Schon bei Verdacht auf eine Großgefäßvaskulitis Kortikosteroide geben

Dr. Dorothea Ranft

Eine weitere Art der Großgefäßvaskulitis ist die Takayasu-Arteriitis. Eine weitere Art der Großgefäßvaskulitis ist die Takayasu-Arteriitis. © Science Photo Library/Zephyr

Nach wie vor erblinden viele Patienten mit Riesenzellarteriitis, weil die Therapie zu spät kommt. Deshalb sollte man damit nicht warten, bis der Spezialist die Diagnostik abgeschlossen hat.

Großgefäßvaskulitiden befallen hauptsächlich die Aorta und die von ihr abgehenden Arterien. Als häufigste Form gilt die Riesenzellarteriitis (RZA). Zu ihren Prädilektionsstellen zählen die Äste der Karotiden und Vertebralarterien. An RZA erkranken überwiegend Frauen, meist jenseits des 50. Lebensjahres. Es gibt noch eine zweite Großgefäßvaskulitis, die Takayasu-Arteriitis (TAK). Diese ist zwar nicht minder gefährlich, aber eher selten (siehe Kasten und Abbildung).

Takayasu-Arteriitis (TAK)

Die TAK tritt ebenfalls vor allem bei Frauen auf, allerdings oft schon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Diagnostisch wird bei dieser Form direkt auf eine MR-Angiographie gesetzt. Alternativ sind auch PET bzw. PET-CT oder CT-Angiographie möglich. Zur Initialtherapie genügt in der Regel 40–60 mg/d Prednisolonäquivalent. Allerdings sollte man das Kortikoid vorsichtiger ausschleichen als bei Patienten mit Riesenzellarteriitis, da Rezidive mit vaskulären Komplikationen, die bei TAK-Patienten häufig auftreten, durch ein zu schnelles Absenken der Steroiddosis auf < 10 mg/d im ersten halben Jahr begünstigt werden. Generell lässt sich die Steroidtherapie so einteilen:
  • nach drei Monaten ca. 15–20 mg/d
  • nach einem Jahr ≤ 10 mg/d
  • Absetzen: nur nach längerer Remission empfohlen
Leichte Rezidive werden mit einer erneuten Erhöhung der Gluko­kortikoide auf die letzte wirksame Dosis behandelt, schwere wie eine neu diagnostizierte Großgefäßvaskulitis (Initialdosis). Auch bei der TAK lassen sich über eine Zusatztherapie Steroide sparen, z.B. durch ein konventionelles Immunsuppressivum. Haben die Patienten refraktäre, rezidivierende oder steroidabhängige Verläufe, kann man auch Tocilizumab oder TNF-α-Inhibitoren in Betracht ziehen. In jedem Fall sollten Betroffene regelmäßig überwacht werden. Die Intensität der Langzeitüberwachung richtet sich nach den bereits eingetretenen Gefäß- und Organschäden. Dazu zählen kardiale und aortale Komplikationen ebenso wie zerebrale Perfusionsstörungen und eine Nierenarterienstenose.

