreicht. Aber der absolute Unterschied betrug nicht ganz einen Monat und in der Gesamtanalyse ergab sich kein signifikanter Überlebensvorteil.

Letzteres gilt auch für Neratinib, einem irreversiblen Tyrosinkinase-Inhibitor gegen pan-HER2. Ein wichtiges Signal war jedoch, dass in der Phase-3-Studie NALA die kumulative Inzidenz an Hirnmetastasen unter Neratinib/Capecitabin deutlich geringer ausfiel als im Kontrollarm (Lapatinib/Capecitabin; p = 0,043), was auf einen protektiven ZNS-Effekt hindeute, erklärte Prof. Lüftner.

Das größte Potenzial für den klinischen Alltag sieht die Onkologin in Tucatinib kombiniert mit Capecitabin/Trastuzumab sowie in Trastuzumab Deruxtecan. Nach den ausstehenden Zulassungen seien beide Substanzen wichtige Optionen für die dritte Therapielinie – nach einer Erstlinie mit Pertuzumab/Trastuzumab plus Chemotherapie und einer Zweitlinie mit T-DM1. Weitere Studien müssen noch zeigen, ob Tucatinib bzw. Trastuzumab Deruxtecan in der Linie weiter nach vorne rücken können. Optionen wie Capecitabin/Lapatinib werden in spätere Linien rutschen, möglicherweise sogar keinen substanziellen Stellenwert mehr für die Behandlung des HER2+ metastasierten Brustkrebses haben, so Prof. Lüftner.

Frauen mit Hirnmetastasen länger ohne Progression

Differenzierungskriterien für den Drittlinien-Einsatz von Tucatinib bzw. Trastuzumab Deruxtecan sieht die Referentin derzeit kaum. Tucatinib überzeuge allerdings durch ein besonders eindrucksvoll verlängertes progressionsfreies Überleben bei Frauen mit Hirnmetastasen – nach einem Jahr waren noch 25 % der Patientinnen ohne ZNS-Progress, aber keine einzige im Kontrollarm.

Offen bleibt, inwieweit schwere Lungenvorerkrankungen die Therapiewahl künftig beeinflussen. Potenzielle pulmonale Toxizitäten sind von anderen Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten bekannt. Wie Prof. Lüftner bemerkte, sei noch nicht abschließend geklärt, ob schwere pulmonale Vorerkrankung das Risiko erhöhen.

Quelle: Lüftner D et al. DGHO Jahrestagung 2020 virtuell

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