Wegerichschalen und Kümmelöl beruhigen Reizdarm und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Dr. Angelika Bischoff

Darmbakterien zerlegen pflanzliches Quellmittel in antientzündliche Fettsäuren. Darmbakterien zerlegen pflanzliches Quellmittel in antientzündliche Fettsäuren. © fotolia/farfalla2017

Die Naturheilkunde hat wirksame Therapien für Patienten mit Reizdarm oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen im Köcher. Für verschiedene Phytotherapeutika gibt es sogar eine solide Evidenzbasis.

Die Naturheilkunde liegt in der Medizin voll im Trend. Laut einer Allensbach-Studie aus dem Jahr 2010 haben 70 % der Bevölkerung über 15 Jahre eigene Erfahrungen mit Naturheilmitteln. Nur 7 % der Befragten lehnten sie ab. Auch Ärzte schwimmen im Mainstream mit.

Im Jahr 2016 haben fast 60 000 Kollegen Zusatzbezeichnungen in Naturheilverfahren, manueller Medizin, physikalischer Therapie oder Akupunktur erworben. Über Optionen gegen Reizdarmsyndrom und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sprach der Gastroenterologe Professor Dr. med. Jost Langhorst, Universität Duisburg-Essen.

Reizdarmsyndrom

Besonders häufig kommen Präparate aus Flohsamen (vom Wegerich Plantago ovata) zum Einsatz, die in Deutschland feinvermahlen als Arzneimittel zur Verfügung stehen. Ein positiver symptomatischer Effekt ist vor allem beim Obstipationstyp gut belegt und wird in den Leitlinien berücksichtigt. Zwei Wirkmechanismen liegen ihm zugrunde:

1. Flohsamen in fein vermahlener Form binden das Vierzigfache des eigenen Volumens an Wasser.

2. Während der Fermentierung von Flohsamen durch Mikrobiota entstehen kurzkettige, antiinflam-matorische Fettsäuren wie Butyrat und Acetat, die das Darmimmunsystem beeinflussen.

Pfefferminzöl wirkt spasmolytisch, das Menthol blockiert Calciumkanäle im Magen-Darm-Trakt. Ein Kombinationspräparat mit Kümmelöl linderte in einer placebokontrollierten Studie bei funktioneller Dyspepsie Völlegefühl, Schmerzen und Krämpfe im Oberbauch signifikant. Das Präparat ist ebenfalls als Arzneimittel verfügbar und hat Eingang in die Leitlinien gefunden.

Kaffeekohle und Flohsamen machen Mesalazin Konkurrenz
Breit untersucht wurde auch der Extrakt STW5 aus neun verschiedenen Pflanzen, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in klinischen Studien. Spasmolyse und Tonisierung gelten als Hauptwirkprinzipien. Das Präparat ist bereits seit Langem verfügbar und fest in der Therapie des Reizdarmsyndroms vom Obstipations- und vom Schmerztyp etabliert.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Beste Aussichten, in die neue Leitlinie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) aufgenommen zu werden, haben Flohsamen, Myrrhe und Curcuma, sagte Prof. Langhorst. So hält einer spanischen Studie zufolge die remissionserhaltende Wirkung von Flohsamen bei Colitis ulcerosa mit der von Mesalazin mit.

Einfach nicht reizen lassen

Lebensqualität und Beschwerden von CED-Patienten bessern sich durch meditative Bewegungsformen wie Yoga, Tai-chi und Qigong. Da subjektiver Stress den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen kann, werden auch Stressbewältigungsverfahren wie autogenes Training, progressive Muskelrelaxation und Achtsamkeitstraining empfohlen. Sowohl beim Reizdarm als auch bei CED erreichte ein Achtsamkeitstraining positive Effekte auf den Symptomscore.

Remissionserhaltung aus dem Gewürzregal
Die Arbeitsgruppe um den Essener Kollegen hat ein als Arzneimittel erhältliches Präparat aus Myrrhe, Kamillenblüten und Kaffeekohle klinisch erforscht. Myrrhe – eine Pflanze aus der ayurvedischen Medizin – hemmt Entzündungen, strafft das Gewebe und fördert die Granulation. Kamille inhibiert ebenfalls die Inflammation und löst Krämpfe. Kaffeekohle, d.h. lange geröstete und vermahlene Kaffeebohnen, wirkt antidiarrhöisch und bindet Toxine. Prof. Langhorst stellte eine aktuelle doppelblinde Studie mit knapp 100 Patienten vor, in der das Phytotherapeutikum in der Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa mit Mesalazin verglichen wurde. Nach einem halben Jahr erreichten 53 % in der Phyto- und 45 % in der Mesalazingruppe eine Remission. Auch Curcuma hat sich im Vergleich zu Placebo als signifikant effektiver in der Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa erwiesen – zumindest über sechs Monate. In einer randomisierten kontrollierten Studie setzten Forscher 3 g Curcumin oder Placebo in Kombination mit 5-Aminosalicylat ein, um bei leichtem bis mittelschwerem Erkrankungsgrad eine Remission zu induzieren. Response- und Remissionsraten waren nach vier Wochen im Curcuminarm signifikant höher. Dies spiegelte sich auch auf Mukosaebene wider. Das Problem ist jedoch, dass es Curcumin nicht als zugelassene Arznei, sondern nur als Nahrungsergänzungsmittel gibt. „Damit wird jegliche höhere Qualifikation vereitelt“, so Prof. Langhorst.

Erst mal verzichten

Bekanntermaßen beeinflusst die Ernährung Darmsymptome stark. Deshalb lohnt sich ein Versuch, auf "übliche Verdächtige" wie Ballaststoffe, Fruktane, Laktose und Sorbit zu verzichten. So kommt der Darm besser zur Ruhe. Danach baut man die Kost allmählich wieder auf mit dem Ziel, eine individuell gut verträgliche, vollwertige Ernährung zu erreichen.

Kümmel entbläht auch transdermal
Für die phytotherapeutische Selbsthilfe empfahl der Referent, 2%iges Kümmelöl in die Bauchhaut ein-zumassieren und darüber eine feucht-warme Auflage zu legen. Das Kümmelöl wirkt transdermal entkrampfend und entblähend. „Wer das regelmäßig durchführt, erzielt gute symptomatische Effekte“, betonte Prof. Langhorst.

Quelle: Viszeralmedizin 2017, Kongressbericht

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Darmbakterien zerlegen pflanzliches Quellmittel in antientzündliche Fettsäuren. Darmbakterien zerlegen pflanzliches Quellmittel in antientzündliche Fettsäuren. © fotolia/farfalla2017