Entzündungsmarker sind nicht immer erhöht

Wichtige Hinweise liefert bereits die Anamnese (s. Tabelle). Bei der klinischen Untersuchung geht es vor allem um arterielle Veränderungen (Pulsdefizit, Strömungsgeräusch, Blutdruckseitendifferenz etc.). Labordiagnostisch fällt in der Regel eine Erhöhung von BSG und CRP auf, diese kann aber auch fehlen (bei ca. 4 %). Spezifische Biomarker sind bisher nicht bekannt, heißt es in der S2k-Leitlinie zum Management der Großvaskulitiden, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie entstand.
Wichtige klinische Hinweise
Großgefäßvaskulitiden allgemein
  • CRP, BSG erhöht
  • Pulsverlust bzw. Blutdruckseitendifferenz (Arme)
  • Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß (B-Symptomatik)
  • Claudicatio der Extremitäten (v.a. Arme)
  • Symptome von Organischämien bei Riesenzell­arteriitis selten (Myokard, Niere, Darm), bei Takayasu-Arteriitis v.a. renovaskuläre Hypertonie
  • Symptome einer zerebralen Ischämie (bei Riesenzellarteriitis v.a. hintere Strombahn, allerdings insgesamt selten)
Riesenzellarteriitis
Takayasu-Arteriitis
  • Alter ≥ 50 Jahre (Erstmanifestation)
  • neu aufgetretener Kopfschmerz (oft temporal)
  • Veränderte Temporalarterien (Verhärtung, Schwellung, Druckschmerz, abgeschwächter Puls)
  • Kieferclaudicatio (Kauschmerz)
  • Kämmschmerz (berührungsempfindliche Kopfhaut)
  • transiente oder permanente Sehstörungen (Amaurosis fugax, akuter Visusverlust bis zur ein- oder beidseitigen Erblindung, Diplopie)
  • selten: Symptome einer Aorten­dissektion/-ruptur als Erstmani­festation, Kopfhaut/Zungennekrosen
  • Alter < 50 Jahre
  • neu aufgetretene oder verstärkte Symptome einer Minderperfusion der Extremitäten, v.a. Arme (Claudicatio intermittens, Subclavian-Steal-Syndrom)
  • Karotidynie
  • Symptome einer okulären Ischämie
Um die Diagnose Riesenzellarteriitis rasch zu sichern, empfehlen die Autoren um Dr. Jan H. Schirmer­ vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, die Patienten umgehend in einem interdisziplinären Team vorzustellen, das Erfahrung mit dem Management von Großgefäßvaskulitiden hat (und bei dem zeitnah ein Termin möglich ist). Als bildgebendes Nachweisverfahren der 1. Wahl gilt die Sonographie der Aa. temporales und axillares (Halo­zeichen). Insbesondere die überwiegend kraniellen Erkrankungen lassen sich damit gut detektieren. In den Händen erfahrener Untersucher erreicht die Sono eine Sensitivität > 80 % und eine Spezifität > 90 %. Bei unklarem Befund oder als Alternative kann eine hochauflösende MRT (MR-Angiographie) der oberflächlichen Schädelarterien weiterhelfen. Auch extrakranielle Gefäßveränderungen (z.B. der Aorta) lassen sich mittels MRT (ggf. CT, PET-CT) beurteilen. Eine negative Bildgebung oder Biopsie schließt eine Großgefäßvaskulitis allerdings nicht sicher aus, betonen die Leitlinienautoren. Bei dringendem Verdacht und positiver Bildgebung erfolgt die RZA-Diagnose meist ohne zusätzliche Tests. Besteht nur ein geringer Verdacht und bleibt die Bildgebung negativ, ist eine RZA unwahrscheinlich. Alle anderen Konstellationen erfordern eine weitere Abklärung: Klinische Verdachtsfälle mit negativer oder nicht eindeutiger Bildgebung sind das Einsatzgebiet der Temporallappenbiopsie. Die entnommene Probe sollte mindestens 1 cm lang sein, da das Gefäß diskontinuierlich befallen sein kann. Wegen der unmittelbaren Gefahr für das Augenlicht darf die RZA-Diagnostik auf keinen Fall den Therapiebeginn verzögern, warnen die Leitlinienautoren. Schon auf einen begründeten Verdacht hin sollen Betroffene mit einem Glukokortikoid behandelt werden. So lässt sich das Risiko für eine plötzliche Erblindung deutlich senken. Nachweislich manifestieren sich persistierende Augenschäden nur selten nach dem Beginn einer Steroidtherapie. Gleichzeitig muss die Diagnose so schnell wie möglich komplettiert werden: Mit dem Rückgang der Inflammation durch die präemptive Steroidbehandlung verringert sich die Sensitivität der Nachweismethoden teilweise bereits binnen weniger Tage.

