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Biopsie der Schläfenarterie bei Riesenzellarteriitis oft nicht nötig

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist die häufigste systemische Vaskulitis mit einer Prävalenz von 15–44 pro 100 000. Fast alle betroffenen Patienten haben die 50 bereits hinter sich gelassen, Frauen erkranken dreimal häufiger als Männer. Die RZA ist keineswegs harmlos: Es drohen schwerwiegende Komplikationen wie Amaurose und polytope Hirninfarkte (insbesondere der hinteren Zirkulation), was wesentlich zur erhöhten Mortalität beiträgt, sagte Professor Dr. Martin Sitzer von der Klinik für Neurologie am Klinikum Herford.
A. temporalis ist nicht immer dick und pulsvermindert
Die Verdachtsdiagnose wird meist aufgrund der typischen Symptomatik gestellt. Mehr als 70 % der Betroffenen klagen über einen unilateralen periorbitalen Kopfschmerz von sehr hoher Intensität. Ein weiteres typisches Symptom ist die Claudicatio masticatoria mit einer vorzeitigen schmerzhaften Ermüdbarkeit von Kaumuskulatur und Zunge beim Essen oder Sprechen. Bei genauer Nachfrage leiden etwa 30 % der Patienten darunter. Ebenfalls bei knapp jedem Dritten besteht eine anteriore ischämische Optikusneuropathie mit Gefahr der Erblindung.
Lokal kann man eine geschwollene, druckempfindliche und pulsverminderte A. temporalis finden, was aber nicht bei allen Patienten der Fall sein muss. 30–70 % leiden zusätzlich an einer Polymyalgia rheumatica mit proximalen Muskelschmerzen und -steifigkeit.
Therapie schon bei Verdacht
Sensitivität der Biopsie liegt bei 40–70 %
Viele Betroffene klagen zusätzlich über Allgemeinsymptome wie Fieber und Krankheitsgefühl. Typische Veränderungen im Labor sind eine BSG-Erhöhung von > 50 mm/h und eine CRP-Erhöhung. Die Biopsie der A. temporalis – lange Zeit Goldstandard der Diagnostik – verliert heute zunehmend an Stellenwert, berichtete der Neurologe. Das typische histologische Bild mit Lymphozyten, Makrophagen und Riesenzellen in der Gefäßwand sei zwar beweisend für eine RZA, die Sensitivität aber aufgrund des segmentalen Befalls mit 40–70 % eher schlecht. In einer aktuellen Metaanalyse wird der klinische Erkenntnisgewinn der Temporalisbiopsie daher als sehr moderat eingeschätzt.1 Als primäre Diagnostik bietet sich heute die farbkodierte Duplexsonographie an. Typischerweise findet man hier im Verlauf der Temporalarterie ein Halo-Zeichen, was einer deutlichen, nicht komprimierbaren Vergrößerung der Intima-Media-Dicke entspricht. Die Sensitivität eines solchen Halo liegt bei 91 %, die Spezifität bei 77 %. Vorteil der farbkodierten Duplexsonographie ist auch, dass die Beteiligung anderer hirnversorgender Arterien wie der A. vertebralis mit beurteilt werden kann. Um Komplikationen vorzubeugen, sollte bereits bei RZA-Verdacht eine Kortisontherapie erfolgen (s. Kasten). Ergänzend kann heute auch der Anti-IL-6-Antikörper Tocilizumab eingesetzt werden. Die Effektivität der Therapie wird dadurch erhöht und es können Steroide eingespart werden. Empfohlen werde zusätzlich immer auch eine Therapie mit niedrig dosiertem ASS zur Vorbeugung thromboembolischer Komplikationen – Evidenz gebe es dafür aber nicht.1. Ing EB et al. Neuroophthalmology 2019; 43: 18-25; DOI: 10.1080/01658107.2018.1474372
Quelle: 11. Interdisziplinäres Update Gefäßmedizin
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