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Zielgerichtete Therapien können genotoxisch wirken

„Krebs ist immer eine genetische Erkrankung“, konstatierte Professor Dr. Andreas Neubauer, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am Universitätsklinikum Marburg. Die DNA sei dabei aber nur Mittel zum Zweck, zur Krebsentstehung führe die Proteinbiologie. Als Beispiel nannte er Kinasen, die Teil der Signalübertragung und für die Präzisionsonkologie interessant sind.
BRAF- und MEK1/2-Hemmer abseits der Zulassung getestet
Zunächst stellte Prof. Neubauer ermutigende Daten der NCI-MATCH-Plattform-Studie vor.1 In ihr bekamen Krebspatienten off label den selektiven BRAF-Inhibitor Dabrafenib und den MEK1/2-Inhibitor Trametinib. Von der Subgruppe aus 29 Patienten mit onkogener BRAFV600E-Mutation hatten 45 % zuvor mindestens drei Therapielinien erhalten.
Die Teilnehmer litten unter verschiedenen Tumoren, Ausschlusskriterien waren NSCLC, Schilddrüsenkarzinom, kolorektales Karzinom (CRC) und Melanom. Die Ansprechrate erreichte 38 %. Sieben Patienten sprachen länger als ein Jahr an, vier mindestens zwei Jahre. Das mediane Überleben betrug 28,6 Monate.
mTOR
Im Mittelpunkt der Frage, ob auch zielgerichtete Therapien, also per se nicht-genotoxische Medikamente, DNA-Schäden auslösen können, stand die Kinase mTOR. Das Wachstumsprotein wird über einen Rezeptor aktiviert, z.B. den Insulinrezeptor, der wiederum AKT induziert. Das führt dem Referenten zufolge zur Proteinsynthese, Metabolismus und letztlich auch zur Karzinogenese. Neben dem PI3K/AKT-Signalweg spielt mTOR in weitere Signalwege hinein und nimmt damit eine zentrale Rolle im Stoffwechsel aller Zellen ein, insbesondere bei Stress.
Die Wissenschaftler der von Prof. Neubauer vorgestellten Arbeit prüften, was die stressinduzierte Mutagenese hervorruft, die die Grundlage der Tumorprogression sein könnte.2 „Man hat sich gefragt, was Targeted Therapies mit unserem Genom machen“, konkretisierte der Experte. Dafür untersuchten die Autoren die DNA-Schadensantwort unter Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) oder Hormontherapie.
Als Marker für die Schädigung zogen sie die γH2AX-Phosphorylierung heran, Basis waren Xenografts und Zellkulturen, aber auch Patientenproben. In allen Fällen fanden sie Anhaltspunkte für γH2AX-Aktivierung als Ausdruck einer verstärkten DNA-Schadensantwort, so Prof. Neubauer.
Krebszellen werden fitter und resistenter
Unter Selektionsdruck nahm die Zahl der DNA-Mutationen und damit die genomische Diversität deutlich zu, die mTOR-Signalweiterleitung wurde gehemmt. Die stressinduzierten Mutationen liefen überwiegend über den mTOR-Signalweg, wie der Referent berichtete. „Die Zellen werden fitter, das heißt aber auch resistenter gegenüber der Präzisionsonkologie“. Wichtige, grundlegende Erkenntnis der Arbeit ist in Prof. Neubauers Augen die Beobachtung, dass zum einen auch zielgerichtete Medikamente für Zellen einen erheblichen Stress bedeuten. Zum anderen, dass dieser Stress über gehemmtes mTOR läuft und so DNA-Mutationen ermöglicht.
KRAS
Obwohl KRAS zur am häufigsten mutierten Onkogen-Familie gehört, galt es lange als keiner zielgerichteten Therapie zugänglich. Bis heute ist es nicht gelungen, effektive RAS-Inhibitoren zur Marktreife zu bringen. Prof. Neubauer stellte Phase-1-Daten zum KRASG12C-Inhibitor Sotorasib vor.3 Von dieser Mutation seien etwa 12 % der NSCLC und 3 % aller CRC betroffen. In der Studie erhielten 129 intensiv vorbehandelte Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren – vorwiegend NSCLC und CRC – mit nachgewiesener KRASG12C-Mutation einmal täglich Sotorasib.
Dosislimitierende Toxizitäten traten nicht auf, 11 % der Patienten hatten Nebenwirkungen von Grad 3 oder 4. Die besten Ergebnisse erzielte der Inhibitor bei Lungenkrebs. Dort erreichte die Ansprechrate 32,2 % über alle untersuchten Dosierungen hinweg, weitere 55,9 % der Patienten entwickelten eine Krankheitsstabilisierung. „Damit konnte bei 52 der 59 NSCLC-Patienten eine Krankheitskontrolle erreicht werden“, sagte Prof. Neubauer, der die Ergebnisse als „faszinierend“ bezeichnete. Der Zulassungsantrag wurde bei der EMA bereits eingereicht.
Er verwies zudem auf eine Arbeit, die aufzeigte, dass die Wirksamkeit von Sotorasib möglicherweise (auch) immunogener Natur ist.4 Denn eine Sotorasib-Monotherapie, aber in noch stärkerem Maße die Kombination mit einem Checkpoint-Inhibitor, induzierte laut präklinischen Analysen eine massive Immunantwort.
1. Salama AKS et al. J Clin Oncol 2020; 38: 3895-3904; DOI: 10.1200/JCO.20.00762
2. Cipponi A et al. Science 2020; 368: 1127-1131; DOI: 10.1126/science.aau8768
3. Hong DS et al. N Engl J Med 2020; 383: 1207-1217; DOI: 10.1056/NEJMoa1917239
4. Canon J et al. Nature 2019; 575: 217-223; DOI: 10.1038/s41586-019-1694-1
Quelle: Neubauer A. 16. Onkologie-Update-Seminar (virtuell)
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