AU-Bürokratie: Mediziner müssen Indikation zur stufenweisen Wiedereingliederung prüfen

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die Videosprechstunde kann die AU vereinfachen, sofern der Patient bereits bekannt ist. Die Videosprechstunde kann die AU vereinfachen, sofern der Patient bereits bekannt ist. © iStock/Ralf Liebhold

Dauert eine Arbeitsunfähigkeit sechs Wochen oder länger, muss ab sofort der Arzt prüfen, ob eine stufenweise Wiedereingliederung folgen kann. Mehr Geld gibt es für die zusätzliche Arbeit allerdings nicht.

Einmal mehr entlasten Vertragsärzte kostenlos die Krankenkassen: Nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) müssen sie ab sofort bei jeder Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit, die sechs Wochen oder länger dauert, die Möglichkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung des Patienten prüfen.

Der Anspruch auf eine Wiedereingliederung selbst ist im § 74 SGB V gesetzlich geregelt. Dass dies nun bereits auf der Praxis­ebene erfolgen soll, ist eine Vorgabe des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Der G-BA hatte deshalb bereits letztes Jahr seine Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie angepasst.

Der Bewertungsausschuss (BA) kam danach zum Ergebnis, dass in diesem Zusammenhang keine Anpassung des EBM erforderlich sei und diese Leistung gratis erbracht werden müsse.

Wie die Vertreter der KBV und der Kassen im BA zu diesem Ergebnis kommen konnten, ist schwer nachvollziehbar. Vertragsärztinnen und Vertragsärzte müssen nun bei einer Arbeitsunfähigkeit ab sechs Wochen nicht nur feststellen, ob weiterhin Arbeitsunfähigkeit besteht, sondern auch prüfen, ob sie ihrem Patienten eine stufenweise Wiedereingliederung empfehlen können.

Auf der AU-Bescheinigung (Formular 1) wird dies durch das Ankreuzen des Feldes „Stufenweise Wiedereingliederung“ dokumentiert. Danach muss mit Einverständnis des Versicherten und nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber ein Wiedereingliederungsplan (Formular 20) erstellt werden.

Zusätzliche Untersuchung als Teil der Versichertenpauschale

Hinzu kommt, dass geprüft werden muss, ob eine solche stufenweise Wiedereingliederung auf der Grundlage des körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheitszustandes des Patienten überhaupt möglich ist. Dies kann aber nur durch eine zusätzliche körperliche, neurologische und psychiatrische Untersuchung erfolgen – soll aber mit der Versichertenpauschale abgegolten sein, obgleich diese neue Leistung bei deren Kalkulation nicht berücksichtigt worden sein kann.

Schlimmer noch: Man muss auch prüfen, ob eine stufenweise Wiedereingliederung nicht die Genesung gefährden könnte. Dies hat bereits den Stellenwert einer gutachterlichen Stellungnahme, die noch dadurch verkompliziert werden kann, dass die ärztliche Empfehlung nicht gegen den Willen des Patienten erfolgen darf.

Fraglich ist, ob eine solche Arbeitsunfähigkeit auch ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt bescheinigt werden kann, wie dies im Rahmen einer Videosprechstunde nach einem Beschluss des G-BA vom Juli möglich ist. Formal wäre dies bei Patienten der Fall, die aufgrund früherer Behandlungen persönlich in der Praxis bekannt sind. Eine Krankschreibung per Video ist zwar nur bei erstmaliger Feststellung und dann auch nur für maximal sieben Kalendertage möglich. Für die Folgebescheinigung einer AU per Videosprechstunde wurde jedoch vereinbart, dass sie ohne zeitliche Begrenzung zulässig ist, wenn bereits zuvor aufgrund unmittelbar persönlicher Untersuchung durch den Vertragsarzt Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit festgestellt worden ist.

Tele-AU genügt nicht immer, um sicher urteilen zu können

Die Entscheidung liegt dabei allerdings grundsätzlich beim Arzt, der Versicherte hat keinen Anspruch auf eine „Tele-AU“. Wenn keine hinreichend sichere Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit per Videosprechstunde möglich ist, sollte deshalb eine persönliche Untersuchung in der Praxis oder der Häuslichkeit erfolgen, zumal der Patient im Vorfeld der Videosprechstunde aus haftungsrechtlichen Gründen über die eingeschränkten Möglichkeiten der Befunderhebung zum Zwecke der Feststellung der AU aufgeklärt werden muss.

Medical-Tribune-Bericht