
Wenn der Schlaganfall keiner ist

Die auch primäre Angiitis genannte Störung beschränkt sich auf Gehirn und Rückenmark. Sie befällt Männer und Frauen gleichermaßen, kann in jedem Alter auftreten und ist mit einer Mortalität von 8–23 % verbunden. Trotz Therapie bleibt etwa ein Viertel der Betroffenen schwer behindert, so das Autorenteam um Dr. Carlo Salvarani von der Mayo Clinic in Rochester.
Die Inzidenz liegt bei etwa 2,4 Fällen pro 1 Mio. Personenjahre, unterschieden werden zwei Typen mit Befall der kleinen bzw. mittleren bis großen Gefäße. Am häufigsten manifestiert sich die Vaskulitis mit plötzlich auftretenden neurologischen Defiziten, die an eine transitorische ischämische Attacke oder einen Schlaganfall denken lassen – einschließlich Aphasie, Ataxie und Gesichtsfelddefekten. Auch Kopfschmerzen, progrediente kognitive Einbußen sowie akute und subakute Zeichen einer Enzephalopathie treten vermehrt auf.
Es kann zu schwerer Cephalgie und Krampfanfällen kommen
Vielfach besteht ein akuter Verwirrtheitszustand, der bis zum Koma fortschreiten kann. Die Cephalgie ist üblicherweise schwer und anhaltend, generalisiert oder lokal begrenzt. Auch mit Krampfanfällen, intrazerebralen Hämorrhagien und – seltener – Subarachnoidalblutungen ist zu rechnen.
Die Biopsie hat eine relativ geringe Sensitivität: Viele Betroffene zeigen aufgrund der unregelmäßigen Verteilung der Läsionen einen Normalbefund. In der klinischen Praxis wird statt der Gewebeanalyse häufiger die nicht-invasive digitale Subtraktionsangiografie (DSA) genutzt. Die europäischen Leitlinien empfehlen die Biopsie dann, wenn bei normaler Angiografie ein Verdacht auf eine Kleingefäßvaskulitis besteht. Bei einem Befall mittelgroßer bis großer Adern sollte die pathohistologische Analyse nur zum Ausschluss anderer Diagnosen erfolgen.
Zu beachten ist, dass vaskulitistypische Veränderungen in der Angiografie auch bei intrakranieller Atherosklerose, Infektionen, Vasospasmen und arteriellen Embolien auftreten können. Umgekehrt bedeutet ein Normalbefund nicht, dass keine primäre ZNS-Vaskulitis vorliegt. MR- und CT-Angiografie bieten eine Alternative zur DSA in der vorläufigen Evaluation, haben aber eine geringere Sensitivität.
Evidenzbasierte Therapieempfehlungen auf der Basis randomisierter, kontrollierter Studien gibt es für die primäre ZNS-Vaskulitis noch nicht. In der Praxis werden seit Jahrzehnten Glukokortikoide eingesetzt, ggf. in Kombination mit klassischen Immunsuppressiva. Verwendet wird oft orales Prednison in einer Tagesdosis von 1 mg/kg. Zur Remissionsinduktion erhalten viele Erkrankte vorher eine Pulstherapie mit intravenösem Methylprednisolon (1.000 mg täglich über 3 bis 5 Tage).
Die Remission ist definiert durch das Fehlen eines Rezidivs oder einer Verschlimmerung neurologischer Symptome der aktiven Vaskulitis. Zudem werden eine Stabilität bekannter Läsionen und das Fehlen neuer Veränderungen in der MRT gefordert. Immunsuppressiva werden häufig zusätzlich zum Steroid eingesetzt, vor allem bei Patientinnen und Patienten mit schubförmiger oder rezidivierender Erkrankung und rasch progredientem Verlauf. Cyclophosphamid wird üblicherweise einmal monatlich als Puls verabreicht über einen Zeitraum von einem halben Jahr. Die intravenöse Therapie bietet den Vorteil einer geringeren Gesamtexposition.
Drei Viertel der Behandelten sprechen auf Steroide allein oder gemeinsam mit Cyclophosphamid an. Das Autorenteam bevorzugt die Kombination bei Erkrankten mit multiplen Infarkten, nekrotisierender oder granulomatöser Vaskulitis und bei einer Beteiligung mittlerer bis großer Gefäße. In der Remissionsinduktion wirkt Mycophenolat-Mofetil eventuell ebenso gut wie Cyclophosphamid, bei besserer Verträglichkeit. Es eignet sich auch zur Langzeittherapie. Zur Behandlung mit Rituximab und Tocilizumab gibt es bisher nur einzelne Fallberichte. Die Antikörper bieten aber möglicherweise eine Option für Personen mit Rezidiv oder mangelndem Ansprechen auf die herkömmliche Therapie.
Quelle: Savarani C et al. New Engl J Med 2024; 391: 1028-1037; DOI: 10.1056/NEJMra2314942
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