Prednisolondosis schrittweise auf ≤ 5 mg/d reduzieren

Patienten mit akutem Visusverlust oder Amaurosis fugax erhalten schon bei begründetem RZA-Verdacht eine intravenöse Pulstherapie mit 500–1000 mg/d Methylprednisolon – Dauer drei bis fünf Tage. Diese Behandlung dient vor allem dem Schutz des kontralateralen Auges und soll ein Fortschreiten des Visusverlusts bis zur vollständigen Erblindung verhindern. Eine Verbesserung der Sehfähigkeit ist bisher nicht nachgewiesen. Zur Kontrolle einer aktiven Riesenzellarteriitis ohne Sehstörungen oder anderen ischämischen Komplikationen genügt in der Regel eine Tagesdosis von 40–60 mg Prednisolonäquivalent. Nach dem Erreichen einer Remission wird die Dosis schrittweise gesenkt – möglichst bis auf etwa 10–15 mg/d nach drei Monaten. In der Folgezeit gilt es, für jeden einzelnen Patienten die niedrigste effektive Dosis zu ermitteln. Anvisiert wird eine tägliche Zufuhr ≤ 5 mg nach einem Jahr. Ein weiteres Ausschleichen bzw. Absetzen sollte erst nach einer längeren rezidivfreien Remission versucht werden. Ein ideales Reduktionsschema gibt es bisher nicht, die Dosis wird anhand von Klinik und Entzündungswerten individuell ermittelt. Viele Patienten mit Riesenzellarteriitis erleiden unter der steroidalen Monotherapie Rezidive. Bei einem schweren Rückfall raten Leitlinienautoren zu einer Steroidgabe in der gleichen Dosis wie bei der Initialbehandlung. Bei einem leichten Wiederaufflackern genügt die letzte wirksame Dosis. Zusätzlich sollte eine steroidsparende Therapie mit dem Interleukin-6-Rezeptorantagonisten­ Tocilizumab begonnen (oder optimiert) werden. Alternativ kommt auch Methot­rexat in Betracht. Beide ermöglichen es, die Steroid­dosis schneller zu senken. Indiziert ist die Behandlung zudem bereits bei Patienten mit gesteigertem Kortikoidbedarf oder erhöhtem Risiko für Komplikationen wie Hypertonie, Diabetes und osteoporotische Frakturen. Für die Kombination mit Tocilizumab bzw. Methotrexat ließ sich eine signifikante Reduktion der Rezidivrate bei deutlich verringertem Steroidbedarf zeigen. Hält die Remission an, kann man die Therapie deeskalieren bzw. über einen Therapiestopp nachdenken.

Verlaufskontrolle im ersten Jahr alle ein bis drei Monate

Revaskularisierende Eingriffe sollten bei Patienten mit Großgefäßvaskulitis nur in Remissionsphasen erfolgen. Eine Ausnahme bilden schwerwiegende Akutkomplikationen wie Aortendissektion oder Schlaganfall. Außerdem raten die Leitlinien­autoren, die Indikation auf Perfusionsstörungen zu begrenzen, die Organe bzw. Extremitäten gefährden oder die Lebensqualität empfindlich einschränken. Wegen der jederzeit drohenden Verschlechterung benötigen Patienten mit Großgefäßvaskulitis eine engmaschige Verlaufskontrolle (mindestens Klinik, BSG und CRP), z.B.
  • im ersten Jahr alle ein bis drei Monate,
  • nach einem Jahr alle drei bis sechs Monate,
  • während der rezidivfreien Remission jährliche Kontrollen.
Insbesondere bei Beteiligung extrakranieller Gefäße kann zudem eine bildgebende Langzeitkontrolle sinnvoll sein: So steigt die Inzidenz des Aortenaneurysmas fünf Jahre nach der RZA-Diagnose. Arterielle Rekonstruktionen erfordern eine lebenslange Nachsorge.

Quelle: S2k Leitlinie „Management der Großgefäß­vaskulitiden“ AWMF-Register-Nr. 060-007, www.awmf.org

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Eine weitere Art der Großgefäßvaskulitis ist die Takayasu-Arteriitis. Eine weitere Art der Großgefäßvaskulitis ist die Takayasu-Arteriitis. © Science Photo Library/Zephyr
Im MR-Scan einer 16-Jährigen mit Takayasu Arteriitis ist eine verdickte Wand der Aorta ascendens zu erkennen. Zudem hat ein Thrombus die linke Arteria subclavia verstopft. Im MR-Scan einer 16-Jährigen mit Takayasu Arteriitis ist eine verdickte Wand der Aorta ascendens zu erkennen. Zudem hat ein Thrombus die linke Arteria subclavia verstopft. © Science Photo Library/Zephyr