Änderungen in der Praxisführung: Video-AU, Pflege-CGM und Entlassmanagement
Durch Beschlüsse des G-BA verändern sich die Richtlinien zur Arbeitsunfähigkeit und zur häuslichen Krankenpflege. So dürfen Mediziner nun per Videosprechstunde krankschreiben und Pflegebedürftigen eine kontinuierliche Glukosemessung verordnen.
Krankschreibung per Videosprechstunde
Eine Arbeitsunfähigkeit (AU) kann nach einem Beschluss des G-BA künftig auch in Videosprechstunden festgestellt und bescheinigt werden. Allerdings bleibt der Standard für die AU-Feststellung die unmittelbar persönliche ärztliche Untersuchung. Zu beachten ist:
- Die Feststellung der AU per Videosprechstunde darf lediglich bei Patienten erfolgen, die aufgrund früherer Behandlungen persönlich in der Praxis bekannt sind.
- Die Krankschreibung kann bei erstmaliger Feststellung für maximal sieben Kalendertage ausgestellt werden. Danach muss der Patient die Praxis aufsuchen, falls er weiterhin krank sein sollte, oder es muss ein Hausbesuch erfolgen.
- Eine Folgebescheinigung per Videokontakt ist zulässig, wenn zuvor aufgrund einer unmittelbaren Untersuchung durch den Vertragsarzt die AU wegen derselben Krankheit festgestellt wurde.
- Die Entscheidung über eine Video-AU liegt beim Arzt. Ist keine hinreichend sichere Beurteilung möglich, muss eine persönliche Untersuchung erfolgen.
- Aus haftungsrechtlichen Gründen muss der Patient im Vorfeld über die eingeschränkten Möglichkeiten der Befunderhebung für die Online-Feststellung einer AU aufgeklärt werden.
- Eine Krankschreibung nur auf Basis eines Telefonats, einer Chat-Befragung oder eines Online-Fragebogens ist unzulässig.
CGM kann pflegebedürftigen Patienten verordnet werden
Mitte Juli ist ein G-BA-Beschluss in Kraft getreten, wonach für einen Patienten, der ein System fürs Flash Glucose Monitoring (FGM) oder Real-Time Continuous Glucose Monitoring (rtCGM) trägt, das Ermitteln und Bewerten des interstitiellen Glukosegehalts verordnet werden kann sowie bei Bedarf auch Sensorwechsel und Kalibrierung des Geräts. Die Leistung ist nur verordnungsfähig bei Patienten mit einer intensivierten Insulintherapie und einer
- hochgradigen Einschränkung der Sehfähigkeit,
- erheblichen Einschränkung der Grob- und Feinmotorik der oberen Extremitäten,
- starken Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
- starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit oder Vorliegen eines Realitätsverlustes, die es unmöglich machen, die Messung selbst vorzunehmen, das Ergebnis abzulesen, den Sensor zu wechseln oder die Kalibrierung durchzuführen
- sowie bei Patienten, die entwicklungsbedingt die Leistungen noch nicht erlernen oder selbstständig durchführen können.
Diese Einschränkungen müssen aus der Verordnung auf dem Formular für die häusliche Krankenpflege (Muster 12) – zunächst im Freitext – hervorgehen. Ab Oktober 2020 ist ein neues Formular vorgeschrieben.
Bezüglich Dauer und Häufigkeit der Blutzuckermessung im kapillaren Blut (Nr. 11 im Leistungsverzeichnis) konkretisiert der G-BA: „Bis zu dreimal täglich. Bei Erst- und Neueinstellung: bis zu vier Wochen.“ In begründeten Fällen, z.B. bei instabiler Stoffwechsellage, könne allerdings auch eine höhere Frequenz notwendig sein. Das trifft gerade auf Patienten zu, für die die Nr. 11a in Betracht kommt. Deshalb hat der G-BA hier keine quantifizierenden Hinweise zu Dauer und Häufigkeit gemacht. Die Messfrequenz hat gemäß ärztlichem Behandlungsplan in Abhängigkeit von der Arzneitherapie zu erfolgen.
Die Messung setzt voraus, dass die Pflegefachkräfte in der Anwendung der Geräte geschult sind. Eine Verordnungseinschränkung, wie es bei einigen Kassen für die Geräte der Fall ist, besteht nicht.
Krankenhäuser dürfen bei Entlassungen mehr veranlassen
Zum 1. Juli wurde der Rahmenvertrag zum Entlassmanagement der Krankenhäuser geändert, der zwischen GKV-Spitzenverband, KBV und Deutscher Krankenhausgesellschaft besteht. Hintergrund ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz. Einige Neuerungen sind:
- Kliniken können auch Verband-, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und Soziotherapie verordnen sowie eine AU ausstellen. Hinzu kommt nun die Entlassfahrt per Krankentransport (z.B. im KTW) oder als Krankenfahrt (z.B. im Taxi) zur ambulanten Behandlung, in ein Heim oder zur Wohnung des Versicherten.
- Das Entlassmanagement umfasst ferner die Verordnung von Haushaltshilfen und Kurzzeitpflege bei fehlender Pflegebedürftigkeit sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach SGB XI (Soziale Pflegeversicherung).
Medical-Tribune-Bericht