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Riesenzellarteriitis geht nicht zwangsläufig mit temporalem Kopfschmerz einher
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Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist neben der Takayasu-Arteriitis die wichtigste Entität der Großgefäßvaskulitiden. Die Gefäßentzündung betrifft meist Menschen über 50 Jahre, mehrheitlich Frauen, und befällt insbesondere Schläfenarterien, schreibt Professor Dr. Peter M. Villiger, Universitätsklinik Bern.
Eine Vergesellschaftung der RZA mit einer Polymyalgia rheumatica ist häufig. Zusätzlich kann sich die RZA auch in Form eines systemischen Entzündungssyndroms manifestieren, erklärt der Rheumatologe. Bei Letzterem sind meist Aortitiden bzw. thorakoabdominale Arteriitiden Ursache der Inflammation.
Bei der RZA mit entzündlicher Veränderung der Arteria temporalis ist der neu aufgetretene Schläfenkopfschmerz Leitsymptom, dazu gesellen sich häufig eine Kopfhaut-Dysästhesie und eine Masseter-Claudicatio. Auch multiple Augensymptome wie eine Amaurosis fugax, Doppelbilder oder Erblindung gelten als typisch für Schläfenarterien-Riesenzellarteriitis. Polymyalgische Beschwerden werden bei rund 50 % der Patienten berichtet.
Ulzera an der Kopfhaut möglich
Bei rund 10 % der Betroffenen fehlt allerdings der Schläfenkopfschmerz, was dann nicht selten die Diagnosestellung verzögert, warnt Prof. Villiger. Ein ausgeprägter Gewichtsverlust, ebenfalls häufig, wird von den Patienten meist nicht spontan berichtet, so die Erfahrung des Rheumatologen.
Die spezielle klinische Untersuchung umfasst den Seitenvergleich von peripheren Pulsen und Blutdruck, die Palpation der A. temporalis sowie Visus- und Gesichtsfeldprüfung. Im Bereich der Kopfhaut und manchmal auch dem Zungengrund können sich ischämische Ulzera befinden. Im Labor imponieren starke Entzündungszeichen. Weitere Parameter sind untypisch und dienen lediglich dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen und der Vorbereitung der Medikation.
In der Bildgebung kommen in erster Linie eine Doppleruntersuchung mit Nachweis eines ringförmigen hypodensen Signals aufgrund der Arterienwandentzündung zum Einsatz. Die Magnetresonanzangiographie ist ebenfalls Option der ersten Wahl, in zweiter Linie werden PET-CT und die CT-Angiographie empfohlen.
In der Praxis wird man aber vor allem wegen der akut drohenden Erblindung nicht immer Magnetresonanzangiographie oder PET-CT zur Diagnosesicherung abwarten. Entsprechend den Leitlinien der EULAR soll bereits bei hohem klinischem Verdacht aufgrund von Anamnese, klinischen Befunden, Laborwerten sowie der Ultraschalluntersuchung sofort die obligate Steroidtherapie eingeleitet werden. Ist die Ultraschalluntersuchung wider Erwarten negativ, kommen die genannten bildgebenden Verfahren oder eine Gefäßbiopsie zur histologischen Abklärung zum Einsatz. Zu beachten ist, dass die Bildgebung steroidsensibel ist und idealerweise unmittelbar vor einer Steroidmedikation erfolgen soll, spätestens aber innerhalb von drei Tagen nach Therapiebeginn. In der Histologie ist die Wandentzündung noch ein bis zwei Wochen nach Steroidbeginn zu erkennen.
Biologika senken die kumulative Steroiddosis
Die Behandlung erfolgt initial mit 40–60 mg/d Prednison, bei ischämischen Augensymptomen kommt 3 x 1000 mg Methylprednisolon als Infusion zum Einsatz. Nach Erreichen von Vollremission in Klinik und Labor wird sukzessive auf einen Zielwert von ca. 15 mg/d in Woche 12 reduziert und über ein Jahr ganz ausgeschlichen.
Bei Osteoporose, Diabetes mellitus, fortgeschrittener Arteriosklerose oder anderen kardiovaskulären Risikofaktoren sollten die Steroide schneller reduziert und abgesetzt und ein Rückfall der Riesenzellarteriitis in Kauf genommen werden. Als Steroidalternative steht Methotrexat an erster Stelle, wenngleich die Evidenz hierzu nicht sehr hoch ist. Einzelfallberichte bzw. kleine Fallserien beschreiben außerdem positive Effekte von zusätzlichem Leflunomid, Cyclophosphamid und Azathioprin.
Vielversprechend ist der steroidsparende Effekt von Tocilizumab. Der subkutan verabreichte Tumornekrosefaktor-Hemmer senkt die kumulative Steroiddosis um die Hälfte und verhindert bei rund der Hälfte der Patienten ein Rezidiv in den nächsten zwei Jahren. Weitere Biologika zur Steroideinsparung bei der RZA werden derzeit untersucht.
Das Alter der Patienten und die lange Dauer der Steroidtherapie machen in der Regel eine zusätzliche osteoprotektive Behandlung sinnvoll. Standard ist die Supplementation von Vitamin D und Kalzium. Außerdem ist die Indikation für eine Bisphosphonat-Therapie großzügig zu stellen. Nur so kann der rasch einsetzende steroidinduzierte Knochenmasseverlust effektiv gebremst werden, erklärt Prof. Villiger.
Quelle: Villiger PM. Internist 2019; 60: 1059-1073; DOI: 10.1007/s00108-019-00666-2
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